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Internationale Sammler -Zeit ung
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Philatelie.
(Neue Schweizer Marken.) Aus Bein wird uns
geschrieben: Die am 1. J änrier in Kraft tretenden neuen Post
gebühren haben in der Ausgabe der Wertzeichen auf denselben
Zeitpunkt folgende Änderungen zur Folge: a) Es werden
zwei neue Postmarken ausgegeben, und zwar eine zu 2%
Rappen (Tellknabe) in braunroter Farbe und eine zu 7 % Rappen
(Tellknabe), grau, b) An Stelle der Karten zu 5 Rappen (ein
fache und solche mit bezahlter Antwort) erscheinen solche zu
7% Rappen (einfache und doppelte.) Die bisherigen Karten
zu 5 Rappen werden nicht zurückgezogen, sondern sind mit
der Ergänzüngsfrankatur von 2 % Rappen zu versehen.
Verschiedenes.
(Das Ende der Sammlung Morgan.) Wenn den ,,Times"
aus New-York richtig berichtet wird, hat der junge Morgan
dem Metropolitan-Museuin die ganze Kunstsammlung seines
Vaters zum Geschenk gemacht, die mehr als 3000 Gegenstände
umfaßt und in einem besonderen Teil des Museums aufgestellt
werden soll. Das bedeutet das letzte Ende der größten und viel
seitigsten Kunstsammlung, die überhaupt je aufgebaut worden
ist. Del alte Morgan, der seinejAgenten überall in Europa hatte,
hatte für seine Sammlungen'im Laufe der Jahrzehnte nicht
weniger als etwa 300 Millionen Mark ausgegeben. Man war
der Meinung, daß der junge Morgan ursprünglich diese Samm
lung im einzelnen zu verkaufen beabsichtigte, und tatsächlich
hatte er bereits im größten Umfange damit begonnen. Als er
das Hauptdes Konsortiums wurde, das die Muninitonslieferungen
für die Alliierten übernahm, fehlte es an allen Ecken und Enden
an den nötigen Kapitalien, und der junge Morgan, dessen
nüchternem Verstand der großartige Phantasiezug des Vaters
fehlte, begann damals, nach allen Seiten hin zu verramschen.
So hat Frick, der zurzeit größte Kunstsammler Amerikas,
sich für viele Millionen aus den Gemälden Morgans ausgesucht.
Die Teppichsammlung Morgans wurde vom Sohn für mehr
als neun Millionen Mark verkauft und die Firma Duven Brothers
kaufte die berühmten Majoliken, Limoge und die von Bode
katalogisierten italienischen Bronzen für nicht weniger als
neun Millionen Mark.
(Karl Voll.) In München ist der ord. Professor der
Kunstgeschichte an. der dortigen Technischen Hochschule
und Honorarprofessor an der Universität Dr. Karl Voll nach
langwierigem Leiden im öl. Lebensjahre gestorben. Mit Voll
ist ein bedeutender und eigenartiger Kunstforscher dahin
geschieden. Der Schwerpunkt seiner Wirksamkeit lag vielleicht
mehr noch als in seinen wissenschaftlichen Arbeiten in seiner
Lehrtätigkeit, durch die er höchst anregend auf seine Schüler
zu wirken und sie namentlich zu der schweren Kunst, Kunst
werke richtig zu sehen, anzuleiten verstand. Durch seine frühere
Tätigkeit als Kustos der Alten Pinakothek hatte Voll aus
giebige Gelegenheit, sein Auge für den Erhaltungszustand
der alten Gemälde, für das Material, überhaupt für die tech
nische Seite des künstlerischen Schaffens zu schärfen. Diese
praktischen Gesichtspunkte, die den akademischen Lehrern
der Kunstgeschichte sonst ferner zu liegen pflegen, wuißte
er in fruchtbringender Weise für die theoretische und kunst
historische Betrachtung nutzbar zu machen. Hievon zeugen
namentlich seine ,,Vergleichenden Gemäldestudien“, zu denen
er die Unterlagen auf ausgedehnten Wanderungen durch die
wichtigsten Galerien Europas gesammelt hat, und denen sich
später eine „Geschichte der altniederländischen Malerei von
Jan von Eyck bis Memling“ sowie eine erst kurz vor seinem
Tode vollendete „Enwicklungsgeschichte der Malerei“ in
drei Bänden anschlossen. In vieljähriger, von feinstem Ver
ständnis geleiteter Sammeltätigkeit hatte er eine ausgezeichnete
Kollektion von Graphik des 19. Jahrhunderts zusammen
gebracht, die vor einem Jahre unter lebhafter Teilnahme der
Kunstfreunde versteigert wurde.
(Die Würzburger „Lügensteine“:) In der. Univer
sitätssammlung von Würzburg, in den Sammlungen von
München, Göttingen,, Bamberg und anderen ,Örten zeigt
man noch heute sogenannte „Lügensteine“, worunter bös
willig gefälschte Versteinerungen zu verstehen sind. Sie stam
men aus der Zeit, wo versteinerte Tiere und Pflanzen auch
von angesehenen Gelehrten als Naturspiele angesehen wurden,
die auf geheimnisvolle Weise im Erdboden entstanden sein
sollten. Den tragikomischen Abschluß der Literatur, die die
Versteinerungen in diesem Sinne auffaßt, bildet die „Litho-
graphia Wirceburgensis“ von Joh. Barth. Beringer, die
1726 in Würzburg erschienen ist. Es sind in diesem merk
würdigen Buche eine ganze Reihe wirklicher Versteinerungen
abgebildet und beschrieben, daneben aber auch solche, mit
denen Studenten dem leichtgläubigen Professor einen Streich
gespielt haben: sie spielten ihm allerhand Versteinerungen in
die Hände, die es gar nicht gab: Nacktschnecken, Insekten,
Salamander, Frösche, Sonnen, Monde, Sterne, selbst hebräische
Schriftzeichen! Als schließlich auch der Name Beringer ver
steinert ausgegraben wurde, war das Spiel aufgedeckt, und
Beringer suchte nun sein bereits veröffentlichtes Werk auf
zukaufen und zu vernichten. Allein im Jahre 1767 erschien
es in zweiter Auflage. Diese Darstellung, die man in manchen
Geschichten der Geologie und Paläontologie findet, ist jedoch
unrichtig, wie der Königsberger Professor K. Andree in der
„Naturwissenschaftlichen Wochenschrift“ nachweist. Die Uni
versität Königsberg besitzt nämlich ein ausgezeichnet erhaltenes
Exemplar der angeblich vernichteten Erstausgabe des Berin-
gerschen Werkes aus dem Jahre 1726. Aus dem Titelblatte
geht eindeutig hervor, daß Beringer an dem Erscheinen des
Werkes nur als Senior und Dekan der medizinischen Fakultät
beteiligt ist; das Buch selbst ist eine Doktorarbeit von
Georg Ludwig Hueber. Um jene Zeit gäben nun freilich
Doktorarbeiten noch mehr als heute die Anschauungen der
Professoren wieder, die die Anregung zu der Arbeit gaben.
In dem vorliegenden Falle scheint aber, wie Professor Andree
nach einer Mitteilung des Würzburger Mineralogen Professors
Beckenkamp angibt, der Kandidat Hueber dem Dekan
Beringer den üblen Streich gespielt zu haben, und wahrscheinlich
steckten hinter Hueber die Kollegen Beringers. Tn der zweiten
Auflage des Buches ist der Name Huebers unterdrückt; sie
ist auch nicht als Dissertation kenntlich, und wer sie liest,
muß das Buch für eine Arbeit Beringers halten.
(Ein Trachtenfund im Osebergsschiff.) Das Osc-
bergsschiff, jenes herrliche Fahrzeug aus der Wikinger-Zeit,
das zu den bemerkensw-ertesten Ältertumslünden der Welt
gehört, birgt noch immer unerschöpfliche Schätze, die nur
allmählich unter den geduldigen und erfahrenen Händen der
wissenschaftlichen Forscher zu neuem Leben erstehen können.
Wie das „Svepska Dagbladet“ berichtet, ist man jetz mit der
Untersuchung der auf dem Schiff gefundenen Stoffe eifrig
beschäftigt, die zu den ältesten und eigenartigsten Textil
waren gehören. Es sind die Gewänder der einstigen Besitzerin
des Schiffes, die jetzt von dem Direktor des Kunstindustrie
museums in Trondhjem aus verfilzten zusaminengeballten
Stoffklumpen in ihrem ursprünglichen Zustand wiederher-
gestellt w'erden sollen. Die Muster, die Technik und die Motive
bilden eine reiche Quelle zum-Verständnis für die kulturellen
Beziehungen der Wikinger-Zeit, gewissermaßen ihrer ganzen
Entwicklung.
(Leon Daudet, der Kunstkenner.) In. einem Leit
artikel der Action Francaise sagt Leon Daudet von einem
Buch, in dem ein Herr Le Roux den Tod seines im Feld ge
fallenen Sohnes literarisch verarbeitet hat, es erinnere ihn an
„das unvergeßliche Gemälde von Sevilla das Begräbnis des
Grafen von Orgar". In der nächsten Nummer berichtigte dann
Herr Daudet, daß der Mann nicht Orgar, sondern Orgas heiße,
was immer noch, nicht stimmt, da er Orgaz heißt, Unbe-
richtigt aber blieb, daß das berühmteste Gemälde des Greco
mit Sevilla nichts zu tun hat, sondern den Stolz der Kirche