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internationale 
geradezu greifbarer „Wirklichkeit“ aufgehängt erscheinen. 
Es ist das köstlichste Spielzeug, mit dem je ein genialer 
Maler Frau Sonne auf der Tat ertappte. Aber was nützt 
es, zu beschreiben, was nur durch Sehen genossen 
werden kann? Die meisten dieser Bilder stammen aus 
der Sammlung Lippmann-Vlissingen und ge 
langten infolge der Heirat der Tochter des Besitzers 
mit Dr. Alfred Wurzbach in den Besitz der Familie. 
Frau Eugenie Wurzbach ist auch die verständnisvolle 
Sammlerin des alten Porzellans, der Fächer, Gläser, 
kurz aller der schönen Dinge, die in den Vitrinen zu 
sehen sind. 
Ich tue einen Blick — nur einen! — in eine reiche 
Münzen- und Medaillensammlung. Da er 
scheint unter anderem das alte und das neue Oester 
reich fein säuberlich auf rotes Tuch gebettet. Die 
barocken Medailleure mit ihrer wundervollen Model 
lierung, die große Geste des 18. Jahrhunderts ziehen 
vorüber. Da ist zum Beispiel eine echte Barockmedailie 
auf die noch junge Kaiserin Maria Theresia, eine 
Akademieprämie, modelliert von Matthäus Donner, 
dein großen Bruder des größeren Raphael. Der von 
der Antike hergeholte Ausdruck für die Hoheit des 
Kaisertums erscheint hier ganz köstlich verquickt mit 
der echt wienerischen Note. Wie sehr ist Maria 
Theresia hier Fürstin, wie sehr aber auch warmblü 
tiges, molliges Wiener Frauenbild! Der Reversdar 
stellung liegt selbstverständlich ein gelehrtes „Programm“ 
zugrunde. Minerva thront in Gesellschaft der die Künste 
darstellenden Genien. Eines dieser „Kindl“ bearbeitet 
einen Hermes, der dem Praxiteles entlaufen ist, um im 
barocken Wien die richtige „Hüftenschwingung“ zu 
lernen. Trotz des lieben lateinischen Schwulstes in der 
Schrift spricht hier so recht wieder lebendiges Leben 
einer über die Maßen ausdruckfrohen Zeit. Daneben 
— weich ein Gegensatz — ein feiner Maria Theresien- 
Kopf aus ihrem letzten Lebensjahr. Die Rückseite ziert 
ein klassizistisches Tetnpelchen: josephinisch trotz 
Sammler-Zeitung Nr. 3 
A. FÖRSTER 
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Antiquitäten 
Ostasiatica 
Objets d’art 
WIENIKohlmarkt5 
Maria Theresia. Die Zeit der Mutter war abgelaufen. 
Der Sohn setzte sich durch, mit ihm eine neue Welt. 
Menschen und auch „Kleider, die den Menschen 
machen“, nämlich Kostüme, kann man in Professor 
Wurzbachs Porträtsammlung nach Herzenslust 
studieren. Diese Blätter, mehr als -J-O.bOO Stiche, Litho 
graphien, Holzschnitte usw., hat er allein zusammen 
getragen. Oft findet sich bei einem interessanten Kopf 
auch ein oder der andere Brief, denn der Besitzer hat 
eine Autographen Sammlung hier eingeordnet. 
„Le style c’est l’homnie“, sagt diese Art, Bild und 
schriftlichen Ausdruck zn vereinen. Von Kriehubers 
Lithographien besitzt Professor Dr. Wurzbach eine 
besonders reiche Folge. (Er ist bekanntlich auch der 
Verfasser des Kriehuberkatalogs.) Diese mit metho 
dischem Fleiß und feinstem Verständnis geordneten 
Mappen sind eine unvergleichliche Fundgrube für den 
Kulturgeschichtler und den Illustrator, 
Gfironik. 
BIBLIOPHILIE. 
(Reisebücher für Bibliophilen.) Das Antiquariat 
Mayer und Müller in Berlin hat eine ungemein reichhaltige 
Sammlung seltener Reisewerke vom 16. bis 18. Jahrhundert aus 
gestellt. Es ist kulturhistorisch ungemein interessant, in dieser 
Aasstellung den Fortschritt zu verfolgen, wie im Laufe der Jahr 
hunderte an die Stelle von „kuriosen“ Reiseschilderungen ernste, 
streng wissenschaftliche Forschungsberichte treten. Ferne, unbe 
kannte Ländef, ehemals nur aus der Sage bekannt, werden nun 
aufgesucht und durchwandert. So verweilte schon zu Anfang des 
17. Jahrhunderts der Italiener Pietro della Valla elf Jahre im 
Orient; seine Reisebeschreibung war Jahre hindurch das meist 
gelesene Grundwerk über die Türkei, Persien und Indien. Mayer 
und Müller besitzen eine schöne deutsche Ausgabe, die 1674 in 
Genf erschien. Auch die Deutschen zogen früh schon nach dem 
Orient; so schickte der Herzog von Holstein-Gottorp um 1630 
eine Gesandtschaft aus, die mit Persien direkte Handelsbezie 
hungen anknüpfen sollte; Adam O 1 e a r i u s, der an ihr teil 
nahm, hat sie beschrieben. (Man erinnert sich, daß Olearius 
auch eine Uebersetzung von Saadis „Persianischem Rosenthal“ 
herausgegeben hat, die Goethe noch gekannt hat.) All diese 
Bände sind mit herrlichen Kupfern geziert, während eine Reise 
beschreibung des Salomon Schwigger, der Konstantinopel 
und Jerusalem aufsuchte, noch mit Holzschnitten geschmückt ist. 
(Nürnberg 1619.) Schmigger hat ihr eine Uebersetzung des Korans 
beigegeben. Es ist nicht möglich, aus der reichen Fülle, ungefähr 
400 Bände sind hier zusammengestellt, noch mehr Einzelheiten 
hervorzuheben. Nur auf M a 11 e t s Beschreibung des ganzen 
Weltkreises, auf das komplette Exemplar von Merians Typo- 
graphia sei noch hingewiesen und auf die besonders gut aus 
gestattete Abteilung „Aniericana“. Man begreift, daß diese Samm 
lung nur im ganzen, ungeteilt zum Verkauf kommen soll. 
BILDER. 
(Verkäufe aus der Liechtenstein-Galerie.) 
Aus der Liechtenstein-Galerie in Wien sind in letzter 
Zeit fünf Gemälde alter Meister nach England verkauft worden. 
Es befinden sich darunter B o 11 i c e 11 i’s „Jünglingsporträt“, 
Rubens’ „Toilette der Venus“ und die „Waldpartie“ von 
Hobbema. Der Kaufpreis, der wohl in ausländischer Valuta 
erlegt wurde, soll den Betrag von einer Milliarde österreichischer 
Kronen nicht übersteigen, was im Hinblick auf den hohen künst 
lerischen Wert der Bilder nicht gerade viel wäre. Der regierende 
Fürst von Liechtenstein ist als souveräner Landesherr natürlich 
beim Export von Bildern nicht an die Zustimmung des Denk 
malamtes gebunden, von der Seite hätte er aber gewiß auch 
sonst keinerlei Schwierigkeiten gehabt. 
(Ein Bild H o 1 b e i n s d. J.) Seit 1874 hängt in der 
Gemäldegalerie des Schlosses in Sigmaringen ein etwas 
über einen halben Meter hohes Bild, seinem Inhalt nach wohl 
zweifellos ein Urteil Salomonis in einer prachtvollen Renaissance 
architektur, der nicht zuletzt das Anliegen des Künstlers scheint 
gegolten zu haben; es ging unter dem Namen Tobias 
Stimmer. Nun macht aber Dr. Hans Koegler, der als Kon 
servator am Basler Museum tätig ist und sich als scharfsichtiger 
Kenner der deutschen Kunst des 15 /16. Jahrhunderts, nicht zuletzt 
Holbeins und seines Kreises, schon mehrfach ausgewiesen hat, 
(in den „Basl. Nachr. vom 14. Januar) durchaus wahrscheinlich, 
daß dieses Bild von dem jungen Hans H o 1 b e i n stammt und 
stilistisch am ehesten in die Zeit von 1521/22, die Zeit, da die 
Basler Rathausfresken entstanden sind, gehört. „Das Sigmaringer 
Bild ist mit dem einstigen Basler Haus zum Tanz (dem bekannt 
lich Holbein die geistreiche Fassadenmalerei geschaffen hat) 
das letzte Wort der deutschen Führenaissance-Dekoration über 
haupt geblieben.“ Holbeins Solothurner Madonna vom Jahr 1522 
zeigt dann bereits „eine starke Reaktion gegen die voraus- 
gegangene architektonisch-dekorative Periode, mit einer geradezu.
	        
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