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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 12
Der Nachlaß des Grafen Artur Wolkenstein.
In den Prachträumen des Wiener Kunstauktions
hauses Leo Schidlof sind nun die Schätze zur Schau
gestellt, die das Heim des ehemaligen österreichisch-
ungarischen Botschafters in St. Petersburg, Grafen
Anton Wolkenstein, schmückten.
Unternehmen wir an der Hand des mit großer
Gewissenhaftigkeit gearbeiteten Kataloges einen Rund-
gang durch die Säle, so fallen uns zunächst die Meister
werke Franz Lenbachs ins Auge. Da ist das Bildnis
des Grafen Anton Wolkenstein selbst, in dem die Por
trätkunst Lenbachs einen Triumph feiert. Es ist 1895
datiert und erinnert an die Zeit, da Graf Wolkenstein,
damals noch Gesandter in Dresden, freundschaftlichen
Verkehr mit dem Künstler pflog. Aus früherer Zeit
stammen die Porträts der Gräfin Wolkenstein und der
Gattin Lenbachs; das von uns in der vorigen Nummer
schon erwähnte Wagner-Porträt Lenbachs hat die
Jahreszahl 1894, ist also, was berichtigend mitgeteilt
sei, erst nach dem Tode des Tondichters entstanden.
Vielleicht liegt gerade in diesem Umstande der Schlüssel
dafür, daß das Porträt den Stempel der Vollkommen
heit trägt, was man den nach der Natur geschaffenen
Wagner-Bildnissen Lenbachs seltsamerweise nicht
immer nachsagte. Lenbach wurde durch das eckige
Wesen Wagners zu irritiert, als daß er ihm ganz ge
recht werden konnte: erst in der Distance streifte er
alles ab, was ihn an Wagner störte.
Von Lenbach wendet sich der Blick zu Josef Roos
oder de Rosa, dem Künstler, der die bekannten großen
Landschaften im sogenannten Rosa-Zimmer des Lust
schlosses in Schönbrunn schuf. Er ist auch hier mit
einer Landschaft vertreten, die durch eine Herde belebt
wird, rechts drei Kühe, zwei lagernd, eine stehend,
daneben Schafe und Ziegen. In der Mitte links eine
römische Ruine, dahinter Berge, rechts ein halbzer
störter, bewachsener Zaun, graue Wolken am Himmel.
Aus der Werkstätte des Lucas Cr an ach stammt
eine Kreuzigungsgruppe: Christus am Kreuz mit den
beiden Schächern, zu Füßen des Kreuzes kniet Mag
dalena und hält den Kreuzesstamm umschlungen,
rechts und links Johannes und Maria stehend . Am Fuße
des Kreuzesstammes befindet sich die zweifellos echte
Signatur der Cr anach-Werkstätte in der Form, wie sie
bis zum Jahre 1537 verwendet wurde, als Schlange
mit stehenden Fledermausflügeln. Die Gestalten der
beiden Schächer finden sich ähnlich auf dem Bilde
Lucas Cranachs im Städelschen Institut in Frankfurt
am Main; auch die Schürzung der Lendentücher
kommt auf Cranachs Kreuzigungen, zum Beispiel in
der Münchener Pinakothek, vor. Ein vorzügliches
Porträt einer Dame mit einem Gebetbuch weist Direktor
Dr. Glück dem Scipione da Gaetano zu, der Scipio
Caietänus zu signieren pflegte. Der mailändischen Schule
des 15. Jahrhunderts gehört eine interessante Dar
stellung Gottvaters an; das 17. und 18. Jahrhundert
ist durch eine Reihe ausgezeichneter Maler vertreten.
Wir nennen die Holländer Abraham van Beyercn,
Jan Miense Molenaer, den Sittenschilder er aus der
Schule des Frans Hals, Konstantin Netscher, Claesz
Gerrit Bleker, den Vlämen Jan Josef Horemans,
Pieter Neeffs den Älteren usw. Das 19. Jahrhundert
spiegelt : ich in seinen besten Repräsentanten wider.
Wir stoßen auf einen prachtvollen Isabey (Besichti
gung der Jagdbeute), ein Damenporträt von Daf
finger, einen Mädchenkopf von Defregger, einen
Goebel (Kirchfest in Grinzing), Waldmüller (Por
trät des Malers E. Gauermann) und viele andere.
„Das schlafende Mädchen“ mahnt an Sir Joshua
Reynolds, „Jephta und seine Tochter“ an die Art
des S. Ricci. Nicht vergessen seien Norbert Grund
(zwei Landschaften mit Bettlern, Schafe usw.), Eugen
Jettei (Hirt mit Schafen, Sumpflandschaft), Ernst
Juch (In der Wirtsstube), Josef Koppay (Porträt
der Prinzessin Elisabeth Wirrdischg'rätz, Isabella von
Spanien), Gabriel von Max (Mädchenköpf), Petter.-
kofen (Bauernhof, In der Puszta), Ignaz Raff alt
(Straßenansicht, Abendlandschaft, Wiesenlandschaft),
Karl Pischinger (Hundeporträt), Anton Sehr öd 1
(Bauernmädchen), Lach, Josef Schuster und Charles
Wilda.
Auch das Aquarell ist in der Sammlung Wolken-
stein glänzend vertreten. Wir begegnen da Namen
wie Franz und Rudolf Alt, Darnaut, Thomas Endcr,
Charles Hoguet, Remi van Haanen, Ludwig Hans
Fischer und anderen. Gustav Klimt ist mit einer
Sepiazeichnurg (Kunst und Industrie), F. von Pau-
singer mit einer Kohlezeichnung „Wilderer mit seiner
Beute“ angeführt. Eine Ergänzung findet diese Ab
teilung in den „Miniaturen und Aquarellporträts“,
zu denen Karl Agricola, Daffinger (Stilleben),
Franz Eybl (Porträt eines Grafen Hardegg), Krie
huber, iderri Leveque, Emanuel Peter, Albert
Theer und Josef Zasche das Hauptkontirgent stellten.
Den guten Geschmack des Sammlers bekundet schließ
lich auch die Graphik, in der wir Blätter von Dürer,
Morland, William Holl, Hem y Singletonundanderen
feststellen konnten. In der Abteilung ist auch ein
Originalmanuskript von Richard Wagner, ein Blatt
zur Walküre, auf das Autographenliebhaber aufmerksam
gemacht seien.
Unter den Antiquitäten ragen durch ihre Quali
tät die Porzellane hervor. Alt-Wien und Meißen
dominieren, doch sind auch sehr hübsche Stücke anderer
Manufakturen vorhanden, so ein Alt-Berliner Dejeneur
aus besonders dünnem Porzellan mit der blauen Zepter
marke und K. P. M. in Rot, eine Dalwitzer Prunkvase
mit Relicfblumen und diversen bunten Bildern reich
verziert, eine bunte Alt-Chelseacr Gruppe „Beim
Coiffeur“ und viele andere. Die wertvollsten Stücke
sind zwei große böhmische Vasen mit der Marke F. S. M.
um 1840. Die Abteilung „Gläser“ ist klein, aber er
lesen. Ein Becherglas trägt die Inschrift und Signatur
„Mi ldner fec. ä Gutenbrunn 1802“, ein Empireglas
ist von Anton Kothgasser bemalt.
Große Anziehungskraft übt die Abteilung „Arbei
ten aus Metall, Schmuck, Vitrinenobjekte“, in der
sich heirliches Geschmeide, Gold- und Emaildoscn,
Kassetten, Taschenuhren, Fächer usw. befinden. Das
wertvollste Objekt ist das Großkreuz mit Stern in
Brillanten des russischen Stanislausordens, sein Schäz-
zungswert beträgt K 150.000. Dieser Ordensdekoration
zunächst rangiert eine Brosche aus Smaragdcabochon,
umgeben von Brillanten und Diamanten, die mit
K 100.000 eingestellt ist.
Unter den Einrichtungsstücken nehmen die
Standuhren den ersten Rang ein. Es sind französische,
Augsburger und auch Wiener Arbeiten der Empirczeit.
Den Abschluß bilden die Textilien, Teppiche und
Gobelins, darunter ein Bochara von ganz ungewöhn
licher Größe (327: 320 cm), der auf K 130.000 geschätzt
ist, aber gewiß einen bedeutend höheren Preis erzielen
wird. Ebenso wie der große Wandgobelin aus der Don
Quichotte-Serie, der mit K 450.000 ausgerufen werden
wird.
Die Auktion der Sammlung Wolkenstein beginnt
am 21. Juni und dauert bis zum 25. Juni.