Internationale Sammler-Zeitung.
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weil das eine zur Sammelwut, zu unsinnigen Streichen
und Auswüchsen führen kann, das andere den Kom-
merzialismus mit dem edlen Sport verschmilzt und aus
einer Kunst oder Liebhaberei ein Geschäft oder gar ein
Mittel zum unlauteren Wettbewerb macht. Wenn ein
russischer Grossfürst einstmals wegen einer in seiner
Sammlung fehlenden Zündholzschachtel die weite Reise
von Petersburg nach Montreux unternahm oder wenn
ein Wiener Aristokrat ehedem solange Bücher ankaufte,
bis er selbt nichts zu leben hatte, so sind dies harm
lose Extravaganzen, die den Vergleich mit anderen
Leidenschaften aushalten. Die Engländer nehmen in
Bezug auf die Sucht, ihre Sammlungen um jeden Preis
zu ergänzen und zu vollenden, sicherlich den ersten
Rang ein. Wer die abgebröckelten Holzstücke im Luther
zimmer der Wartburg oder die Beschädigungen in der
Universität von Padua gesehen, wer eine Auktion, an
der Engländer beteiligt waren, miterlebt hat, weiss diese
Eigenschaften zu würdigen. Vom psychologischen
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Gesichtspunkte aus erscheint freilich die Feststellung
nicht ohne Interesse, dass Leute mit kalten Herzen und
ruhigen Nerven beim Sammeln in Ekstase zu geraten
vermögen. Es gibt Sammler, die eine bestimmte Art
von Spazierstöcken, von gotischen Zinnkrügen, Spiel
uhren, Filigranfiguren, Messgewänder, altösterreichische
Briefmarken sammeln und vergeblich nach bestimmten,
ihrer Kenntnis nach vorhandenen Stücken fahnden. Die
zitternde Freude, mit der sie suchen, lässt den Sammler
erkennen. Es macht ihnen nichts, wenn sie ein oder
das andere Mal fehlgegriffen haben, sie forschen weiter
und bringen gerne Opfer.
Der Sammler gehört zu den glücklichen Menschen,
denn er geniesst; er freut sich an dem selbst Erwor
benen, an der Entdeckung neuer Stücke und hat die
Genugtuung des Forschers. Die Sammlung ist seine
Welt, die ihm genügt. Darum sagt der Dichter mit Recht:
„Willst Du Dich am Ganzen erquicken,
Musst Du das Ganze im Kleinsten erblicken“.
Sine Reifere Versteigerung.
Der Gesellschafter der Antiquitätenhandlung A.
Satori, Herr Leopold Satori, und ein als Marchand
amateur bekannter Herr Alfred Juritzki haben — lucus
a non lucendo — unter dem undurchsichtigen Titel
„Krystallverlag“ eine G. m. b. H. gegründet, als deren
ausschliesslicher Zweck im Handelsregister die Heraus
gabe einer Kunstzeitschrift angegeben wurde. Es war
trotzdem von vorneherein klar, dass es weder Herrn
Satori noch Herrn Juritzki um die Befriedigung eines
kulturellen Bedürfnisses zu tun war, sondern dass die
Zeitschrift als Pacemacher für Kunstauktionen dienen
sollte. In der Tat enthüllte gleich die erste Nummer
des Pudels Kern, indem eine grosse Kunstauktion des
Verlages angekündigt ward; die zweite Nummer ging
schon ganz in medias res über. Da war neben dem
Bekenntnis, dass der Verlag „die Durchführung wissen
schaftlicher Expertisen hochwertiger Kunstwerke aller
Art, Schätzungen und Versteigerungen im In- und Aus
land übernimmt“, ein von Herrn Prof. Dr. Suida —
einem der beiden Herausgeber — echt signierter Artikel,
der „aus der grossen Zahl von Bildern nur einige, welche
für die kunstgeschichtliche Forschung (sic!) ihm fest
zuhalten wichtig schien,“ heraushob. Es strotzt auf den
zwei Druckseiten von grossen Namen, mit denen der
Experte die Bilder in Verbindung bringen zu dürfen
glaubt. Ein von den Gelehrten des Vorbesitzers bei
spielsweise dem Jakob Ochtenveldt zugeschriebenes
„Duett“ weist Prof. Suida ob der Aehnlichkeit mit einem
Kasseler Bilde dem Jan L y s gen. Pan zu, eine „Musi
kalische Unterhaltung“ dem bis jetzt unbekannten J. van
H o o r e n, obwohl eine Signatur auf A. Cuyp hinweist
und so fort mit Grazie. Sein Katalog ist natürlich noch
gelehrter, mindestens aber positiver. Während Prof.
Suida z. B. in der Zeitschrift bei einem weiblichen
Porträt noch schwankt, ob er es dem Schwabenmaler
Hans Wertinger oder dem Maler der Frankfurter Holz-
hausen-Bildnisse „Zutrauen“ soll, hat er sich im Katalog
pure et simpliciter schon für Wertinger entschieden.
Besonders imponieren jedoch im Katalog die genauen
Lebensdaten, die bei jedem Künstler, ob er nun bekannt
ist oder nicht, beigefügt sind. Man ist ganz paff, wenn
man z. B. bei Nr. 21 liest: „Mailänder Maler aus der
Nachfolge des Leonardo da Vinci und gleich daneben
die Angabe findet: „Geboren 1452, gest. in Schloss
Cloux bei Arnheim am 2. Mai 1519“, oder bei Nr. 28:
„Vlämischer Maler aus der Nähe des Quentin Massys,
und daneben steht: „Geb. Löwen 10. September 1466^
gest. 1530“. Wie, der Name des Künstlers ist
nicht einmal angedeutet und doch so genaue Angaben
über Leben und Sterben desselben. Was doch so ein
Gelehrter nicht alles imstande ist! Erst bei näherem
Zusehen wird man den eigenen lrrtunr gewahr, merkt
man, dass es nicht die Daten des unbekannten Künst
lers, sondern die des bekannten Vorbildes sind, in dessen
Nähe, Richtung, Kreis oder wie er es sonst nennt, es
der freundliche Begutachter gerückt hat. Bei sechs Bil
dern wurden die Angaben der unbekannten Vorbesitzer
auf Treu und Glauben übernommen. „Die Gemälde“,
heisst es im Kataloge, „sind verspätet eingelangt, wur
den daher von dem Herrn Experten nicht begutachtete
Man greift sich an den Kopf, hat man je so etwas
gehört? Man fragt sich, warum diese Gemälde dann
nicht von der Auktion ausgeschieden wurden? Lag denn
ein Zwangstermin für die Versteigerung vor? Musste
sie just am 18. Mai 1922 vor sich gehen, hätte sie nicht
ebensogut am 23. Dezember 1925 auf Singapore abge
halten werden können, da auch Auktionen des Krystall-
verlages im Auslande vorgesehen sind?
Natürlich waren die Schätzungspreise der Bilder
vollkommen der Bedeutung angepasst, die Werken zu
kommt, die aus der Nachfolge des Leonardo da Vinci
geb. 1452, gest. in Schloss Cloux bei Arnheim am 2.
Mai 1519, von einem oberitalienischen Maler aus dem
Kreise des Parmegianino, von einem Maler aus der
Richtung des Sebastian Vrancx, geboren in Ant
werpen 22. Jänner 1573, etc. stammten. Da setzte Herr
Satori ein und er liess sich nicht spotten. Mit der
Grosszügigkeit, die ihm nun einmal eigen, hat er die
Schätzungspreise auf ein Niveau gehoben, zu dem man
voller Bewunderung emporblickte. Bilder, die andere
weniger gewiegte Fachmänner in Summa mit 40 Mill.
Kronen bewerteten, hat er auf ü b e r s i e b e n h u n d e r t
Millionen geschätzt und im stillen gewiss darauf
gerechnet, dass sie mindestens die Milliarde erklimmen
werden.
Man erzählt sich in eingeweihten Kreisen, dass
der als Bilderkenner geschätzte Kunstreferent des Doro-
theums beim Anblick der Bilder des Krystallverlags
über das schreiende Missverhältniss zwischen deren
Qualität und den angesetzten Preisen entsetzt war und
seinen Bedenken in einem Promemoria an die Zentral
direktion Ausdruck lieh, das in die Bitte ausklang, von
dieser Auktion Umgang zu nehmen, für jeden Fall aber
ihm die Durchführung der Auktion zu ersparen, der er