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Internationale Sammler- Zeitung
Nr. 3
denen Kunst oder Künstelei einen besonderen Wert
verleihen sollten, ähnlich wie den curiosa artificalia
der spätmittelalterlichen Wunderkammern.
Dieser ganz unermeßliche Reichtum an Erzeugnissen
von unbeschreiblicher Mannigfaltigkeit sank mit den
Bauwerken, die sie bargen, im Anstürme der Barbaren
völker in Schutt und Asche, und nur der Zufall rettete
davon das eine oder andere der Nachwelt. Unverletzt
erhalten blieb aber im allgemeinen, was profanen
Zwecken für immer entzogen werden sollte: die Aus
steuer der Toten. Auch sie war nach Art und Wert
verschieden, denn man entnahm sie jeder Art von
Besitz, vom unscheinbaren, wertlosen Gegenstände,
der als Liebesgabe der Hinterlassenen der Seele des
Abgeschiedenen die Wanderung nach dem Jenseits
erleichtern und sie vor Gefährden bewahren sollte,
bis zu den kostbarsten Erzeugnissen aus wertvollstem
Material, die man in den mit weltlicher Pracht aus
gestatteten Grabkammern zusammenhäufte, damit
sie auch im Reiche der Verstorbenen dem Ankömmling
die bevorzugte Stellung verschaffen, die er auf Erden
eingenommen hatte.
Wenn nun aber auch in der Wut des Kampfes
um Sein oder Nichtsein die alte Welt mit ihrem Besitz
zertrümmert wurde und die siegreichen Volksstämmc
noch nicht imstande waren, einen Ersatz dafür zu
schaffen, so fehlte es ihnen doch weder an den dafür
notwendigen Geistesgaben, noch an Interesse und
Willen. Letzteres beweisen schon die zahlreichen
Überlieferungen spätrömischer Schriftsteller von der
Nachahmungssucht römischen. Wesens, wenigstens in
seiner äußeren Erscheinung, durch germanische Edle.
Und wenn diese auch fehlten, würden doch die Grab
beigaben deutlich genug bekunden, wie begierig diese
Völker nach der spärlichen Hinterlassenschaft des \
Feindes waren, üijd wie sehr sie danach strebten,
davon, sobald die Möglichkeit vorhanden war, nach-
zuforschen, was sie für besitzenswert hielten. Mit der
vermehrten Einsicht in diese früheren Zustände ge
winnen wir sogar die .Überzeugung, daß gewisse: Tech
niken, wie sie sich während der Herrschaft Roms
diesseits der Alpen entwickelt hatten, so z. B. die
Glasbereitung im Verlaufe der'Völkerwanderungs-
zcit überhaupt nicht untergingen, und daß von den
Werkstätten, wo sie ursprünglich _betrieben wurden,
auch fernerhin die Produkte als Handelsware ihren
Weg in weit entfernte Gegenden fanden. Dabei bleibt
allerdings die Frage nach der Volkszugehörigkeit der
kunstreichen Handwerker eine offene. Die Bearbeitung
der Edelmetalle war den Germanen nicht fremd,
berichtet doch Cäsar schon 53 v. Chr. Ton den Sueven,
sie pflegen ihre Trinkhörner am Rande mit Silber
einzufassen, und ebenso gedenkt Tacitus 47 n. Chr.
^cr Silbergruben der Mattiaken. am Taunus. Trotzdem
kam den Bergbau noch eine geringe Bedeutung zu-
Erst im Jahre 778 werden uns auch Goldwäschereien
im Rheine bezeugt, und um 860 gedenkt Ottfried
ihrer in seiner Evangelienharmonie. Wir dürfen darum
auf die tendenziöse Bemerkung des Tacitus in seiner
„Germania“, er wisse nicht ob Huld oder Zorn der
Götter den Germanen Gold und Silber versagt habe,
kein zu großes Gewicht legen. Und wenn er beifügt,
daß er damit nicht behaupte, es bringe keine Gebirgs-
ader Germaniens diese Metalle hervor, vergißt er,
was er in den Annalen darüber geschrieben hatte.
Vollends unzutreffend ist auch seine weitere Bemerkung,
Besitz und Gebrauch dieses Metalles berühre sie nicht
weiter, und man treffe bei ihnen silberne Gefäße als
Geschenke neben irdenem Geschirr zu gleichem. Ge
brauche, obwohl die Grenzvölker infolge der Stetigkeit
der Handelsbeziehungen Gold und Silber zu schätzen
wissen, auch einige römische Münzgepräge kennen
und darunter wählen. Denn diese Behauptung steht
im schroffen Gegensätze zu der Gier nach Gold und
edlen Steinen, von der die Überlieferung als von einer
schlimmen Leidenschaft dieser Völker so vieles zu
erzählen weiß. Auch wurde, diese Schwäche von ein
sichtigen Männern wohl erkannt, so, wenn z. B. der
Anonymus Valesianus meldet, daß Theoderich
der Größe das Gold mit dem bösen Geiste verglichen
habe. Wie sehr trotzdem, der Wunsch nach dessen
Besitz ihre Phantasie erfüllte, enthüllt uns besonders
die nordische Mythologie; und nochAdam vonBremen
schildert den Ländestempel, zu Upsala als ganz aus
diesem Metall erbaut und zudem mit einer goldenen
Kette über dem Dache..Das beweist genügend, wie noch
in historischen Zeiten selbst geistliche Gelehrte unter
diesem Banne standen, Ähnlich phantastisch klingt
-es auch, wenn andere Schriftsteller pns von den Gold
schätzen germanischer Fürsten erzählen, so Prokop
von denen des Vandalenkönigs Gelimer und des
Ostgotenkönigs Theoderich cles Großen, um deren
Besitz sogar die letzten Kämpfe in Italien ausgefochten
wurden. Wie eifersüchtig man darauf war, daß solche
nicht in die Gewalt des Feindes übergingen, geht aus
der von Jornandes geschilderten, durch Platens
Gedicht allbekannt gewordenen Bestattung Alarichs
im Busento hervor, ln Ekkehards kampffreudigem
Sange von Walther. und Hildegund verdunkelt diese
Goldgier sogar die besten an dem Germanenvolke
gerühmten Eigenschaften, da sie Hildegund als Schatz
meisterin der Königin Ospirin zur Untreue gegen ihre
Herrin verleitet, König Günther und seine Genossen
zu Wegelagerern macht und Hagen die alte Freundes
treue, wenn auch nicht ohne Bedenken, brechen läßt.
Walthari stellt sogar den Besitz dieses Gutes über das
fernere Schicksal seiner Braut, indem er dafür sein
Leben einsetzt. (Fortsetzung folgt.)
Schweizer und Nürnberger Zinn.
Von Alfred Walcher R. v. Moltheini (Wien).
Die Zinnsammlung des Herrn Konsul J.*) gibt in |
erster Linie ein geschlossenes Bild der Erzeugnisse des
Schweizer Zinngießerhandwerkes im 17. und 18. Jahr
hundert; in zweiter Linie enthält sie mehrere hervor
ragende Arbeiten des gleichen Handwerkes in Nürnberg,
wo sich dieses Gewerbe bald-nach 1600 zu besonders
*) Die Versteigerung findet am 4. Februar bei Albert
Ken de in Wien sfatt.
schönen und künstlerisch wertvollen Erzeugnissen
emporgeschwungen hat.
Die Schweizer Sammlung umfaßt sämtliche Kan
tone, soweit sie sich an der Verarbeitung dieses Metalles
überhaupt betätigten. Hinsichtlich der künstlerischen
Form verdient Bern durch seine Kannen mit langem
Ausgußrohr den Vorzug. Ein ornamental gebildeter
Steg oder ein solcher in Form eines Armes mit Puffen-