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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 16/17
wir uns einmal die Seiten 590 und 591 des Jahrganges
1840 der „Theaterzeitung“ ansehen, wo darüber in
einer Pränumerations-Einladung einige Anhaltspunkte
vorhanden sind. Hicnach erscheint „alle Wochen am
Sonnabend ein illuminiertes Modenbild, am Ersten
jedes Monats auch ein theatralisches Kostümbild
mit porträtähnlichen Personen, ferner am 15. jedes
Monats ein Wiener Lebensbild“. Weiter heißt es
dann: „Alle diese Bilder sind in Kupfer und Stahl
gestochen, jährlich wohl gegen ein Hundert an der
Zahl.“ Bedenkt m.an nun, daß hienach vom Jahre
1832 an bis 1859 (vor 1832 erschien die Theaterzeitung
ohne Illustrationsbeigaben), wie oben dargelegt, rund
2700 Bilder hätten herauskommen müssen, so ent
stände von selbst die Frage, warum, die letztgenannte
Zahl an Blättern mit jener der tatsächlich auf uns
überkommenen sich nicht deckt. Das findet seine
Erklärung darin, daß die in der Pränumerations-
Einladung versprochene Bildermenge zweifellos nur
als Abonuementsköder diente und, weiters auch darin,
daß die „Theaterzeitung“ in späteren Jahren —
etwa nach 1848 — nicht mehr die alte Bedeutung und
Finanzkraft besaß. Bekannt ist ferner, daß Bäuerle
nach einem anderwärts angewandten Worte Ludwig
Hevesis ein wahres „Genie in Geldkalamitäten" war
und häufig sich außerstande fühlte, die kostspieligen
Bilder pflichtgemäß herstcllcn zu lassen. Bediente er
sich doch nicht selten des Auskunftsmittels, eine schon
früher fertiggestellte Kupferplatte neuerlich zu ver
wenden und das alte Bild mit einer veränderten Auf
schrift oder Textierung zu versehen. Als Besitzer der
Hauptgruppen der Bäuerlebilder wage ich kühn die
Behauptung, daß niemand sich rühmen kann, die
gesamte lückenlose Serie dieser Bilder sein Eigen zu
nennen. Selbst in der Wiener Stadtbibliothek,
die alle Jahrgänge der Theaterzeitung samt den dazu
gehörigen und mitgebundenen Bilderbeilagen besitzt,
fehlt beispielsweise der (bilderlose) Jahrgang 1809/10
gänzlich, und auch die Bilder selbst sind in den übrigen
Bänden bis 1859 nur mangelhaft vertreten.
Das von der Stadt Wien angekaufte Exemplar
der Theaterzeitung gehörte ehedem der Tochter des
Herausgebers, Fräulein Friederike Bäuerle, die aber
selbst auch nicht im Besitze aller Bilder war, weil
Kinder und Unbefugte diese ent trugen, zerschnitten,
verdarben. Und auch andere große Bibliotheken
weiden bei einem derartig ins Riesenhafte zerflatternden
Druckwerke schwerlich mit Entschiedenheit dafür
einstehen können, daß die kaum, übersehbaren Beilagen
auch wirklich allesamt bis auf das letzte Stück vor
handen sind. Da aber diese reizenden, das vorm.ärz-
liche Leben und Treiben Wiens atmenden Bilder heute
für sich allein einen sammlerischen Selbstzweck bilden
und als solche sehr begehrt sind, wollen wir sie zu
förderst nach Kategorien ordnen, wie diese sich ganz
von selbst ergeben. Die Gattungsbezeichnung der
jeweilig dargestellten Szene oder Figur ist nämlich
auf dem oberen Randteile der Mitte des Blattes immer
angegeben, auch ist jede Gattungsserie der Bilder
rechts von der Zahl 1 an fortlaufend numeriert.
Nachfolgend seien die Hauptgruppen der Bäuerle -
blätter nach den Gattungsbezeichnungen nebst der
je vorhandenen Stückzahl — wie bisher ermittelt
werden konnte — vorgeführt:
a) „Kostüme-Bilder“ 116 Stücke
b) „Wiener Szenen“ 45 Stücke
c) „Satyrische Bildci“ 136 Stücke
Zusammen 297 Stücke.
Diese Blätter können als Grundstock und zugleich
als der wertvollste Teil gelten, den ein eifrig Suchender
noch immer zusammenbringen wird. Allerdings wild
er dabei Auktionen, Kunstantiquariate aufsuchen,,
ja selbst manchen Pirschgang nach entfernten Vor-
stadttrödlereien unternehmen müssen, um sich die
Reihenfolge bis aufs letzte Stück zu verschaffen.
Weiters befinden sich unter den Bäuerlebildern etwa
135 Stück Rebusblätter, mit denen unsere Alt
vorderen viel Spaß und Kopfzerbrechen hatten, nament
lich wenn die Lösung „verzwickt“ war. Diese Blätter
sind im Vergleich zu den früher genannten heute noch
ziemlich wohlfeil (etwa K L— bis 5-— das Stück,
je nach dem bildlichen Inhalt). Auch aus ihnen weht
linde jene angenehme Naivität des Vormärz, die als
Gegensatz zum nervenpeitschenden Getriebe der Gegen
wart in uns die Ahnung entzückender Eriedsamkeit
wachruft. Ferner ließ Bäuerle in seiner Theaterzcitung
auch gegen 800 „Modebilder“ erscheinen, in denen wir
die Herren- und Erauentracht des alten, gemütlichen
Wien oft in Formen und Stilseltsamkeiten vorgeführt
sehen, für die uns nur ein stilles Lächeln erübrigt.
Wie schon angedeutet, begann für die Theater
zeitung nach den politischen Erschütterungen des
Jahres 1848 — von da an hieß sie „Wiener allgemeine
Zeitung“ — allgemach der Verfall. Nicht als ob es den
Bildern von dieser Zeit an Witz und Humor gebräche,
aber eine gewisse System.losigkeit reißt ein. Unter
dem Kollektivtitel „Beilage“ oder „Bild“, „Prämien
bild“, oft auch ohne jede Bezeichnung und in kaum
kontrollierbarer Zahlenfolge,, drängen sich die Kunst
beilagen bunt durcheinander. Zum. „Kostümbild“,
'„Wiener Szene“, „Satyrischen Bild" gesellen sich
allerlei Schwarzblätter, ausländische Ansichten, Por-
Ufäte und ein Sammelsurium anderer Darstellungen,
die zwar noch immer interessant, aber oft unwienerisch
und nicht mehr schematisch zusammen faßbar sind.
Nimmt man die Zahl der nach 1848 bis 1859 erschiene
nen Blätter mit rund 250 Stücken an und zählt noch
dazu die ebenfalls sehr charakteristischen farbigen
Titelblätter, die seit 1836 an jedem Jahresende aus-
gegeben wurden, so erhalten wir mit Hinzurechnung
der schon angegebenen verschiedenen Bilder die
Gesamtzahl von 1505 Bäuerleblättern. Nach Ab
zug der 800 Mode- und 135 Rebus blätter bleiben
also 665 Stücke, die uns so recht eigentlich Szenen
und Personenbildnisse aus dem. Wiener Kunst- und
Volksleben samt den später hinzugekommenen untei-
sch.iedlichen Ansichten aus aller Welt vorführen.
Das groß angelegte Zeitungs- und Bilderunter
nehmen hat im Verlaufe von 53 Jahren eine erkleck
liche Menge von Griffeln und Nadeln in Bewegung
gesetzt. Die Zeichner: Schoeller, Schmutzer,
Cajetan, Kern, die Stecher: Zinke, Andr. Geiger,
Zechmayer, Bogner und viele andere stellten ihre
Kunst in den Dienst der Theaterzeitung. In den 1850 er
Jahren geht es schon abwärts, da taucht an Stelle des
Kupferstichs zeitweilig die lithographische Wieder
gabe auf. „Gedruckt bei Rauh“, „bei Höfclichs Wwe.“
usw. deuten nebst der verminderten Kunstfaktur
darauf hin. Auch der Holzschnitt wird stellenweise
nicht verschmäht; der berühmte Blasius Höfel
(1792 bis 1863) gründete sogar eine Holzschnittschule,
zunächst, um die Theaterzcitung mit Modellbildern zu
versorgen.
Aus der besten Zeit der Bäuerlebilder besitzen
wir drei Blätter, die vom. beliebten Karikaturisten
Anton Zampis gezeichnet sind, dessen schnurrige
Wiener Typen, Revolutionsgestalten, Fuhrwerke - usw.
die Viennensiker künstlerisch und finanziell so hoch
bewerten. Die erwähnten drei Bilder sind in der Serie
„Satyrische Bilder“ unter den Nummern 5, 33 und 34