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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 17
bürtige, hervorbrachte, ließ in mir den Wunsch reifen,
die alte Wiener Porzellanfabrik zu neuem Leben zu
erwecken. Auf meinen verschiedenen Auslandsreisen
konnte ich beobachten, welche Fortschritte die be
stehenden Fabriken in Meißen, in Paris, in England,
in Berlin und ganz besonders die durch die zielbewußte
Leitung des Kommerzienrates Bäuml in München
florierende Nymphenburger Porzellanmanufaktur auf
wiesen und außerdem auch welche glänzenden pe
kuniären Erfolge erzielt wurden. Nach Besprechung
mit einigen gleich gesinnten Freunden begab ich mich
zum damaligen Unterrichtsminister Freiherrn von
Gautsch und schlug ihm vor, unter der Ägide der
Regierung, oder, besser gesagt, wenn die Regierung
ihre volle Protektion gewähren wolle, notabene aus
drücklich, ohne irgendwelche pekuniäre Leistung
derselben, ohne Subventionen ‘usw., die Alt-Wiener
Fabrik auf unsere Kosten neu zu eröffnen und eine
neue Tätigkeit zu entfalten, die, auf moderne Kenntnisse
auf dem Gebiete und auf die Behelfe, die uns zur
Verfügung standen, Modelle, Arbeiter usw., gestützt,
eine neue Glanzperiode für die Wiener Porzellan
manufaktur bedeutet hätte. Dieser Industriezweig
wäre in Niederösterreich konkurrenzlos gewesen. Die
bestehenden großen Fabriken, Thun, Ellbogen, Fischern,
Karlsbad, Haas & Czizek usw., waren alle in Böhmen
und befaßten sich hauptsächlich mit gangbarer Ware,
weniger mit der Konfektion von Luxusartikeln, und
dadurch hätte sich ein neuer Industriezweig gebildet,
der besonders jetzt von ungeheuerm Wert geworden
wäre. Baron Gautsch erwiderte, er wolle sich die Sache
überlegen, und erst nach vielen Monaten kam die
Antwort, daß „wenn die Herren die Fabrik auf eigene
Faust führen wollen, stände es ihnen frei, ohne irgend
welche Mitwirkung der Regierung, da der diesbezügliche
Referent der Ansicht sei, daß wenig Aussicht für ein
Gelingen bestehe; auch moralisch könne das Ministerium
sie nicht fördern und unterstützen." Diese Protektion
der Regierung wäre aber für uns von großem Werte
gewesen, weil wir dadurch doch Staats- und Hofaufträge
erhalten hätten und die alte Wiener Marke besser
geschützt gewesen wäre. Aber es kam anders, und wir
mußten auf das Projekt verzichten.
In-Wien wird größtenteils Alt-Wiener Porzellan
gesammelt; für ausländisches, mit Ausnahme des
böhmischen, war bis vor kurzem sehr wenig, fast gar
kein Interesse vorhanden. Es kommen in einzelnen
Auktionen Stücke von Meißen, Ludwigsburg, Franken
thal, Berlin, Sevres, Chelsca, Crown-Derby vor und
werden sie meistens von Händlern für das Ausland
erworben. Beim Wiener Publikum besieht wenig
Kauflust dafür. Durch die Entwertung unserer Valuta
wmrde in letzter Zeit auch vielfach von ausländischen
Händlern das Alt-Wiener Porzellan aus dem Markte
genommen. Momentan besteht auch für China- und
Japanware größeres Interesse, ebenfalls für das Aus
land, da, wie ich erfahren habe, gute alte Stücke für
Japan und China' viel gekauft werden, um sie wieder in
die Heimat zu befördern. In Japan gibt es ja auch un-
zähligeKriegsgewinner, und die „Yens" sind hoch kotiert.
Viele Familien des Mittelstandes — die neuen Armen
— sehen sich, um leben zu können, veranlaßt, schöne,
seltene, ererbte Stücke zu verkaufen. Not kennt kein
Gebot, und dadurch sind in letzter Zeit vielfach wert
volle Exemplare bei Auktionen zum Vorschein ge
kommen. Trotzdem ist für erstklassige Ware an einen
Abbau der Preise nicht zu denken. Solange das Aus
land, speziell England und Amerika, die auf einmal
ihre Liebe für Wiener Porzellan entdeckt haben, billig
kauft, werden die Preise noch mehr in die Höhe schnel
len., Natürlich kommt es auch vor, daß, unter hoch
klingenden Namen — Capodimonte, Sevres und an
deren, die in den Katalogen verzeichnet werden —
viele Fälschungen eingeschmuggelt werden. Man nimmt
es mit dem Verfassen der Kataloge vielfach nicht „so
genau“, und die hiesigen Imitationen von Redl und
Pilz aus den Siebziger Jahren, welche Firma damals
altes Wiener Porzellan, weißes mit dem blauen Bienen
korb, erwarb, um es zu benr len, w,erden nicht selten
von der neuen Sammlergeneration als echt erstanden.
Die Kataloge sind., wie gesagt, in vielen Fäden weder
gewissenhaft noch einwandfrei verfaßt, und das ist,
meiner Ansicht nach, der Krebsschaden gewisser
Auktionen, da der naive Käufer .igentlich betrogen
wird. Die Meinungen über die Echtheit gehen oft aus
einander, und die Auktionsleiter berufen sich meistens
auf Sachverständige, die weder sachlich noch ver
ständig sind. Zwar geschieht dies bona fide, aber de-
Schaden besteht, und die Unkundigkeit und Inkomper
tenz der Materie bringt es mit sich, daß der Betrogene
oft keine Schritte unternimmt, um sich nicht einer
Blamage auszusetzen.
Mit der Steigerung der Lebensmittel, Kleider
uns sonstigen Bedarfsardkel halten auch Antiquitäten
Schritt. Es hängt dies mit der Vermehrung der Sammler,
der Händler und der Museen, hauptsächlich aber mit
der Konjunktur der av sländischen Invasion zusammen.
Für' eine Krinoline-Porzellanfigur, die ich vor zirka
zehn Jahren mit 1000 Kronen bezahhe, würde heute
gewiß 80.000 bis 100.000 Kronen, viedeicht mehr, ge
zahlt werde i. Eine schönbemalte Hochgoldschale,
die 200 bis 300 Kronen kostete, wird jetzt mit 50.000
bis 60.000 Kronen gehandelt. Böhmische Gruppen,
die man mit einigen wenigen Kronen bezahlte, sind
auf 2000 bis 3000 Kronen gestiegen. Teller, welche 30
bis 40 Kronen bewertet wurden, erreichen heute den
hundertfachen Preis. Dasselbe gilt auch für französische
Schalen, die seinerzeit kaum beachtet und mit 10 bis
höchstens '20 Kronen feil waren; jetzt werden sie mit
3000 bis 4000 Kronen aus dem Markte genommen.
Wien ist eben durch die Entwertung der Krone für
Ausländer ein sehr billiger Markt geworden, und ob
wohl die Erhöhung eine ganz enorme ist, wird für erst
klassige Gegenstände kaum eine Baisse zu erwarten
sein. Dieses Faktum ist durch die letzten Auktionen
bewiesen und bestätigt. Leider, oder für uns Sammler
der alten Periode Gott sei Dank, gibt es recht wenige
Porzellankenner, ausgenommen vielleicht für das Alt-
Wien. Dadurch ergibt $ich noch oft Gelegenheit, glück
licher Finder und Ersteher g\iter Stücke sein zu können.
Auch die Wiener Messe wird kauflustige Ausländer
in Menge nach Wien führen, die Preise wrnrden wiederum
steigen, Wien als Kunstmarkt wird dadurch freilich