Nr. 22
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 189
Ein Ausfuhrverbot i
Der provisorischen Nationalversammlung in Deutsch
österreich wird am 4. Dezember folgender Gesetz
entwurf zur Beschlußfassung vorliegen:
Die Provisorische Nationalversammlung des Staates
Deutschösterreich hat beschlossen:
§ 1. Die Ausfuhr von Gegenständen von geschichtlicher,
künstlerischer oder kultureller Bedeutung (Antiquitäten,
Gemälde, Miniaturen, Zeichnungen und Werke der Graphik,
Statuen, Reliefs, Medaillen und Münzen, Gobelins und andere
ältere kunstgewerbliche Werke, archäologische und prähi
storische Gegenstände, Archivalien, alte Handschriften und
Drucke u. dgl.) ist verboten.
§ 2. Die Veräußerung und der Erwerb der Gegenstände
der im § 1 bezeichneten Art und Baudcnkmale, die sich im
Eigentum oder im Besitze von Körperschaften des öffentlichen
Rechtes, öffentlichen Anstalten oder Fonds oder von Stiftungen
befinden, ist verboten. Das gleiche gilt bis zur Er
lassung eines Gesetzes über die Krongüter und Familien-
güter des ehemaligen kaiserlichen Hauses für die ob-
bezeichneten Gegenstände, die sich im Eigentum oder
Besitze des bisherigen Hofärars befinden. Die entgegen
dieser Bestimmung abgeschlossenen Rechtsgeschäfte sind
ungültig.
§ 3. Die Werke lebender Künstler und solcher Künstler,
seit deren Tod noch nicht zwanzig Jahre vergangen sind,
sind von diesen Verboten ausgenommen.
i Deutschösterreich.
§ 4. Ausnahmsweise kann die Ausfuhr oder Veräußerung
von Gegenständen der bezeichneten Art in rücksichtswürdigen
Fällen vom Staatsdenkmalamte bewilligt werden. Gegen
die Verweigerung dieser Bewilligung steht binnen vier
Wochen die Beschwerde an das Staatsamt für Upterricht
offen.
§ 5. Wer dem in diesem Gesetz; enthaltenen Ausfuhr
verbote zuwiderhandelt, wird nach dem Gefäll sstrafgesetze
bestraft. Neben der gesetzlichen Strafe ist stets auch der Ver
fall des Gegenstandes der strafbaren Handlung auszusprechen.
W r er- das in diesem Gesetze enthaltene Veräußerungs- und
Erwerbsverbot vorsätzlich Übertritt oder nachträglich aus der
Übertretung Vorteile zieht, wird von der politischen Bezirks
behörde mit Geld bis zum zweifachen Betrage des vom Staats-
denkmalamte zu bestimmenden Wertes oder des Erlöses
oder mit Arrest bis zu drei Monaten bestraft. Auch
können die veräußerten Gegenstände für verfallen erklärt
werden.
§ 6. Die gemäß § 5 für verfallen erklärten Gegenstände und
eingehenden Geldbeträge fallen dom Staatsschätze zu. Sie
sind vom Staatsamt für Unterricht für öffentliche Kunst
zwecke zu verwenden.
§ 7. Mit dem Vollzüge dieses Gesetzes, das sofort in Kraft
tritt, sind die Staatsämter für Unterricht und der Finanzen
betraut.
Chronik.
Bibliophilie.
(Versteigerung illustrierter Bücher.) Aus Berlin
wird uns geschrieben: Bei reger Beteiligung von Interessenten
verlief die von Paul Graupe veranstaltete Versteigerung
von illustrierten Büchern uxrd Handschriften des 19. Jahr
hunderts sehr flott. Das aus 14 Bänden bestehende Bilderbuch
von Fr. J. Bertuch mit 720 kolorierten Kupfertafeln in deutschem
und französischem Text, in Weimar 1790 erschienen, würde
mit M 280 bezahlt. Unter den 14 Nummern der von Bertail
illustrierten Werke, die zusammen über M 800 erzielten,
wurden zwei Bände Alexander Dumas für M 155, ein reich
vergoldeter Band von Balzac für M 150, ein prachtvoller
roter Halbmaroquinband von Brillat-Savarme „Physiologie
du goüt" für M 110 und drei Bände über Pariser Verhältnisse
in deir Jahren 1844/46 von E. Briffauct für M 105 verkauft,
während ein unbeschriebenes Exemplar von Saint Pierres
„Paul etVirginie" fürM48.— zuhaben war, und die reich illu
strierte Ausgabe der ins Englische übersetzten Erzählungen
von Jacob und Wilhelm Grimm und W. Hauff schon für M 35.—’
einen Käufer fanden. Wilhelm Busch war mit 31 humoristischen
Schriften vertreten, die einen Gesamtertrag von M 662 ergaben
und einzeln zwischen M 15' — und M 21*-— im Preise wechselten.
Nur die Bilderposse „Hansel und Gretel“ erzielte in der Erst
ausgabe von 1864 einen höheren Preis (M 55'—), und zwei
andere Erstausgaben: „Katze und Maus" und „Krischan
mit der Piepe", beide ebenfalls aus dem Jahre 1864, kamen
auf M 43'—■ beziehungsweise M 42'—. Das von R. Seymour
und H. K. Browne illustrierte humoristische Werk über den
„Pickwick-Club" vom Jahre 1838 brachte M 210, ein anderes
englisches Werk, von demselben Künstler im Verein mit
G. Cattermole illustriert, M 120 und ein Maroquinband
mit Goldverzierungen, enthaltend illustrierten Humor in
Blättern von A. Crowauill und J. Philips, M 140. Ein Faksimile,
Druck der Randzeichnungen aus dem Gebetbuche des Kaisers
Maximilian I. von Albrecht Dürer kam auf M 460, ein voll
ständiges Exemplar der „Graphischen Künste" mit Radierungen
von Klinger, Stauffer-Bem u. a. auf M 395, Franz Kuglers
„Geschichte Friedrichs des Großen“ mit Zeichnungen von
Ad. Menzel, in einem Exemplar der ersten Ausgabe auf M 450
und ein anderes Exemplar desselben Werkes in einem neueren
Halbfranzband mit Goldverzierungen auf M 420. Die von
Ludwig Richter, Oskar Pietsch u. a. illustrierten Monatshefte
„Deutsche Jugend" in 19 Bänden aus den Jahren 1873—1882
wurden mit M 105, Klaus Groths „Quickborn" mit den Bildern
von Otto Speckler, in einer Goldschnittausgabe vom Jahre
1856, mit M 100 und H. Hoffmanns, des Verfassers des Struwel
peter. „König Nußknacker", das zu den schönsten Bilder-