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Internationale Sammler- Zeitung 
Nr. 9 
reichen Ankäufen prachtvoller Altgelder kundgegeben 
hat. Diese Neigung in des Königs Brust mutet an, als 
wäre sie auf ihn von seinem Vorfahren, dem Kurfürsten 
Maximilian I. übergekommen, der nach Münzen 
„außerordentlich begierig“ war, wie es im damaligen 
Stile heißt. 
In der Liste berühmter Personen, denen die Münzen 
als Sammelobjekt Vergnügen bereitet haben, darf 
Karl Alexander Prinz von Lothringen und Bar 
nicht unerwähnt bleiben. Als Schwager der Kaiserin 
Maria Theresia und vielfach rühmlich tätiger Feld 
herr gegen die Türken und gegen Friedrich den 
Großen bekannt, entwickelte er in Brüssel, seinem 
ständigen Aufenthaltsorte, eine segensreiche Tätigkeit 
auf dem Felde von Wohlfahrtseinrichtungen materieller 
und schöngeistiger Richtung. Schon im Jahre 1748 
zum Gouverneur der Niederlande ernannt, stiftete 
Prinz Karl Alexander eine Kunstakademie, Bibliotheks 
säle zu allgemeinem Gebrauch und gelangte weiters 
im Bestreben, das staatliche Münzwesen zu verbessern, 
in das Fahrwasser eines Münzensammlers. Nach seinem 
Tode (1780) ward seine Münzensammlung in Brüssel 
öffentlich versteigert, worüber ein zu den größten 
Seltenheiten gehörender iWktionskatalog (1781) nähere 
Auskünfte gibt. 
Eine sehr interessante geschichtliche Erscheinung, 
König Stanislaus II. (Poniatowski) von Polen, 
der letzte nationale Herrscher dieses Landes, hatte 
ebenfalls eine Vorliebe für das Münzensammeln. Fast 
wundersam berührt uns die Kunde, daß der,,schönste 
Mann Europas“, der Memoirenheld der Literatur in 
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und nicht zuletzt 
der Günstling der nordischen Semiramis sich für alte 
Münzen interessiert hat. Trieb ihn vielleicht der Kummer 
über seine mit 45 Jahren eingebüßte Stellung als 
Liebhaber der Großfürstin, nachherigen Kaiserin Katha 
rina in die Arme der Juno Moneta? Wer vermöchte in 
die Falten eines Liebhaberherzens zu blicken, darin 
neben manch besserem Gefühle doch überwiegend die 
Oberflächlichkeit und Zerflattertheit vorherrschend 
waren, Eigenschaften, deren nun einmal ei” tüchtiger 
Nur-Weltmann schwer entraten wird. 
Genug an dem, der schöne Poniatowski starb seines 
Thrones verlustig geworden, im Jahre 1798 in Sankt 
Petersburg, wohin ihn Paul I. gleich nach dem Tode 
Katharinas II. berief. Dachte der Sohn durch Mitleid 
die Wunde zu stillen, die seine „vielgeliebte“ Mutter 
dem Herzen des in jedem Sinne entthronten Polen 
königs schlug ? Der Gedanke, daß dieser genuß- und 
verschwendungssüchtige Mann, der in seiner hohen 
Politik so wenig Charakter und Energie aufbrachte, 
all dessen ungeachtet Stimmung und Ehrgeiz besaß, 
eine Münzensammlung anzulegen, will nicht recht 
Wurzel fassen im Hirn des Psychologen und Geschichts 
freundes. Aber letzten Endes läßt sich die Tatsache, 
daß bei Poniatowski Spiel und Tanz mit der Forscher 
brille des Numismatikers sich in einen gewissen Zu 
sammenhang bringen ließen, nicht leugnen. Besonders 
wenn man erfährt, daß diese antike Münzensammlung 
des Königs leibhaftig, wie sie in den königlichen Münz 
schränken aufgeschichtet war, Stück um Stück in 
St. Petersburg unter den Hammerschlägen des Auktio 
nators (1799) in alle Windrichtungen auseinander 
stob. 
Als letzter in der Reihe sei der durch Geist und 
Witz bekannte Prinz Josef de Ligne, der zum Chter- 
reicher gewordene Franzose genannt, dessen Tod 
mitten in den Festlichkeiten des Wiener Kongresses 
im Jahre 1814 die schmerzliche Teilnahme der Fest 
gäste erregt hatte. Der vlämische Gelehrte C. Philipp 
Ser iure hat in seinem „Catalogue du cabinet de 
medailles du prince de Ligne“ (Gent, 1847) ausführlich 
darüber berichtet, wie und was der berühmte Prinz 
sammelte. Die belgische Münzkunde war es nämlich 
in erster Linie, die es dem witzigen Prinzen angetan 
hatte. Das ist nun insofern nicht ohne unbewußtes 
Verdienst, weil nur durch diese fürstliche Sammel 
richtung der Anlaß geboten ward, daß Serrure durch 
Verfassung des erwähnten „Catalogue“ zugleich damit 
das anerkannt beste Handbuch für belgische Numis 
matik schaffen konnte. 
Damit sei diese Rückschau auf berühmte Personen, 
denen die Münze sammlerische Freuden gewährte, ab 
geschlossen. Daß solcher Personen auch noch weit mehr 
. gegeben hat, als hier aufgezählt wurden, darüber 
besteht kein Zweifel. Aus den Nebelschleiern des 
Gewesenen läßt sich nicht jede Erscheinung sicher 
herausgreifen, die zur lückenlosen Ergänzung der nur 
mühsam erlangbaren Reihenfolge nötig wäre. Auch 
ist nicht zu verkennen, wie schwierig die Feststellung 
sowohl des Ursprungs, als auch der weiteren Schicksale 
einer Sammlung wird, wenn einmal Jahrhunderte, ja 
oft sogar nur einige Jahrzehnte seit dem Tode ihres 
einstigen Besitzers dahingingen und sein Wirken mit 
dem Edelrost des VcrgesSens überzogen. 
Findet sich auch unter den früheren Sammlern 
mancher Name, der unsterblich weiterlebt durch die 
Kraft der Weltmission, die seinem Träger durch höhere 
Fügung zugedacht ward, und bildete auch das Münzen 
sammeln oft nur eine nebensächliche Phase in seinem 
von wichtigeren Aufgaben durchströmten Lebenslaufe, 
so war für jenen Großen vielleicht gerade diese 
nebensächlich scheinende Phase ein Born besonderer 
Freuden. 
Alle Sammler sind unbewußte Lebenskünstler. Ihr 
Vergnügen am Zusammentragen sowohl, als auch am 
Besitz ihrer Sammelobjekte verschönt ihnen die Müh 
seligkeiten des Berufes, webt lachende Blumen in das 
ach so eintönige Grau der Gegenwartsstunde. 
Von solcher Anschauung geleitet, müssen auch die 
sammlerischen Betätigungen der geschichtlich be 
rühmten Personen beurteilt werden, deren Geister im 
gegebenen Rahmen hier heraufzubeschwören mir nicht 
überflüssig schien. Und vermutlich haben einstens 
auch sie selbst die Wohltaten dieser Anschauung, die 
bis zur Sternenhöhe einer Lebensphilosophic des Glück- 
lichscins aufzusteigen vermag, dankbar empfunden. 
Von diesem Gesichtswinkel betrachtet, besteht kein 
Unterschied zwischen Sammlern der Vergangenheit 
und der Gegenwart, und die unerforschbaren letzten 
Mysterien und Triebe, die ein Sammlerherz mit Freude 
erfüllen, bleiben wohl ewig dieselben. 
So können die zahlreichen Sammler in unseren 
Tagen, mögen sie sich auf welchem Gebiete immer 
betätigen, den an uns hier voiübergezogenen Schattcn- 
gestalten, als Gesinnungsgenossen im Geiste, ruhig die 
Bruderhand reichen.
	        
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