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Internationale S amml er-Zeitung
Nr. 3
Kunstzweig: das „Ex libris". Dieses, entstanden in
jenen Stätten, wo zuerst Kunst, Wissenschaft und
Kultur gepflegt wurden, nämlich in den Klöstern, wurde
dort als Eignerzeichen mit dem Wappen des Stiftes
oder jeweiligen Abtes in die Bücher eingemalt. Später,
als die verschiedenen Reproduktionsverfahren, be
sonders der Kupferstich, aufkamen, ging das Ex libris
in die Staats-, Stadt- und Privatbibliothekcn über,
immer jedoch wurde es als Wappen allein, höchstens
mit einer dekorativen Ausschmückung dargestellt. Erst
in neuerer Zeit hat sich wieder die hohe Kunst damit
beschäftigt, hat auf ein verhältnismäßig kleines Blatt
eine Fülle von Gedanken, passend auf den jeweiligen
Besitzer zum Ausdruck gebracht, immer aber dort,
wo der Eigner auch Wappenbesitzer ist, in erster
Linie dieses als Ex libris verwendet. Also auch dieser,
kaum wieder zur Blüte gelangte Kunstzweig würde
eine gewaltige Einbuße erleiden, ungezählte Summen
gingen der Volkswirtschaft und auch der Steuerbehörde
verloren.
Richtig ist, daß in einem republikanischen Staate
ein Adel nicht mehr verliehen werden kann, daß viel
leicht auch gewisse Vorrechte desselben gestrichen
werden müssen, aber die angeführten ideellen und
materiellen Gründe würden es wohl wert erscheinen
lassen, die Aufrechterhaltung des bisherigen Adels, so
wie es in Frankreich gehalten wird, in genaueste Er
wägung zu ziehen.
Die Schätze von Kiesheim.
Man schreibt uns aus Salzburg:
Der vor kurzem aus dem Leben geschiedene Erz
herzog Ludwig Victor genoß den Ruf eines Kunst
freundes und Kunstkenners. Als er vor Jahren mit
seinem Bruder, dem Kaiser Franz Joseph, überworfen,
seine Würden niederlegte, so behielt er nur eine einzige,
die des Protektors des Salzburger Kunstvereines.
Pflegte er aber auch den Eröffnungsfeiern, wie jeder
Festlichkeit aus dem Wege zu gehen, so fand er sich,
„wenn der Rummel vorbei war“, nur um so häufiger
im Künstlerhause ein, um die ausgestellten Werke zu
besichtigen. Er tat dies mit größter Gründlichkeit und
kehrte nicht selten zu einem Objekte zurück, wenn es
seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Selten
verließ er auch das Künstlerhaus, ohne eines oder das
andere Bild zu kaufen, teils für sich, teils für andere,
denen er damit eine Freude zu bereiten gedachte.
Seine große Leidenschaft freilich waren nicht Bilder,
sondern Porzellan. Die wenigen Sterblichen, die in
die einstige Sommerresidenz der souveränen Erzbischöfe
Juvaviens kamen, glaubten sich in Andersens Märchen
von der „Nachtigall“ versetzt, nur daß es in Kiesheim
nicht v r ie dort chinesisches, sondern Altmeißener
Porzellan war, das einem von allen Ecken und Enden
entgegenblinkte. Selbst die alten Wandmalereien muß
ten einer blau-weißen Ausschmückung weichen, die
zum größten Teile aus Meißener Porzellan gebildet war.
Teller und Schüsseln, Töpfe und Vasen, wie die Uhren —
alles war aus Porzellan. Porzellangeräte füllten die Tür
rahmen aus, erhoben sich auf den Tischen, strebten von
den Fußböden empor. Der Erzherzog sammelte seit
früher Jugend und hat eine Sammlung zustande ge
bracht, die eine der größten und wertvollsten der Erde
sein dürfte.
Was jetzt mit dieser kostbaren Sammlung geschehen
wird, w'as mit Schloß Kiesheim überhaupt ? Das sind
Fragen, die die Öffentlichkeit sehr lebhaft beschäftigen,
seitdem Ludwig Victor seineAugen für immer geschlossen
hat. Vielfach herrscht die Meinung vor, daß das Land
Salzburg darauf Anspruch erheben werde. Dann würde
auch die chinesische Mauer fallen, die der ziemlich
menschenscheue Erzherzog um das Schloß und seine
Herrlichkeiten gezogen hat, dann w'ürde sich der
Strom der Touristen, der sich in einer baldigen,
ruhigeren Zukunft wieder in die Gaue Salzburgs
ergießen wird, auch nach Kiesheim lenken, von
dem man heute selbst in dem nahen Salzburg wie von
einem Märchen spricht.
Der Antiquitätenhandel am Nonnberg.
Vor etwa drei Wochen tauchte in Wien eine Reihe
kostbarer Antiquitäten auf und wurde an verschiedenen
Stellen zum Kaufe angeboten. Von der Leitung des
Museums für Kunst und Industrie wurde das Staats
denkmalamt, die berufene Stelle zum Schutze unseres
Kunstgutes, hievon verständigt. Die Besichtigung eines
einzigen Objektes genügte, um auf den Ursprung der
- Gegenstände zu führen. Diese stammten nämlich aus
dem. Benediktinerkloster der heiligen Ercntrudis zu
unserer liebenFrau auf demNonnberg bei Salzburg.
Dieses Kloster, das allen Besuchern Salzburgs bekannt
ist, erhebt sich auf einer Felsenterrasse am Südabhange
des. Festungsberges und stammt aus dem 11. Jahrhun
dert. Am Ausgang des 15. Jahrhunderts wurde das
Kloster, das jetzt Bcncdiktinerinnen bewohnen, re
stauriert. Aus jener Zeit besitzt es einen reichen welt
bekannten Kunstschatz, von dem ein Teil sogar bis auf
das 12. Jahrhundert zurückreicht. So kostbar sind diese
Schätze, daß die Beschreibung derselben den siebenten
Band der von der Zentralkommission für Kunst und
historische Denkmale herau gebenen „Österreichischen
Kunsttopographie“ fast vollständig ausfüllt.
Von diesem Klosterschatz sind nun einige der
prächtigsten Objekte plötzlich in Wien aufgetaucht,
und es w r ar natürlich Pflicht des Kunstamtes, hier
einzugreifen, um die Zerstörung dieser Sammlung
rechtzeitig. zu verhüten. Man kann die Äbtissin des
Klosters nicht freisprechen davon, daß sie unter Um-