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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 11
der schönsten und größten Herrschaften zu Stiftungen
für kirchliche und weltliche Zwecke — Seminarien und
Erziehungsanstalten — bestimmt hatte, das fürstliche
Vermächtnis der Gemäldesammlung an die National
galerie in Budapest, endlich die wiederholten Hinweise
und Willensäußerungen des Testators, daß seine [unter
lassenen Kunstsammlungen öffentlichen Zwecken
dienen und öffentlicher Besichtigung zugänglich sein
sollten, gaben begreiflicherweise dem Staate das Recht
und die Macht, seinen Einfluß zur Geltung zu bringen.
Inwieweit dies der ungarische Staat so mächtigen
Familien wie Palffy, Andrässy, Esterhazy, Szechtinyi,
Odescalchi, gegenüber getan hätte, nachdem er eine so
gewaltige Vermehrung seiner Nationalgalerie erhalten
hatte, sei dahingestellt; der öecho-slovakische Staat als
Nachfolger des ungarischen hatte keinen Grund Milde
walten zu lassen, er bestand vielmehr auf seinem Schein,
sequestrierte kurzer Hand alle Kunstgegenstände und
sperrte alles zu. Der Anblick, der dem Besucher wurde,
war drollig genug. Ueberall Schnüre mit großen roten
Amtssiegeln, so daß man vor lauter Siegellack die Kunst
gegenstände nicht sah.
Dieser gemütliche Zustand währte bereits fünf
Jahre, die csl. Regierung hatte ihre Sachverständigen
gesendet, um jene Objekte zu bezeichnen, die sie für
öffentliche Zwecke beanspruchte, denn nur unter dieser
Bedingung war sie geneigt, den restlichen Teil der
Kunstgegenstände den gesetzlichen Erben herauszugeben
und auf die Erfüllung der letztwilligen Bestimmung des
Grafen, daß die Kunstgegenständc an Ort und Stelle zu
verbleiben hätten, Verzicht zu leisten. In Preßburg war
nämlich der lebhafte Wunsch entstanden, das dortige
kleine Museum zu vergrößern und ein eigenes Jänos
Palffysches anzugliedern. Wie weit dieser Plan gediehen,
was von den seitens der Prager Sachverständigen aus
erwählten Objekten in der engeren Heimat, der Slovakei,
verblieben ist, wissen wir nicht. Wir wissen auch noch
nicht, was an den Meldungen von der bevorstehenden
Versteigerung im Kurorte Pistyan wahr ist, was dort
versteigert wird, wir wissen nicht, wie weit der letzte
Wunsch des Grafen Johann Palffy respektiert worden
ist, oder mißachtet wurde.
Die Moral dieser kleinen Geschichte? Mensch,
mache ja kein Testament! weder ein holo- noch ein
allographes und wenn es denn unbedingt sein muß, so
mit Hilfe eines Rechtsfreundes, der die gesetzlichen
Bestimmungen des allg. bürgerl. Gesetzbuches im kleinen
Finger hat, auf daß es dir nicht so ergehe, wie dem
bedauernswerten Magnaten Johann Palffy, von dem die
Fama erzählt, er sei boshafter Natur gewesen und es
sei immerhin denkbar, daß er statt eines „letzten
Willens" mit Absicht — keinen gehabt hat.
Austriaca und c Uiennensiü.
Das francisceische Wien hat uns als Dokumente
seiner zierlichen und lichten Schönheit eine Reihe von
Ansichten hinterlassen, die zu den schönsten gehören,
das die graphische Kunst auf dem Gebiete des Stadt-
und Straßenbildes hervorgebracht hat. Etwa sechzig
dieser von Schütz, Ziegler und Janschain
den Jahren 1779 bis 1798 gestochenen und aquarellier
ten Blätter kommen bei Gilhofer & Ranschburg
in Wien, 1. Bognergasse 2, am 30. und 31. Mai
unter den Hammer. Den Höhepunkt dieser wunder
vollen Sammlung bildet ein einzigartiges Stück, ein
S c h ü t z - B a n d, der nicht weniger als 36 Blätter
vereinigt, Ansichten des Platzes und der Kirche von
St. Peter, das Glacis gegen Alstergasse, des Schänzels,
des Praters, des Schlosses Schönbrunn, des Lusthauses
im Prater, des Adeligen Frauenklosters der Salesi-
anerinnen am Rennweg, der Hofbibliothek etc. etc.,
alle im ersten Zustand. Seit Jahrzehnten ist kein
solcher Band auf dem Kunstmarkte gewesen. Schätzungs
preis ist 80 Millionen Kronen. Daran schliesst sich
eine Serie von Wiener Ansichten aus dem Verlage von
Mo 11 o und A rta ri a, ferner eine Reihe von zwölf
äusserst seltenen farbigen Kupferstichen von Löschen
kohl, die ebenfalls seit vielen Jahren nicht vorge
kommen sind, alle in herrlichem Kolorit. Das Haupt
stück der Serie ist ein Originalaquarell dieses Meisters:
„Ihre königl. Hoheit die Erzh. Elisabeth mit der Frau
Gräfin von Changlos in Ihrem Kabinete".
Unter den Aquarellen und Hand Zeichnungen
wären besonders zwei Porträtaquarelle von Josef
T eltscher hervorzuheben, Porträts eines Grafen und
einer Gräfin Trautmannsdorff. Danhauser ist durch
eine Studie zu dem bekannten Gemälde im National
museum „Die Testamentseröffnung“, Defregger
durch ein Porträt des 1879 verstorbenen Malers Ed
Kurzbauer gut vertreten. Von J. C. S c h o e 11 e r sind
sechs Theaterdarstellungen, darunter Jenny Lind als
Norma, von Pettenkofen ein Skizzenbuch mit
Kostürnstudien, Akten, Landschaften etc. vorhanden. Die
kürzlich in einem Neudruck herausgegebenen Wiener
Kaufrufe von Brand scheinen in einem vollständigen
Prachtexemplar der Originalausgabe vom Jahre 1775
auf. (Schätzungswert 10 Millionen.) Eine stattliche
Sammlung repräsentieren die Ansichten aus
Deutschösterreich. Wir finden da prächtige,
zum Teil auch äusserst seltene Blätter von Aggsbach
bei Furth, Gaming, Gastein, Gmunden, Golling, Graz,
Hainfeld, Hallein, Heiligenkreuz, Hellbrunn, Hohenberg,
Ischl, Judenburg, Kammer, Krimml, Kufstein, Lambach,
Landeck, Lend, Leoben, St. Leonhard am Forst, Lilien
feld, Linz, Lueg, Mariazell, Melk, Neuhaus, Ottenschlag,
Pitten, Puchberg, Rapottenstein, Saalfelden, Salzburg,
Scheibbs, Schönau, Schottwien, Starhemberg, Stixenstein,
Türnitz, Untersberg, Weissenherg bei Kirchberg an der
Pielach, Werfen, St. Wolfgang und Schloß Loretto am
Wörthersee.
Ueberaus reichhaltig ist schließlich die Sammlung
auch an historischen Blättern (die Züchtlinge
in Wien, die erste Ausfahrt des Kaisers Ferdinand nach
der Rückkehr aus Innsbruck im Jahre 1848 u. a.), so
wie an seltenen Büchern über Wien und Oester
reich, darunter Merian, Topographia Provinciarum
Austriacarum, erste Ausgabe, Valvasor, Topo-
graphiae ducatus Carnioliae modernae, Schimmer,
Das alte Wien, Dr. Ignaz Schwarz, Wiener Straßen
bilder des Rokoko, Leischi ng, Der Wiener Kon
greß, Kisch, Die alten Straßen und Plätze Wiens,
Fuhrmann, Alt und Neues Wien, Wolfgang Lazius,
Historische Beschreibung der weltberühmten kaiserlichen
Hauptstadt Wien in Oesterreich und viele andere.
Viennensia- und Austriaca-Sammler werden bei
dieser Versteigerung auf ihre Rechnung kommen.