Internationale
jfammler^eifung
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
14. Jahrgang. Wien, 15. Juni 1922. Nr. 12.
( Der Sammfer 'Diderot.
Von Regierungsrat O. Engelsmann, Wien.
Von einem berühmten Gelehrten, der im 16. Jahr
hundert lebte, wird berichtet, dass er seinen Söhnen
testamentarisch als letzten Wunsch den Rat hinterlassen
habe: „Verkaufet alles und kaufet dafür Bücher“. Ob
die Söhne diesen Wunsch eines bücherliebenden Vaters
buchstäblich befolgten, ist nicht bekannt. Aber auch in
unseren lagen, wo die grössten Gelehrten am meisten
darüber klagen, dass sie tatsächlich so ziemlich ihre
ganze Habe verkaufen müssten, wenn sie sich die für
ihre Studien notwendigen Werke anschaffen wollten,
gibt es leidenschaftliche Büchersammler, die lieber auf
das Notwendigste verzichten, bevor sie sich die Gele
genheit entgehen Hessen, ein langersehntes, endlich auf
gestöbertes Buch zu erwerben. Es gibt auch heute fana
tische Biichersammler, wie Denis Diderot (1713—1784),
der berühmte Erdenker, Chefredakteur und Hauptmit
arbeiter der Enzyklopädie einer war, ohne aber dabei
schliesslich ein grosses Glück, sozusagen den Haupt
treffer zu machen. Dieser glückliche Sammler, der sich
vielleicht um die Bücher, die andere geschrieben, mehr
kümmerte als um seine eigenen Geisteswerke — sind
doch viele seiner Arbeiten erst nach seinem Tode er
schienen — hat mit grossherziger Verschwendung zeit
lebens Schätze seines Wissens und seines Geistes häufig
seinen literarischen Freunden geschenkt, ohne daran zu
denken, einen materiellen Vorteil daraus zu ziehen.
Diesem Manne, dessen literarische Arbeiten, wenn man
alles, was unter seinem eigenen Namen und dem seiner
Freunde erschienen zusammenzählt, eine kleine Bib
liothek ausmachen, konnte es passieren, dass eines
seiner Hauptwerke „Rameaus Neffe“ erst durch Goethe
bekannt wurde, der es im Jahre 1805 zuerst in deut
scher Uebersetzung veröffentlichte. Dann erst wurde es
von Franzosen zurückübersetzt und im Jahre 1821 nach
dem Original gedruckt.
Doch wir wollen hier nicht von dem bücherschrei
benden, sondern von dem büchersammelnden Diderot
sprechen. Bücher lesen und Bücher sammeln, das war
vielleicht die grösste Leidenschaft des Mannes, dessen
Seele übrigens häufig auch von anderen Stürmen be
wegt war. So wurde Diderot, der mit aller Naivetät,
aber aus voller Ueberzeugung als Jüngling seinem um
die Zukunft des Sohnes besorgten Vater auf die Frage,
was er werden wolle, geantwortet hatte: „Ich möchte
eigentlich nichts werden“, durch seine Bücherleiden
schaft, die keine bloss äusserliche war, sondern sich
auch auf den Inhalt der Bücher erstreckte, schliesslich
der Polyhistor, der nicht nur psychologische, physika
lische und chemische Artikel für die Enzyklopädie lie
ferte, sondern, wenn es nötig war, auf jedem anderen
Gebiete, als Ersatzmann einspringen konnte. Dass Diderot
auf den Gebieten der Kunst, — die er, schöpferisch
oder kritisch — im weitesten Sinne des Wortes be
herrschte, der berufenste Mitarbeiter an einer Enzyklo
pädie sein konnte, ist natürlich. Aber der Polyhistor,
dessen Riesengeist so weite Gebiete des menschlichen
Wissens bebaute, umfasste mit gleicher leidenschaft
licher Liebe und mit gleich unbegrenzter Besitzwut
auch die Bücher, die auf diesen Gebieten erschienen
waren.
Diderot fing von früher Jugend an, Bücher zu
sammeln, und obgleich er niemals im Besitze beträcht
licher Geldmittel war, wuchs und wuchs im Laufe der
Jahrzehnte seine Bibliothek zu einer Sammlung an, die
auch den Neid der reichsten Männer hätte erwecken
können, wenn nicht die Reichen ihre Neidgefühle in der
Regel auf ganz andere Schätze lenken würden. Er hatte
den Spürsinn des echten Sammlers, dort zu suchen,
wo kein Anderer etwas zu finden vermutete. Es glückte
ihm, wertvolle Bücher unter ausgemustertem Hausrat auf
dem Boden zu entdecken und sie vor dem Vermodern
zu retten, wobei er überdies den Vorteil hatte, nicht
mehr zahlen zu müssen, als das Ganze als Makulatur
berechnet ausgemacht hätte. Die reinste Herzensfreude
bereitete es Diderot, wenn es ihm glückte, bei einem
habgierigen, aber unwissenden Antiquar Bücher von
stattlichem Aussehen, aber nicht besonderer Bedeutung
für einen beträchtlichen Preis zu erstehen, dafür aber
als „Draufgabe“ irgend einen unscheinbaren Band zu
erhalten, der zu den grössten Seltenheiten zählte und
für den Kenner einen für einen armen Schriftsteller
unerschwinglichen Betrag gefordert hätten. Die beschei
dene Wohnung, die Diderot mit seiner Gattin und einer
einzigen Tochter innehatte, konnte kaum die Fülle dieser
Bücher fassen, sie glich schliesslich mehr einem Bücher
magazin, als einem Heim. Aber wer hätte dem Zauber
dieses liebenswürdigen, durch Güte und Anmut gewin
nenden Menschen so weit widerstehen können, um ihn
in der Befriedigung seiner Passion zu stören? Gattin
und Tochter machten Platz den Büchern, die Diderot
unermüdlich nach Hause schleppte und waren wohl am
Ende froh, dass man Bücherschränke nur längs der
Wände aufstellte und mitten im "Zimmer doch noch
Raum für etwelche unentbehrliche Möbelstücke behält.
Aber Diderot hatte neben seiner überschwenglichen
Liebe zu den Büchern noch eine zweite mächtige Liebe