MAK
Internationale 
gammler-Zßifunfl 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
13. Jahrgang. 
Wien, 10. September 1921. 
Nr. 17. 
Wien als Messestadt. 
Wien tritt in die Reihe der Messestädte. Das tot 
geglaubt e Wien ist vom .Scheintode erwacht und gibt 
ein Zeichen seiner ungebrochenen Lebenskraft, seines 
zähen Willens, seinen Platz an der Sonne zu behaupten- 
Ich bin noch da, ruft es mit tausend Zungen in die 
Welt hinaus, alte Kulturstädte können wohl unter 
gehen, aber eine Stadt mit einer solch begnadeten geo 
graphischen Lage hat einen LebensquMl in sich, der 
nie versiegen kann. 
Es ist übrigens nicht wahr, nie wahr gewesen, was 
man im Auslande verbreitet. Wien ist nicht in Untätig 
keit versunken, seine Bewohner legen nicht die Hände 
in den Schoß, wartend, daß ihnen die gebratenen Tau 
ben in den Mund fliegen. Die Räder unserer Fabriken 
stehen nicht still, die Schlote haben nicht zu rauchen 
aufgehört. Wenn heute die Gäste aus aller Herren 
Länder zu uns kommen werden, so werden sic — Augen 
sind zuverlässiger als Ohren — mit eigenen Augen sich 
davon überzeugen, daß man uns draußen arg verleum 
det, daß die Industrie trotz des Rohstoffmangels, trotz 
der Entwertung unserer. Valuta wahre Wunder verrich 
tet habe, daß der Betrieb vieler Unternehmungen über 
das Friedensmaß hinaus gediehen sei. Und auch, daß 
die Qualität der Erzeugnisse unter der Zeiten Ungunst 
nicht gelitten habe. Mustermesse nennt man die Wiener 
Messe, ja, die Wiener Messe wird auch in diesem Sinne 
eine Mustermesse sein, daß die zur Schau gestellten 
Waren musterhaft sein werden. Die Marke „Made in 
Vienna“ hat in der Welt immer guten Ruf gehabt, sie 
wird sich ihn auch jetzt erhalten. Vollends davon sind 
wir durchdrungen, daß unsere Kunsterzeugnisse, unsere 
Bilder, unsere erlesene Graphik, unsere Bücher, unsere 
berühmte Keramik denselben Anwert finden werden, 
wie einst in schöneren Tagen. Und auch den Anti 
quitätenhandel werden sie auf der alten Höhe finden. 
Freilich, wer die Bücherkunst würdigen, wer die 
Schätze der Antiquitätenhändler bewundern will, wird 
sich schon etwas bemühen müssen. In den Räumen 
der Messe wird er wenig davon finden. Keine 
Kunstausstellung, nur eine kleine Ausstellung 
von Altkunstgegenständen. Lange wollte die Messe 
leitung nicht einsehen, daß in Wien Kunst- und Anti 
quitätenhandel dazugehören; in einer Mustermesse sei, 
so hieß es, nur für Industriewaren Platz, Als sich 
endlich die Anschauung durchrang, daß man den 
Kunst- und Antiquitätenhandel nicht ausschalten dürfe, 
ohne der Messe Eintrag zu tun, da war es schon zu 
spät, um diese Kunstzweige zur vollen Geltung ge 
langen zu lassen. 
Was in der Eile noch gut gemacht, werden konnte, 
geschah. Dank der Opferwilligkeit der Galerie Sanct 
Lucas, die ihren Ausstellungssaal im Künstlerhause 
zur Verfügung stellte, war ein Raum gefunden und nun 
erging an die Wiener Antiquitätenhändler der Ruf, sich 
an der geplanten Ausstellung zu beteiligen. Man kann 
nicht sagen, daß er zunächst viel Begeisterung geweckt 
hat. Allerlei Bedenken machten sich geltend und 
schien schon, als sollte die Sache im Sande verlaufen, 
als plötzlich ein erfreulicher Umschwung eintrat. Dies 
hatte mit seiner unermüdlichen Werbekraft Herr 
Richard Klein zuwegegebracht, der auch bald die 
Genugtuung hatte, daß sich zahlreiche Berufsgenossen 
um ihn scharten. Nun war es wieder des Guten zu viel, 
da der Saal selbst bei sparsamster Einteilung nicht 
mehr als für fünfzehn Kojen Platz bot, ein zweiter aber 
nicht aufzutreiben war. Jetzt hieß es, eine Auswahl 
treffen, die nicht leicht fiel. Die Idee war gerettet, 
die Altkunsthändler haben eine allerdings bescheidene 
Vertretung auf der ersten Wiener Messe. 
Aber immerhin, der Anfang ist gemacht, und wir 
erwarten, daß man die Erfahrungen der ersten Messe 
bei der nächsten nutzen werde. Wir hoffen, daß bei 
der Frühjahrsmesse schon Kunst- und Antiquitäten 
handel angemessene Berücksichtigung erfahren werden. 
Es ist dies wichtig für den Kunst- und den Antiqui 
tätenhandel, es ist aber vielleicht noofc wichtiger für 
die Messe, die sich überflüssigerweise eines starken An 
ziehungsmittels auf die Fremden beraubt. So maheher 
der kein oder nur geringes Interesse für die Messewaren 
hat, wird sich durch die Aussicht nach Wien locken 
lassen, auf der Messe seine Sammlungen durch Neuer 
werbungen bereichern zu können. 
Wien ist eine arme Stadt geworden, es muß jede 
Möglichkeit wahrnehmen, seine Einnahmsquellen zu 
erweitern. Im Kunst- und Antiquitätenhandel liegt 
noch eine starke volkswirtschaftliche Kraft.
	        
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