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Internationale IS am mler-Zeitung
Nr. 7
„Canterbury-Geschichten“ von Chaucer aus dem Jahre 1478
wurden 650 Pfund gezahlt, für einen Band englischer Stücke
aus der Privatbibliothek Karls I. 300 Pfund. Mit dieser Schluss
auktion ist nun die ganze Bibliothek, die zu den großartigsten
Sammlungen ihrer Art gehörte, in alle Winde verstreut. Der
gesamte Ertrag, der durch die Versteigerung der Bücher erzielt
wurde, beläuft sich auf 283.000 Pfund, ln dieser Summe sind
aber nicht inbegriffen die verschiedenen Shakespeare-Erstaus
gaben, die unter der Hand vorher verkauft wurden und eine
Summe zwischen 20.000 und 30.000 Pfund ergeben haben. Ausser
dem hatte Huth einige besondere Kostbarkeiten seiner Samm
lung dem Britischen Museum vermacht, so dass der Gesamt
wert dieser Bibliothek sich auf weit über 300.000 Pfund beläuft.
(Die Hygiene desBibliothekbuches.) Die Frage,
wie schützt man sich vor Ansteckung durch Bibliotheksbücher,
ist immer noch nicht geklärt. Abgesehen von den Lesezirkeln,
sind es besonders die Vereins- und kleineren Volksbibliotheken,
in denen auf diesem Gebiete gesündigt wird. Wie Bibliothekar
Weber in Darmstadt berichtet, wurde zum erstenmale die
Frage, ob Bücher aus einer für jedermann geöffneten Bib
liothek Ueberträger ansteckender Krankheiten sein können, 1897
in Chicago aufgeworfen, man drang dort auf Anschaffung von
Desinfektionsapparaten in den Bibliotheken. In erster Linie ist
auf peinliche Reinlichkeit innerhalb der Bibliotheksräume zu
achten und dafür zu sorgen, daß das Publikum niemals alte,
zerrissene Schmöcker erhält. Bücher von zweifelhaftem Acußern
sind auszuscheiden. Durch Anschlag sollte auf die Schädlich
keit des Befeuchtens der Finger beim Wenden der Blätter hin
gewiesen werden. An Familien, in denen ansteckende Krank
heiten ausgebrochen sind, dürfen niemals Bücher ausgeliehen
werden. Bücher, von denen man weiß, daß sie in solchen
Häusern waren, dürfen nicht in die Bibliothek zurückgebracht
werden, sondern müssen vorher desinfiziert werden. In Zeiten
grassierender Seuchen sind Bibliotheken ganz oder teilweise zu
schließen. In einigen Bibliotheken besteht für die Leser die An
meldepflicht, daß jede Krankheit der Bibliotheksverwaltung seitens
der Leser mitgeteilt wird. Nach Gärtner besteht eine e : ,i-
fache Art der Desinfektion von Büchern darin, daß man sie
in festgeschlossene Kisten stellt und zwar so, daß die Blätter
möglichst auseinanderstehen, dann bläst man Formaldehyd und
nach sechs Stunden Ammoniak hinein. Daraufhin muß eine aus
giebige Lüftung stattfinden. Weber verlangt, daß die Bücher
nach dem jedesmaligen Ausleihen desinfiziert werden sollen.
BILDER.
(Diebstahl von Federzeichnungen Klingers.) In der
Berliner Nationalgalerie sind vier Federhandzeichnungen von
Max Klinger gestohlen worden, die zusammen einen Wert von
120.000 Mark repräsentieren. Die Zeichnungen sind zum Teile
aus den Rahmen herausgeschnitten worden.
(Bildpreise nach der Größe.) In englischen Kunst
kreisen macht Lord Leverhulme wieder einmal lebhaft von
sich reden, nachdem er schon vor einem Jahre den Künstlern
Stoff zum Aergernis geboten hatte. Damals hatte er ein Por
trät von sich, das Augustus John gemalt hatte, zu groß für
den Platz gefunden, an den er es hängen wollte, und kurz ent
schlossen hatte er den Kopf herausgeschnitten. Das verstüm
melte Bild wurde dann in seinem alten Rahmen an den Maler
zurückgesandt, der darüber in große Entrüstung geriet und es
hatte sich ein Briefwechsel entsponnen, der in den Zeitungen
einen lebhaften Widerhall fand. Diesmal ist es Sir William O r-
p e n , mit dem der Lord in Streit geraten ist. Der Künstler
malte ihn in seiner Mayor-Tracht und der Lord ist sitzend dar
gestellt. An diesen Umstand hat sich der Streit geknüpft, bei
dem es sich um das Künstlerhonorar dreht. Lord Leverhulme
sollte 3000 Guineen für ein stehendes Porträt in voller Größe
zahlen Er ließ sich aber von dem Maler überreden, sich aus
künstlerischen Gründen sitzend darstellen zu lassen. Als das
Porträt fertig war, überraschte nun Lord Leverhulme den Maler
mit der Mitteilung, daß er ihm nur die halbe Summe zahlen
wolle, weil er ja beim Sitzen weniger Raum auf der Leinwand
einnehme als in der ursprünglich gedachten Stellung. Natürlich
war der Künstler nicht einverstanden. Er wies darauf hin, daß
die Fläche des vollendeten Gemäldes durch die Aenderung der
Haltung keineswegs verringert sei, es wäre auch eben so viel
Farbe und Lack dafür nötig gewesen. Lord Leverhulme wünschte
darauf, daß ein Schiedsrichter ernannt würde, und dieses heikle
Amt ist nun dem greisen Landschaftsmaler Sir Davis Murray
übertragen worden. Das Porträt ist 6 Fuß 3 Zoll zu 4 Fuß
9 Zoll groß und wird als ein lebensvolles Bild des Lord gerühmt.
Natürlich sind auch Künstler von den Zeitungen über ihre Mei
nung zu dem Streitfall befragt worden und halten mit ironischen
Bemerkungen gegen den edlen Lord nicht zurück. „Lord Lever-
hulmes Behauptung“, sagte ein Maler, „bildet einen Markstein
in der Geschichte der Porträtmalerei, und man steht eigentlich
ANTIKE
TAPISSERIEN
GOBELINS
VERDUREN
MUSEALE
TEPPICHE
Öffentliche Bibliothek Frankl
geöffnet von 9 bis 6 Uhr. Wien I., Kohlmarkt 4.
überrascht vor der Tatsache, daß ein so völlig neues Problem
sich erst in unserer so späten Zeit ergeben hat. Von den Zeiten
des Apolles bis heute, so ungefähr in 2300 Jahren, ist noch nie
mand auf die Idee gekommen, das Honorar für ein Porträt nach
dem Verhältnis zwischen der Person und der Umgebung in dem
Bilde zu bemessen. Lord Leverhulmes Vorgehen kann weit
reichende Folgen haben. Was soll z. B. mit einem kürzlich
gezeigten Bildnis des Prinzen von Wales werden, bei dem der
Prinz nur ein ganz kleines Stück der Fläche, kaum mehr als ein
Zwanzigstel einnimmt, während alles übrige mit einem Pferd,
einem Eichbaum, einer Landschaft usw. ausgefüllt ist? Soll der
Künstler auch Gefahr laufen, wenn er eine Person in einem
Milieu gemalt hat, daß der Besteller sich die Figur herausschnei
det und die „Ränder“ dem Künstler wieder zuschickt, um nur
die erstere zu bezahlen?“ Lord Leverhulme hat es bisher nicht
für angezeigt gehalten, auf alle diese Bemerkungen zu antworten.
NUMISMATIK.
(Die antiken Münzen Mysiens.) Zum wissenschaft
lichen Beamten für Numismatik der Preußischen Akademie der
Wissenschaften ist Dr. Hugo Gaebler in Berlin als Nachfolger
des verstorbenen Prof. Dr. von Fritze ernannt worden. Er setzt
Fritzes Arbeit an dem griechischen Münzwerk fort, zurzeit für
die antiken Münzen Mysiens, für die sein Vorgänger Studien
über die Gepräge von Lampsakos hinterlassen hat.
PHILATELIE.
(Neuheiten.) Die Tschechoslowakei hat zu den vier
Portoprovisorien zu 20, 50, 100 und 200 Heller (durch Ueberdruck
aus den aus dem Verkehr gezogenen geschnittenen Hradschin-
marken hergestellt), einen weiteren Wert zu 60 Heller heraus
gegeben. Dieser Wert ist, was leicht zu Verwechslungen führen
dürfte, ebenfalls wie das 100-Heller-Provisorium durch den blauen
Aufdruck der neuen Wertziffer auf der olivgrünen 80 Heller
(Hradschin) geschaffen worden. — Danzig ergänzt seine
Freimarkenserie um einen neuen hohen Wert zu 50 Mark. Der
neue Wert soll in zwei Farben wahrscheinlich Golddruck, in
Größe der kursierenden 20 Mark-Marke, jedoch in Hochformat
mit etwas geänderter Zeichnung erscheinen. — Dänemark
hat zwei neue endgültige Portomarken zu 20 Oere blaugrün und
zu 1 K, blau, an Stelle der bisher mit „Porto“ Aufdruck ver
wendeten Freimarken, ausgegeben. Sie zeigen die Zeichnung
der Zeitungsporto-Verrechnungsmarken, nur lautet die Aufschrift
sinngemäss „Porto“ statt „Avisporto Maerke“; oben zeigen sie
den Landesnamen. — Italien hat von den wohlgelungenen
Erinnerungsmarken an den Sieg von Vittorio Veneto (5 c. grün,
10 c. rot. 15 c. schiefer und 75 c. blau), da sie überaus reissenden
Absatz gefunden, weitere 850.000 Serien ausgegeben, und hie
von je 50.000 Serien (geschäftstüchtig wie die italienische Post
nun einmal geworden) mit Libia, Eritrea und Somalia überdruckt.
— Memel gibt Aushilfsmarken ’zu f 15 Pfennig auf 10 Cent
(rotlita auf weissem Papier), 30 Pfennig auf 30 Cent rot und
50 Pfennig auf 30 Cent graublau neu aus. — Polens 100 Mark-
Wert für Paketporto zeigt das grosse Format der hohen Mark
werte mit dem weissen Adler in orangefarbigem Oval. In der
Ausführung der niederen Markwerte ist jetzt auch ein 8 Mark-
Wert sepia herausgekommen, — Ungarn hat Postwertzeichen
zu 1.50, 4.50, 6, 8.50 und 12.50 Kronen, 200 Filler Dienst- und
400 Filler Portomarken erscheinen lassen.
VOM KUNSTMARKT.
(Die größte Kunstversteigerung.) Als lie größte
Kunstauktion, die wohl jemals stattgefunden hat, wird von eng
lischen Blättern die für Anfang Mai angesetzte Versteigerung