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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 10
logischer Einseitigkeit ihre Entstehung verdankt, daß
aber noch viel weniger der dekorativen Wirkung wegen
Imitationen Unterschlupf gefunden haben. Pie ein
zelnen Gegenstände sind gut gewählt, gehen aber über
die Blütezeit des deutschen Porzellans, das weitaus
vorherrscht, also über das Jahr 1808 nicht hinaus
und sind in der Regel, was- nicht zu unterschätzen ist,
tadellos erhalten. Von Chinaporzellanen sind nur
einige Nummern vorhanden, darunter ein Wappen-
kännchen der sogenannten Gruppe „Porcelain des
Jndes“, wie es in China auf europäische Bestellung
dekoriert worden ist. Wichtiger sind einige Gefäße von
rotbraunem Steinzeug, das nicht nur in einem interes
santen holländischen Teekännchen von Ary de Milde,
sondern auch in einigen Böttgerobjekten europäische
Nachfolger findet. Das braune Bayreuther Teekännchen
Chino'serien in Gold, wie in leuchtenden Farben ver
treten. Ebenso stattlich repräsentieren sich die beiden
Hauptarten der „Meißner deutschen' Blumen“, „Feder-
vieh“-Malereien — darunter eine ganze Teilerfolge —
und Landschaftliches, auch „Mosaique-Ränder". Aus
der Louis XVI-Zeit fallen nur einige Jardinieren, aus
der Marcolinizeit nur ein weiß-goldenes Service auf,
das bereits ganz „antikisch“ gehalten ist.
Die anderen Manufakturen des 18. Jahrhunderts
behaupten sich neben Meißen ganz ehrenvoll. Aus
Wien sind zwei besonders feine Doppelhenkeltassen
der Du Paquier-Zeit. Aus der späteren Zeit sind einige
der so charakteristischen, durchbrochenen Aufsatz
körbe zu nennen; aus Berlin einige Arbeiten mit
„Reliefzierart mit Stäben“; aus Nymphenburg einige
Kannen und Tassen mit Blumendekor; aus Ansbach
Fig. 2.
Teekannen mit ostasiatischem Dekor. Meißen, um 1730.
nebst Teebüchse mit Silbcrdekqr gehören zu den
feinsten Stücken der so vielseitigen Fabrik von Sankt
Georgen am See.
Die Meißner Frühzeit zeigt ihre ganze reiche
Musterkarte an Gefäß formen, und Mustern: „Blumen -
belege“ (Mumezweige) und Reliefakanthus, die ver
schiedensten ; Tellerformen („Neuer Ausschnitt“, „Alt-
und Neu-Brandenstein“, „Sulkowski“, „Alt- und Neu-
Ozier", „Ordinair-Ozier“, „Gotzkowsky“ bis zum
„Dulong“ und ,,Marscille“-Modell) und namentlich
die ..beliebtesten, auf „indianische“ Vorbilder zurück
greifenden Dekormuster: Astmuster (Imari), Korn
ährenmuster, Tischchenmuster, Schmetterlingsmuster,
Rebhuhnmuster, „fliegender Fuchs“, kaiserlich chi
nesischer roter Drache — in den ältesten Exemplaren
für die königliche Hofkonditorei, wie in Nachzüglern
bis in die Marcolinizeit —, „Gelber Löwe“, „Fels und
Vogel“ usw., mitunter mit interessanten alten Marken
(z. B. Merkurstab, Dublettcnnummer des Dresdner
Johanneums usw.) oder Montierungen; gut sind die
vielen kleinen und feinen Heroldtmalereien, meist
Teller mit Purpurlandschaften; aus Frankenthal
nicht nur Teller mit Reliefdekor, sondern auch ein
interessantes Schminktöpfchen mit grünem Mosaikrand;
aus PI ö c h s t und Ludwigs!) u r g ebenf alls bezeichnende
Teller, darunter der seltene Chinadekor in Schwarz
rot und Gold. Ganz überraschend ist die braunschwei
gische Fabrik von Fürstenberg vertreten, vor allem
durch ein Service um 1770, das geradezu als das Haupt
stück der ganzen Sammlung zu bezeichnen ist.
Von den kleineren deutschen Fabriken sei noch auf
Arbeiten aus Kloster Veilsdorf, Volksstedt und
Gotha hingewiesen, denen sich noch verschiedene
außerdeutsche Stücke von Sevres, Zürich, Nion, Nove,
Lille usw. anschließen.
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Fig. 1 zeigt zwei Meißener Karnen und einen Meißener
Krug mit Höroldtmalerei.
F-g. 2. Teekannen mit ostasiatischem Dekor. Meißen
um 1730,
Versteigerung der Bibliothek Paul Sclilenthers.
Aus Berlin wird uns geschrieben:
Die Bibliothek des Ilofrates Dr. Paul Schlenther,
die im Antiquariat Paul Graupe versteigert wurde, brachte
zirka M 15.000. Den Höchstpreis erzielte die Erstausgabe
von Gottfried Kellers „Grünem Heinrich“ mit M 295.
Für die Erstausgabe Peter Altenbergs „Was der Tag mir
zuträgt“, mit einer Widmung des Autors, wurden M 68 —
gezahlt. G. Büchners gesammelte Werke in der Ausgabe von
P. Landau, Berlin 1909, brachten M 80-—. Die Erstausgabe
der „Erlösungen“ von Dehmel stieg auf M 100. Eulenber gs
„Schiller“ brachte M 80-—. Goethes Werke, 1887 im Aufträge
der Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar herausgegeben,
kamen auf M 485. Hauptmanns Werke in der Vorzugs
ausgabe von 1906 erzielten M 500. Die Erstausgabe seine