Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
10. Jahrgang. Wien, 15. Juni 1918. Nr. 12.
Siegel.
Die Siegel gehören zu jenen Sammelobjekten,
über deren Wesen noch viel zu wenig bekannt ist und
die weder in Fach- noch in Laien kreisen die gebüh
rende Würdigung finden. Es ist darum besonders
anerkennenswert, daß der Verlag von Richard Carl
Schmidt & Co. in Berlin seiner von Sammlern sehr
geschätzten „Bibliothek für Kunst- und Antiquitäten
sammler" nun auch ein Werkchen über Siegel ein
gefügt hat. Für die schwierige Arbeit wurde Egon
Freiherr von Berchem gewonnen, der sich durch
seine Publikationen über Siegelkunde einen Namen
gemacht hat.
Der neue Band, trotz der Kriegszeit auch äußer
lich seiner Vorgänger würdig, gliedert das reiche Mate
rial in übersichtlicher Weise. Einem einführenden
Kapitel über die Bedeutung der Siegel für Kunst und
Wissenschaft folgen Abschnitte, die das Wissenswerteste
über die Entwicklung, Herstellung und Verwendung
der Siegel, über die Siegelstempel und die Besiegelung
der Urkunden enthalten. Wer tiefer in die Materie
eindringen will, findet vielfach Hinweise auf weitere
Literatur sowie am Schlüsse ein ausführliches Literatur
verzeichnis, da« allerdings auf Vollständigkeit keinen
Anspruch erhebt. Eine Zusammenstellung von Um
schriften der verschiedenen Siegelarten soll die Ent
wicklung und große Verschiedenheit derselben zeigen,
aber auch dem Ungeübten das Einlesen und damit
das Bestimmen der Siegel erleichtern helfen.
Ein besonders interessantes Kapitel behandelt das
Anlegen und Ordnen von Siegelsammlungen. Freiherr
von Berchem gibt da folgende nützliche Winke:
„Es kommt ganz darauf an, nach welchem Ge
sichtspunkt man sammeln will. Wer zum Beispiel
nur kunsthistorisch interessante Siegel sammelt, wird
seine Sammlung anders anlegen wie der Wappen
sammler, und dieser wieder kann seine Siegel nur dem
Namen der Familien nach oder auch nach Wappen
bildern ordnen. Letzteres ist allerdings viel kom
plizierter, hat dafür aber auch in heraldischer Be
ziehung vieles für sich. Je größer die Sammlung,
desto peinlicher muß die Ordnung sein. Jedes gesuchte
Siegel muß man sofort und ohne weiteres auffinden
können. Entschließt man sich, verschiedene Arten
von Siegeln zu sammeln, so ist es zunächst nötig,
sie in bestimmte Abteilungen einzuordnen. Als Muster
möge nachstehende Einteilung dienen:
1. Kaiser- und Königssiegel;
2. Siegel des hohen Adels (souveräne und nicht
souveräne Fürstenhäuser);
3. Siegel des niederen Adels (Grafen, Freiherren,
nicht titulierte Edelleute);
4. Patrizier und Bürgerliche, Bauern und Juden;
5. Siegel der hohen und nicdeien Geistlichkeit;
6. Siegel der Städte, Kirchen, Klöster, Universi
täten, Schulen, Gerichte, Zünfte und sonstigen Kor
porationen ;
7. Unbestimmte Siegel;
8. Urkunden mit Siegel;
9. Siegesstempel.
Die Kaiser- und Königssicgcl sind unter sich chrono
logisch zu ordnen.
Die Adelssiegcl und die der Bürgerlichen alpha
betisch und die einzelnen Familien wieder chrono
logisch, beziehungsweise nach Linien, und chrono
logisch, falls man sie nicht nach Wappenbildern legen
will.
An die Siegel der Städte schließen sich unmittelbar
die in der betreffenden Gemeinde befindlichen Kirchen,
Klöster, Schulen usw. an; wo sich Serien finden, diese
stets chronologisch.
Die Siegel der Kirchen, Klöster und sonstigen
geistlichen Vereinigungen können auch an die Siegel
der Geistlichkeit abgeschlossen werden, so daß sich
an die der Städte nur die weltlichen Behörden und
Korporationen anreihen. Besitzt man aber zum Bei
spiel von den Zünften sehr viele Siegel, so macht man
dafür eine eigene Abteilung und ordnet sie dann alpha
betisch nach den Städten, wo sie sich befinden, oder,
was sicherlich interessanter und lehrreicher ist, nach
den Gewerben.
Durch das zeitliche Ordnen bekommt man ganz
von selbst einen guten Überblick über die Entwicklung
der einzelnen Kategorien.
Bei den unbestimmten Siegeln empfehle ich die
Anordnung nach Siegel-, beziehungsweise Wappen
bildern, weil dadurch eine wesentlich leichtere Be
stimmung und Auffindung möglich ist.
Zur Unterbringung der Siegel wähle man Schränke,
mit Schubladen oder in Kästen untergebrachte Fächer.
Bei Sammlungen, die auf Zuwachs berechnet sind,
müssen die Siegel lose in den Fächern liegen, so daß
das Nachreihen von Zugängen oh ne weiters möglich
ist. Das vielfach geübte feste Aufkleben der Siegel
auf Papptafeln nebeneinander ist nicht ratsam, da