Internationale
^ammler^eifunj
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
11. Jahrgang. Wien, 15. Dezember 1919. Nr. 24.
Bibliophile Seltenheiten.
Paul Graupe in Berlin legt diesmal einen Katalog
auf den Weihnachtstisch, der für sich selbst einen
bibliophilen Wert in Anspruch nehmen darf. Aus
sämtlichen Abteilungen seines reichhaltigen Lagers
hat Graupe nämlich alle jene Stücke ausgewählt, denen
der Charakter von bibliophilen Seltenheiten eignet.
So finden wir in der Abteilung „Handschriften und
Miniaturen", die den Reigen eröffnet, ein armenisches
Evangeliar, aus der Zeit um 1300, das mit zwanzig
Miniaturen, zehn Blättern Kanontafeln, vier reichver
zierten Evangelienanhängen und 203 Randornamenten
geschmückt ist. Sein Wert ist mit 30.000 Mark ange
geben. Es an Wert natürlich weit überragend, ist eine
Miniaturensammlung, die als Grundstock für eine
Sammlung erlesenster Art zu dienen geeignet ist. Die
41 Miniaturen, die ihren Inhalt bilden, setzen sich
nämlich aus ausgewählten Beispielen der jeweiligen
Höhepunkte der betreffenden Länder zusammen; es
sind da prachtvolle primitive deutsche Miniaturen von
der Wende des 12. auf das 13. Jahrhundert, ein karo
lingischer Stammbaum aus dem 11. Jahrhundert,
italienische Miniaturen aus dem Anfang des 12. Jahr
hunderts, aus dem Trecento und der Wende des Cin-
quencento, französische um 1300, aus dem 15. und
16. Jahrhundert, böhmisch-sächsische um 1400 und
flämische und holländische aus der Mitte und dem
Ende des 15. Jahrhunderts. Die Sammlung ist mit
165.000 Mark wohl nicht zu hoch eingestellt.
Von den Handzeichnungen älterer und moderner
Meister möchten wir eine lavierte Federzeichnung von
Francesco Guardi, eine venezianische Gondel dar
stellend, von den Holzschnittwerken eine Sammlung
von Behamstichen hervorheben, wie sie in Ge
schlossenheit, Reichhaltigkeit, Qualität der Abzüge
und Erhaltungszustand noch nie in den Handel ge
kommen ist. Sie enthält die lückenlosen Folgen des
verlorenen Sohnes, der Monatsbilder und der Taten
des Herkules in ersten Zuständen.
Die Abteilung. „Alte Einbände" w r eist 37 Nummern
auf, von denen die wertvollste ein ziselierter Silberein
band eines Missale ist. Die beiden Deckel zeigen in
feinster Ausführung verschlungene Renaissanceranken,
die sich um ein Mittelstück (Vorderseite Apostel, Rück
seite Bischof) gruppieren. Der Rücken zeigt dasselbe
Rankenmuster in noch zierlicherer Aufsührung. Auf
Vorder- und Rückseite sind je vier Silberbuckel einge
lassen. Die beiden Schließen haben je einen Engelskopf
als figürlichen Schmuck. Die Bände sind durch eine
überstehende, abgerundete Wcberplatte verdeckt, die
gleichfalls mit Verzierungen Versehen ist. Der Preis
dieser schönen Kölner Arbeit aus den Jahren 1670 bis
1680 ist mit 15.000 Mark angeführt.
Von den illustrierten Büchern des 18. Jahrhundertes
wären besonders erwähnenswert: Ein prachtvolles
Exemplar der „Romans et contes“ mit den .schönen
Kupfern vor der Nummerierung, ein Prachtexemplar
von Voltaire mit Kupfern von Chantreau, die erste
französische Ausgabe von Beaumarchais’ „Hochzeit
des Figaro“, die historischen Essays von Sauvigny
(Paris 1785 bis 86), von den illustrierten Büchern des
19. Jahrhunderts ein Exemplar des seltenen ersten
Druckes der ersten „ächten“ Ausgabe von. Goethes
Faust. (Faust. Ein Fragment. Von Goethe Ächte Aus
gabe. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen 1790.)
Die erste in Antiqua gedruckte Gesamtausgabe von
Wielands Werken (Leipzig, Göschen 1794 bis 1801),
die Shakespeare-Äusgabe von Ch. Knight, die so
genannte Louvreausgabe von Racine u. a.
Eine Abteilung faßt dekorative Städteansichten
zusammen. Wir begegnen hier herrlichen Blättern von
Berlin, Bingen, Konstantinopel, Dorpat, Dresden,
Florenz, Freienwalde, Hamburg, Heidelberg, Karlsbad,
Kopenhagen, Krakau, Leipzig, Magdeburg, München,
Neapel, New York, Nürnberg, Oppenheim, Paris,
Petersburg, St. Moatz, Teplitz, Trie-t, Venedig
und Wien. Ein Sammelband vereinigt etwa fünf
hundert Rie^engebirgsansichten in Radierung, Kupfer-
und Stahlstich, Holzschnitt, Lithographie, Photo
graphie usw.
Unter den modernen Büchern nehmen naturge
mäß die Luxusdrucke den eisten Rang ein. Es ist da
untir anderm die erste seltene Ausgabe von Balzacs
„La peau de chagrin" mir einer Fülle von ganzseitigen
und Textstahlstichen von Janet-Lange, Marcld, Ga-
varin u. a. Paris 1838. Von Drucken der Ludwig Ernst-
Presse verzeichnet der Katalog das erste, neunte, zehnte
und elfte Buch, ferner den Sonderdruck „Die Psalmen",
Goethes „Trilogie der Leidenschaft" und die ver
griffenen Gedichte von R. G. Binding. „Tausend und
eine Nacht" ist in der sehr gesuchten Ausgabe von
G. Weil, Chamberlains „Richard Wagner“ in der
ersten, reich illustrierten Ausgabe vorhanden, die seit
Jahren vergriffen ist.
Die letzte Abteilung „Moderne Graphik" registriert
unter anderem 134 Blätter hervorragender moderner
Originalgraphik in guten frühen Drucken, fast durch-