Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
12. Jahrgang. Wien, 1. Dezember 1920. Nr. 22/23.
Der Nachlaß Friedrich v. Amerlings.
Die Persönlichkeit des großen Alt-Wiener Malers
Friedrich von Amerling steht festgefügt in der
Geschichte der Kunst: den feinsinnigen Sammler
Amerling lernt man in der Auktionsausstellung kennen,
die Leo Schidlof in Wien
eben jetzt veranstaltet. Den
Ausspruch des alten Chre-
mes bei Terenz könnte man
mutatis mutandis auch auf
Amerling anwenden, nichts
was dem Leben einen tiefe
ren Gehalt gibt, war diesem
die Schönheit mit der Seele
suchenden Künstler fremd:
seine Liebhaberei erstreckte
sich in gleicher Weise auf
Gemälde alter wie moder
ner Meister, Miniaturen,
Antiquitäten aller Art,
Möbel, ;Bronzerf, Porzellane,
Plaketten, Uhren, Teppiche
etc. Kein Wunder, daf3 die
Sammlung alle die weiten
Räume des Auktionshauses
füllt. Mit Geschmack sind
die Kunstschätze geordnet:
so ziemlich jeder Raum
spiegelt eine andere Epoche
wieder. Die Gemälde, das
Mobiliar und die kleineren
Zierraten der verschiedenen
Zeitalter sind, soweit es
anging, vereinigt.
Ein sehr sorgfältiger, mit
guten Illustrationen ausge
statteter Katalog dient als
willkommener Cicerone
durch die Sammlung. Für
Gemälde alter Meister
zeichnet verantwortlich der Kustos des kunsthistori
schen Museums, Regierungsrat Dr. Ludwig Bai daß,
der mit gewohnter Gewissenhaftigkeit die 75 Nummern
dieser Abteilung katalogisiert har. Eine beträchtliche
Anzahl hätte man als „Primitve‘‘ zusammenfassen
können: sie verteilen sich auf Oberdeutsche, Tiroler
und Brüsseler Schulen und werden Kenner gewiß
reizen. Von den alten Italienern wären eine ^Grab
legung Christi“ von Palma Giovine, zwei Land
schaften von Andrea Locatelli sowie zwei Gemälde
von Panfilo Nuvolone („Musizierendes Paar“, „Alte
Frau und Junger Bursch“) hervorzuheben. Beim
„Bildnis eines alten Philosophen mit einem Spiegel
in der Hand“ weist Dr. Baldaß auf das Zeugnis des
Galeriedirektors Dr. Glück
hin, der von dem Bilde
folgendes sagt: „Das Ge
mäldeist eine charakteristi
sche frühe Arbeit des Luca
Giordano, der darin seinem
Lehrer Jusepe de Ribera,
genannt Spagnoletto, so
wohl in der Auffassung als
auch in der malerischen Be
handlung außerordentlich
nahe kommt." Sehr gut
sind die Niederländer des
siebzehnten Jahrhunderts
vertreten. Von Jan Miense
Molenaer finden wir zwei
-Hauptwerke, die figuren
reichen Bilder „Kirmes“
und „Zechende Bauern“,
die wir hier reproduzieren.
(Siehe die Abbildungen auf
Seite 172 und 173.) Gerrit
Lundens ist ebenfalls
durch eines seiner Haupt
werke repräsentiert, durch
das aus dem Jahre 1649
stammende, signierte und
datierte „Hochzeitsfest",
das Dr. Glück in seinem
Buche über die Sammlung
Alexander Tritsch be
schrieben hat. Unter den
Niederländern dieser Zeit
begegnen wir weiters
einem prächtigen David
Rijkaert, „Die Bittsteller" betitelt, einem Tooren-
vliet (ein alter Gelehrter neben einem Globus, ein
Glas hochhaltend), guten Bildern von Stork (Ansicht
von Amsterdam), Vertangen („Pan und Nymphe“)
und anderen. Ein aus der Sammlung des • Barons
Beurmonville stammendes „Bildnis eines vornehmen
Bürgers" ist bei der Versteigerung in Paris im Jahre
1881 als Bartholomäus van der Heist verkauft worden,
Dr. Baldaß weist es aber mit Sicherheit dem Cornelius
Janssens van Ceulen zu, für den Porträtauffassung,
Maria Chalon