Nr. 12
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Internationale Sammler-Zeitung
zirka 90 dichterischen und künstlerischen Beiträgen namhafter
Müchner und Berliner Dichter, Maler und Musik heben wir
folgende Sprüche hervor:
Ludw. Fulda schreibt:
„Treu dir selber! Dieser Wahlspruch müßte
Hilfreich sein in jedem inneren Zwist,
Wenn man nur so verläßlich wüßte,
Wer man selber ist."
Hermann S u d e r m a n n:
„Geweiht ist, wer in seinen Sinnen
Das Bildnis ew’ger Größe trägt,
Er wird das Kleine lieb gewinnen,
Auch dann, wenn es ihm Wunden schlägt.“
Rieh. Voß variiert Viktor von Scheffel:
„Das' ist im Leben — freundlich eingerichtet,
Daß bei den Dornen auch die Rosen blühen,
Dem Herzen, dem ein Frost den Mai vernichtet,
Kann noch des Lebens voller Sommer glüh’n.“
Von den künstlerischen Beiträgen nennen wir eine ganz
frühe Bleistiftzeichnung Greiners, eine männliche Figur dar
stellend, aus dem Jahre 1887, und eine prächtige Federzeichnung
aus der Reifezeit desselben Künstlers: eine ruhende nackte
Frauengestalt, der sich eine Anzahl Faune zu nähern suchen;
von A. Oberländer findet sich eine „Studie aus dem Hono
ratiorenstübchen'‘, von E. Harburger eine Bleistiftzeich
nung, von Trübner der „Posaunenbläser" (Selbstporträt),
von Grützu er ein Klosterbruder u. a.
Der Sammler mit dem Eulenstempel.
Unter den nennenswerten Kunstauktionen des ver
flossenen Frühjahrs hat die Graphik eine erstaunlich
geringe Rolle gespielt. Die bei Karl Ernst Henrici
in Berlin vom 21. bis 23. Juni stattfindende Auktion
dürfte darum den großen und unterrichteten Sammler
kreisen gerade dieses Gebietes um so willkommener
sein, als sie nichts weniger als eine Durchschnitts
versteigerung ist, sondern — vor allem in der Sammlung
des „Sammlers mit dem Eulenstempel“ -— das Ergebnis
langjähriger liebevoller und sorgfältig wählender Sam
meltätigkeit in großem Zusammenhänge wieder auf
den Kunstmarkt bringt.
Der „Sammler mit dem Eulenstempel“, dessen
Sammlung den ersten Teil der drei Tage andauernden
Versteigerung umfaßt, ist ein Berliner Sammler, dessen
Liebe vor allem den Handzeichnungen der nieder
ländischen Meister galt. Wie lange Zeit hindurch Kunst
sammeln privater Natur überhaupt nichts anderes
hieß als Niederländer sammeln, wie sich auch heute
noch die Mehrzahl aller deutschen Sammler gerade auf
diesem Gebiete zusammenfinden dürfte, so können
vor allem niederländische Handzeichnungen bei einem
der Handzeichnung mit neuem Verständnis gegenüber-
stehendem Zeitalter auf besonderes Interesse rechnen,
wenn sie große Qualitäten haben. Diesen Grundsatz
der Qualität hat der „Sammler mt dem Eulenstempel“
zum Leitmotiv seiner Tätigkeit gewählt und genügend
erfolgreich durchgeführt, und so finden wir denn in
seiner Sammlung ebenso typische wie gute Blätter
der ganz großen niederländischen Meister neben einer
großen Zahl der vorzüglichsten Handzeichnungen der
mehr nationalen Meister vor.
Unter den großen Namen stehen naturgemäß
Rubens, van Dyck und Rembrandt an der Spitze.
Von Rubens ist ein schönes doppelseitiges Blatt in
getuschter Federzeichnung vorhanden, zwei Dorfland-
schaften, in denen es dem Meister auf das Studium des
Baumschlags ankam, prachtvolle Blätter, wohl aus
jener reifen Zeit der zweiten Ehe, da dem Meister durch
den Erwerb eines eigenen Schlosses ein besonders
intimes Verhältnis zur Natur und damit eine neue
Bedeutung der Landschaft für das Bild aufging. In die
Frühzeit hingegen dürfte die perspektivisch weite
Kreidezeichnung einer Landschaft zu versetzen sein,
die völlig als Studie zu der mehr auf Komposition
gesehenen frühen Landschaftsmalerei des Rubens an
mutet. Von des Rubens größtem Schüler, van Dyck,
sind drei getuschte Zeichnungen vorhanden. Das her
vorragendste Stück ist hier die in Kreide angelegte
Studie zur Pieta der Düsseldorfer Galerie, ebenso wie
die lebensvolle Studie zu einem Gekreuzigten, ein
markantes Beispiel für die im Gegensatz zu Rubens
auf einen weichen Rhythmus angelegte Art, in der sich
van Dyck seine Bildideen notierte. Die getuschte
Kreidezeichnung eines Herrenkopfes hat einem Kupfer
stich als Vorlage gedient. Von Rembrandt enthält die
Sammlung ein Blatt in Federzeichnung, das einen
jungen und einen alten Mann zeigt, eines jener Blätter,
in denen sich Rembrandt mit der gleichen Vorliebe
wie der alte Lionardo und der moderne Menzel die
Erlebnisse seines Auges festhielt, um sie gelegentlich
später, in der Mehrzahl freilich niemals, malerisch zu
verwerten.
Diesen Größten der niederländischen Schule
schließen sich die Sterne zweiten Ranges an. Vom
großen Jordaens, dem Freunde des Rubens, eine
mythologische Szene in Tusche. Paul Bril mit einer
überaus sorgfältigen Tuschzeichnung, eine belebte
Seeküste. Jan Fyt, der Rubens des Stillebens, zeichnet
in Bleistift unter Hilfe der Tusche eine Hündin mit
Welfen. Vom zu immer stärkerer Geltung aufsteigenden
Jan van Kessel ist als Seltenheit die Tuschzeichnung
einer Waldstraße da. Der Kreis um Rembrandt ist
sachlich wie kunsthistorisch gleich interessant ver
treten mit Hooghstraaten, zugleich dem Biographen
seines Meisters, mit den beiden Iioninghs, von denen
der jüngere Philipp ein so berufener Lan dschafter war —?
die schöne Tuschzeichnung der Ansicht von Delft
(ein großes Delftbild hängt im Kaiser-Friedrich-Museum)
dafür ein Beleg — und so unselbständig wurde,
wenn er dem biblischen Stile seines Meisters Rembrandt
nachstrebte, mit Livensz, einem der feinsten Land
schafter der Periode, mit vielen Kleinerem
Besonders stark ist überhaupt die eigentliche Größe
der holländischen Malerei vertreten: die Landschaft.
Hier bringt die Versteigerung nicht weniger als fünf
Blätter des stärkeren Sohnes Jacob van Ruysdael,
und zwei Blätter des Vaters Salomon, darunter zum
Beispiel die Rötelzeichnung einer Marschenlandschaft
mit der eigenhändigen Signatur Jacobs. Aelbert Cuyp
zeigt die getuschte Kreidezeichnung einer Zugbrücke.
Und schließlich der Höhepunkt für die Feinschmecker:
nicht weniger als zehn Kreide- und Kohlezeichnungen
des feinsten aller niederländischen Landschafter, des
Jan van Goyen. Den Führern schließen sich bunt die
besten Namen an: die Molyn und Memper, die van
de Veldes und Vliegers. Auch die Gruppe der Sitten
bildmaler fehlt in der 202 Nummern umfassenden
Kollektion nicht: beide Ostades wie der jüngere
Teniers sind u. a. mit je einem Blatt vertreten.