Internationale
gammler-Zßifunfl
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
12. Jahrgang. Wien, 15. Februar 1920. Nr. 4.
Ein Sammler eigener Art.
Von Hofrat Professor Dr. H. Obersteiner, Wien.
Anfangs November 1919 staib hier der Medizinalrat
Dr. Julius Krueg. Er war durch 45 Jahre an der
Privatheilanstalt in Oberdöbling ärztlich tätig, erst als
Assistent, dann als Primararzt. Zu dieser auffallenden
Bodenständigkeit wurde er durch seine Lieblings
beschäftigung gedrängt; fast jede Stunde, die ihm
seine ärztlichen Pflichten übrig ließen, verwendete er
zum Anlegen und systematischen Ordnen seiner Samm
lungen, die sieh auf Gegenstände naturwissenschaft
licher, ethnographischer, kulturhistorischer, überhaupt
heterogenster Art bezogen. Man darf da nicht an
Sammlungen in großem Stile denken; er brachte sie
vielmehr mit geringstem Aufwand von Mitteln, wohl
aber mit viel Mühe und Geschicklichkeit zusammen.
Krueg begann damit, Gehirne von Tieren ver
schiedenster Spezies zu erwerben, welche Sammlung
ihm das Hauptmatcrial für zwei Arbeiten über die
Furchen und Windungen des Großhirns mehrerer
Säugetierordnungen lieferte, Arbeiten, die als grund
legend noch heute allgemein anerkannt sind. Nach fast
vierzigjähriger Pause griff er dieses Thema wieder auf,
wurde aber durch den Tod aus seinen Studien ge
rissen. Seine. Stempelsammlung (fast ausschließlich
österreichischer Provenienz), sowie seine Kenntnisse
auf diesem Gebiete wurden in Fachkreisen hochge
schätzt, er -hat auch vor wenigen Jahren in diesen
Blättern eine einschlägige Mitteilung gebracht*). Die
Zeitungssammlung enthält Tages-, Wochen- usw.
Blätter aus allen Weltteilen, die schön aufgehängte
Dolchsammlung mag manches ethnographisch wert
volle Stück bergen. Wie reich die Knopf Sammlung
geworden ist, kann ich nicht sagen; vielleicht dürften
100.000 Stück nicht zu weit von der Wahrheit ab
weichen ; wohl aber weiß ich, daß er — wie er überhaupt
künstlerisch, sehr begabt war — es verstanden hat,
durch geschmackvolle Anordnung der Knopfe, ihrer
Unterlage usw. dem Auge wohlgefällige Bilder zu schaf
fen. Seine Münzensammlung beschränkte sich auch
wieder nahezu auf Österreich, wobei er auf Prägeort
und -j-a.hr großen Wert legte.
Wenn ich auf all die anderen Sammlungen Kruegs
nicht eingehe,. so möchte ich doch nun eine nicht uner
wähnt lassen, welche dartut, daß er gelegentlich auch
dem Humor Platz zu geben verstand; es ist dies die
Wurstsammlung. Zu diesem Zwecke ließ er sich aus
den verschiedensten Ländern Würste zu senden; in
*) ' Ein interessanter neuer Sammelsport. Jahrg. 191-2,
Nr. 5 und 6.
technisch, meisterhafter Weise verstand er es, von jeder
Sorte einen 2 bis 3 mm dicken Querschnitt anzufertigen
und diese zwischen zwei Glasplatten, wie ein mikro
skopisches Präparat, in Karbolgelatine dauernd aufzu
bewahren. Von diesen rund 150 „Präparaten“ sind
heute nach mehreren Dezennien noch viele ganz gut
erhalten.
Ich will Kruegs Sammlungen nicht verlassen, ohne
eines eigentümlichen Umstandes zu gedenken. Tür an
Tür mit dem Genannten war jahrelang ein anderer
Sammler tätig, Professor Rudolf Kaftan, dessen reiche
Uhrcnsammlung dann die Grundlage des großartigen,
von ihm geleiteten Uhrenmuseums der Stadt Wien
bildet. Es kann sich ela aber nicht um Ansteckung
handeln, denn beide hatten ihre Sämmlcrtätigkcit
ganz unabhängig von . einander begonnen.
* *
*
Im Zusammenhänge mit dieser Würdigung der
Sammlcrtätigkeit Dr. Kruegs sei an eine Zuschrift
erinnert, die der Verstorbene seinerzeit auf eine Rund
frage der „Internationalen Sammlerzeitung“ über den
Wert des Sammelns*) an uns richtete. Herr Dr. Krueg
machte den Versuch, der Frage, warum wir sammeln,
von naturwissenschaftlicher Seite näherzutreten,
wobei er zu folgenden interessanten Schlußfolgei ungen
gelangte:
„Wir sammeln, folgend einem ererbten Triebe,
geradeso wie wir körperlichem Sport nachgehen; alle
anderen Eiklärungen dafür sind sozusagen nur Aus
reden .
Stellen wir uns einmal unsere Altvorderen vor,
beiläufig in der Zeit der Menschwerdung, also viele
Jahrtausende vor der historischen Zeit. Sie lebten in
Horden von einigen Familien zusammen, sowie noch
heutzutage manche Reste von Naturvölkern und
einige Arten von — fff Affen. Naturgemäß blieben
die AVeiber mit den Kindern im Lager, während die
Männer ausschwärmten, um Brauchbares für den
Unterhalt zu suchen. Mancherlei Kleintier mögen sie
nach. Hause gebracht haben, Früchte und Körner,
Fische und Muscheln, aber auch besondere harte oder
glitzernde Steine aus den Gebirgsbächen. Zu Hause
wurde dann gesichtet, die Hausfrauen behielten, was
sie zur Nahrung, zum Schmucke oder als Werkzeug
verwenden konnten, verachteten aber das übrige, das
ihnen zwecklos erschien, und warfen es fort. Leicht
*) Siehe „Internationale Sammler-Zeitung“ Nr. 16 des
I. Jahrganges.