Nr. 22
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 191
Fruchtbarkeit seine Landschaften, mit Vorliebe stark poin
tierten Charakters und mit einem ausgesprochnen Zug ins
Effektvolle und der Gefahr des Äußerlichen nicht entgehend.
Von einem starken, eigenartigen künstlerischen Temperament
in Lorenz Rüdisühlis Landschaftsmalerei, die gerne das Wald
interieur, mit einzelnen grell beleuchteten Partien, mit Moos
teppichen und Flechten, pflegte, kann die Rede nicht sein.
Auf seine Detailausführung, etwa die Tautropfen auf einem
Blatt oder derlei Scherze, bildete er sich viel ein; das habe
Jakob Ruisdael — äußerte er einmal naiv —nicht gekonnt.
(Der Nestor der deutschen Kupferstecher) Pro
fessor Louis Jacoby ist in diesen Tagen in Berlin verschieden,
nachdem er noch im Juni dieses Jahres unter vielfacher Teil
nahme der Berliner Künstlerwelt seinen 90. Geburtstag hatte
begehen können. Der dahingeschiedene Künstler stammte aus
Havelberg und w r ar auf graphischem Gebiete ein Schüler
von Eduard Mandel. Nachdem er während eines mehrjährigen
Aufenthaltes in Spanien, später in Paris und Rom, seine
Studien fortgesetzt hatte, wurde er 1863 als Professor der
Kupferstechkunst an die Wiener Kunstakademie berufen,
wo er 19 Jahre tätig war. Seit Mandels Tode 1882 wirkte er
in Berlin als artistischer Beirat der Reichsdruckerei und der
königlichen Museen. Von seinen größeren graphischen Arbeiten
sind seine Stiche nach Meisterwerken der Renaissance, wie
Raffaels „Schule von Athen“, Sodomas „Hochzeit Alexanders
und der Roxane“ (aus der Farnesina in Rom) und der „Ge
burt Christi“ nach Fra Filippo Lippi am bekanntesten ge
worden. Von neueren Werken stach er unter anderen mehrere
der großen Kaulbachschen Fresken im Berliner Museum,
vor allem die Hunnenschlacht. Mit besonderem Erfolge pflegte
er auch das Bildnisfach; sehr groß ist die Zahl bekannter
Persönlichkeiten (Grillparzer, Rokitanski, Helmholtz, Momm-
sen und vieler anderer), die er meist nach eigener Zeichnung
in Kupferstichen dargestellt hat.
(Rodins letzter Aufruf.) Aus dem Nachlaß Rodins
veröffentlicht Paul Gsell, sein literarischer Freund, einen
Aufruf des Meisters an die Künstleijugcnd der Welt: „Liebet in
Ergebenheit die Meister, die euch vorangegangen sind, neigt
euch vor Phidias und Michelangelo, bewundert die göttliche
Heiterkeit des einen und die leidenschaftliche Angst des andern.
Bew'underung ist edler Wein für vornehme Seelen, hütet euch
aber, eure Lehrer nachzuahmen. Bei aller Achtung vor der
Überlieferung merkt euch, was sie ewig Fruchtbares in sich
schließt: die Liebe zur Natur und die Aufrichtigkeit.
Das sind die beiden großen Leidenschaften des Genies. Sie alle
haben die Natur angebetet und niemals gelogen. Die Über
lieferung rät euch unaufhörlich, die Wirklichkeit zu befragen,
und sie verbietet euch, daß ihr euch blind einem Meister ergebt.
Die Natur sei eure einzige Göttin. Für den Künstler ist alles
schön; denn sein scharfer Blick entdeckt in jedem Wesen und
in jedem Ding den Charakter, das heißt die innere Wahrheit, die
durch die Form durchscheint.“
Museen.
(Die Zukunft der Dresdner Königlichen Samm
lungen.) Aus Dresden wird uns berichtet: Die im Grünen
Gew'ölbe und in den zahlreichen anderen Königlichen Samm
lungen befindlichen Kostbarkeiten, Gemälde, Kupferstiche,
ferner die Landesbücherei, das Historische Museum usw.
gehören zum Hausfideikommiß und gehen auf den jedesmaligen
rechtmäßigen Regenten von Sachsen über. Die Sammlungen
gehören also nicht der bisherigen königlichen Familie als
Privateigentum, wie auch aus der Bestimmung hervorgeht,
daß das Hausfideikommiß von dem Lande unzertrennbar
und unveräußerlich ist. Die weltberühmten Sammlungen
werden also keinerlei Veränderungen erleiden.
(Ein Jagdgemäldemuseum.) Der Großherzog von
Hessen hat noch knapp vor seinem Thronverzicht sämtliche
Gemälde mit Jagdmotiven, die in den verschiedenen Schlössern
des Großherzogtums zerstreut und mehr oder weniger unzu
gänglich waren, zu einem Jagdgemäldemuseum vereinigt.
Das neue Museum, das rund 400 Gemälde, Stiche und Zeich
nungen umfaßt, befindet sich im Schloß Kranichstein.
(Stiftung der Witwe A. W. von Hofmanns.)
Die in Blankenburg a. H. lebende greise Witwe August Wilhelm
von Hofmanns hat jetzt zur Erinnerung an den 100. Ge
burtstag des großen Chemikers dem Berliner Hofmann-
Haus der Deutschen Chemischen Gesellschaft, deren Be
gründer und erster Vorsitzender Hofmann war, ein großes
Geschenk für die Historische Sammlung gemacht. E3
sind das alle Medaillen, die Hofmann als Zeichen der Erinnerung
oder in Anerkennung seiner Verdienste erhielt, darunter zwei
große Faraday-Medaillen in Bronze und Palladium, viele Briefe
und Anstellungsurkunden zu seinen Ämtern in Deutschland
und England, Laboratoriumsbücher aus seiner englischen
und ersten Berliner Zeit mit besonders interessanten Farb
stoffarbeiten, Manuskripte seiner Reden, dann auch der letzte
der Vorlesungszettel zu der am Todestage (5. Mai 1892) nicht
mehr gehaltenen Vorlesung, wie Hofmann sie am Tage vorher
dem Vorlesungsassistenten zu geben pflegte.
Vom Kunstmarkt.
(Verschobene Auktionen.) Das Kunstauktionshaus
Rudolph Lepke in Berlin teilt uns mit, daß die Versteigerung
von Dubletten aus den sächsischen Staatssammlungen, die
für den 10. und 11. Dezember geplant war, verschoben
werden mußte. ■—• Die Galerie Commeter in Hamburg hat
die Auktion der Graphiksammlung C. G. Schmitt (Ham
burg) auf unbestimmte Zeit verschoben.
(Bode über das Kunstauktionswesen.) Für eine
gesetzliche Regelung des Kunstauktions-wesens tritt Wilhelm
von Bode in der „Kunst“ ein. Als notwendige Bedingung einer
Gesundung des Kunstauktionswesens nennt er die Einholung
der Erlaubnis vor jeder Versteigerung bei der Vorgesetzten
Behörde, das Verbot der Beteiligung der Auktionsfirma durch
Vorschüsse oder Garantieleistung an den Besitzer, das Verbot
der Einschmuggelung eigener Ware, der Interessierung der
Kunsthändler und Makler durch teil-weisen Erlaß der Auktions
gebühren, das strenge Untersagen des künstlichen Treibens
der Kunstwerke oder ähnlicher Praktiken bei der Steigerung,
die Förderung eines gewissenhaften Kataloges und der Nam
haftmachung des Besitzers. Bode stimmt aber auch der For
derung zu, daß der Versteigerer nicht zugleich Kunsthandel
betreibt, und wünscht wie in Frankreich vereidigte sachver
ständige Angestellte, die für die Angaben der Kataloge haften.
Auf diesen Experten beruhe die große Blüte des Kunstauktions
wesens in Frankreich. Bei einer Neuordnung des Auktions
wesens werde alle Rücksicht darauf genommen werden müssen,
daß die Auktionshäuser dadurch nicht zu stark geschädigt
werden, sonst tun sich —- wie dies in London und Paris vor etwa
zwanzig Jahren eine Zeitlang der Fall war —die kaufkräftigsten
Kunstsammlungen auch bei uns zusammen, um die wertvollen
Sammlungen aufzukaufen und dann im Handel zu vertreiben.
Dadurch würde aber, neben allen anderen Nachteilen, der
Maßstab für die Marktpreise, die ja am besten durch die
Auktionen reguliert werden, bedenklich unsicher werden.