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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
16. Jahrgang. 1. Juni 1924. 
Nr. 11. 
Johann Graf Jatffy afs JCunstmäcen. 
Infolge der Meldung, daß im Juni 
d. J. auch in Pistyan eine Sammlung 
des verstorbenen Grafen Johann (Janos) 
P a 1 f f y zur Versteigerung kommt, 
erhalten wir von geschätzter Seite 
folgenden interessanten Artikel. 
Habent sua fata fesfamenta! Am 2. Juni 1908 war 
mit dem Grafen Johann Palffy die Johannische Linie 
des uradeligen ungarischen Geschlechtes der Palffy im 
Mannesstamme erloschen. Der Graf hatte nicht nur zu 
einem der reichsten Magnaten des Preßburger Komitates 
gezählt, sondern war auch Besitzer von Kunstsammlungen 
gewesen, die er im Laufe vieler Jahre in aller Welt, 
insbesondere in Frankreich, erworben hatte. Wen hatte 
nun der Erblasser zum Erben seiner Kunstschätze ein 
gesetzt? Tragisch ist es, welch Schicksal dem sogenannten 
letzten Willen des Grafen beschieden war; er war ja 
mit Hilfe von Rechtsanwälten verfaßt worden, er bildete 
mit seinen zahlreichen Einzelbestimmungen ein kleines 
Druckwerk und war nach dem österreichischen Gesetz 
trotzdem kein letzter Wille, kein Testament, weil er 
wohl alles mögliche und unmögliche, nur keine Erbs 
einsetzung enthielt. Des Grafen letzter Wille wurde vom 
österr. Abhandlungsgericht, soweit die in Oesterreich 
(Wien) befindlichen unbeweglichen Vermögensobjekte, 
u. a. das Palais in der Wallnerstraße, in Betracht kamen, 
als ein Kodizill angesehen und daher mußte nach 
der gesetzlichen Erbfolge abgehandelt werden. 
Was hatte der Graf, insoweit seine Sammlungen in 
Betracht kamen, in seinem letzten Willen bestimmt? 
Der Grund und Zweck seiner ausländischen Reisen und 
jahrelangen Aufenthalts in der Fremde sei nicht der 
gewesen, se nen eigenen Kunstgeschmack zu befriedigen, 
sondern auch der, aus den überreich vorhandenen 
Schätzen der bildenden Künste des Auslandes so viel 
zu erwerben als ihm seine materiellen Kräfte nur erlaubten. 
Diese Kunstschätze habe er dann heimgebracht in seine 
Schlösser, um dem Mangel seines ungarischen Vater 
landes an solchen Kunstwerken abzuhelfen, um den 
vaterländischen Kunstgeschmack zn veredeln und die 
Liebe zur Kunst zu erwecken. Aus dem Grunde der 
erfolgreicheren Erreichung dieser Zwecke habe er 
seine einen großen Wert repräsentierenden 178 Original- 
Kunstgemälde der Bildergalerie des ungarischen Museums 
vermacht. In seinen Kastellen zu Kirälyfä, Bajmöcz, 
Bösing, in den Palais zu Preßburg und Wien habe er 
nebst den eingerichteten , Wohnungen noch andere 
massenhafte Kunstgegenstände und Kunstgemälde von 
großem Werte aufgestapelt, welche alle dazu geeignet 
seien, dem bezeichneten öffentlichen 
Zwecke zu dienen. Er trage daher seinen Nachfolgern 
auf, diese, nach Zeitalter geordneten und inventierten 
und die bildende Kunst im Ganzen umfassenden Kunst- 
gegenstände, Kunstgemälde, Goldschmiedewerke, Kupfer 
schnitte und viele andere wertvolle Sammlungen zum 
Zwecke einer museumartigen Besichtigung 
bei Belassung in ihrer jetzigen Plazierung, den Sach 
verständigen, den für die bildenden Künste sich Inter 
essierenden und überhaupt dem gebildeten Publikum 
zur Besichtigung zugänglich zu machen. Er lege seinen 
Nachfolgern jedoch ans Herz, besondere Sorge dafür 
zu tragen, daß eines oder das andere dieser wertvollen 
Kunstschätze nicht verschleppt, nicht beschädigt und 
nicht vernichtet werde. 
Für den Fall, daß sein Palais in Wien kein Fidei- 
kommis werden würde und verlizitiert werden müßte, 
traf der Testator genaue Bestimmungen. Insbesondere 
äußerte er den Wunsch, daß die der befindlichen Kunst 
gegenstände an Ort und Stelle verbleiben und dem 
Publikum zugänglich gemacht werden. 
Das Schicksal der im Wiener Palais aufgestapelten 
Kunstwerke ist uns allen nur zu gut noch in Erinnerung. 
Der Hammer des Auktionators zerstreute die mit 
unendlichem Fleiße, mit Opfern an Gut, Zeit und Ge 
sundheit gesammelten Schätze in alle Winde, nachdem 
ein jahrelang vorher geführter Prozeß all den in dem 
Testamente getroffenen Anordnungen und edlen Inten 
tionen des Grafen ein bitteres Ende bereitet hatte. 
Geblieben war der Mitwelt nur die Sensation des 
Napoleon-Schreibtisches! Aus dem seigneuralen Palais 
wurde das Zeichen unserer Zeit — eine Bank. 
Aber ein noch groteskeres Schicksal traf den letzten 
Willen des Grafen im alten Ungarn, richtiger gesagt in 
der jetzigen Cecho-Slovakei. Um dem Rechts 
streite, der unter den gesetzlichen Erben ausgebrochen 
war, ein Ende zu machen, wurde ein Familienüberein 
kommen getroffen, demzufolge die Latifundien aufgeteilt 
wurden und all die angesammelten Kunstwerke, sei es 
als Zugehör der einzelnen Schlösser betrachtet und 
behandelt, sei es verteilt, abgelöst und nur zum 
geringsten auktioniert werden sollten. Nun scheint aber 
die Rechnung ohne den ungarischen Wirt gemacht 
worden zu sein. Der Passus im Testament, der zwei
	        
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