MAK
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
16. Jahrgang. Wien, 15. Jänner 1924. Nr. 2. 
Gemälde im c Ü2diener ®arocdmuseiirn. 
Von Dr. Theodor Frimmel, Wien. 
Das untere Belvedere gehört zu den Baröckbauten, 
die sich glücklich und bestens bis in unsere Tage 
herauf gerettet haben und zwar mit vieler Zier daran 
und darin. Gut konserviert sind unter anderem einige 
Wandgemälde und Deckenfresken, voran die im großen 
Hauptsaal. Sie sind vom Bolognesen M. A. Ch i a r i n i 
ausgeführt, der lange Zeit für den Prinzen Eugen von 
Savoyen und den Fürsten Liechtenstein tätig war. 
Gaetano Fanti, ein naher Verwandter Chiarinis, hat 
die Urheberschaft des Chiarini bei den Wandmalereien 
und der Decke des großen Saales bestimmt überliefert 
u. zw. im Katalog der fürstlichen Liechtenstein’schen 
Galerie (Teil II in der Biographie des Malers Chiarini). 
Daß Fanti, de? selbst Freskant gewesen, an diesen 
Malereien mitgearbeitet hat, läßt sich annehmen. Chiarini 
malte überdies noch andere Fresken im unteren Bel 
vedere. Als prächtig erhalten sind auch die Grotesken 
vonDrentwett hervorzuheben. DomenicoParodi’s meister 
hafte Mamorfiguren in den Nischen der sogenannten 
Mamorgalerie werden heute gewiß von keinem Besucher 
übersehen, doch ist es nicht der Zweck dieser Zellen 
auf Bildhauerei einzugehen, auch wenn sie noch fest 
mit dem alten Bauwerk zusammenhängt. Nebstbei 
bemerkt, wird durch Sa!. Kleiner als Baumeister des 
unteren Belvederes Lukas von Hildebrandt angeführt, 
der bekanntlich auch das obere Belvedere und noch 
anderes in Wien geschaffen hat. 
Was der kunstsinnige Bauherr Prinz Eugen in den 
Prunkräumen des unteren Belvedere alles aufstellen 
ließ, als 1716 der Bau und das große Deckengemälde 
fertig waren, läßt sich heute nicht mehr nachweisen. 
Vermutlich ist das Meiste von dieser Einrichtung des 
unteren Belvederes durch Eugens Erbin, die Prinzessin 
Vittoria, nach Turin entführt worden. Dahin hat sie ja 
auch die Eugen’sche Galerie aus dem oberen Belvedere 
bringen lassen. In meiner „Geschichte der Wiener Ge 
mäldesammlungen" ist an mehreren Stellen von diesen 
Dingen die Rede. 
In der Zeit vom Ankauf des ganzen Belvedere:- 
schlosses durch den österreichischen Hof bis 1806, als 
die Kunstschätze aus dem Tiroler Schloß Ambras und 
anderer Besitz im unteren Beivedere aufgestellt wurden, 
ist der bewegliche Inhalt des unteren Schloßteiles weniger 
für uns unklar, als vorher. Die großen Schlachtenbilder des 
Parrocel, die des Peters Snayers und ailerleihabsburgisch- 
lothringische Bildnisse und andere Porträte müssen 
(nach Mechels Angaben) gegen 1783 neben einigem Bilder 
vorrat im unteren Belvedere zu finden gewesen sein. 
Für die Kunstsachen, die 1806 im unteren Schloß Raum 
fanden und die man zu Unrecht in Bausch und Bogen 
als „Ambrasersammlung" bezeichnete, hat man die ge 
wissenhaft gearbeiteten Bücher von Primisser und Ed. 
v. Sacken und die lig’schen Führer zur Verfügung, so 
daß sich zumeist bis ins Kleine angeben läßt, was sich 
von 1806 bis gegen 1890 im unteren Belvedere be 
funden hat. Nur gerade der größte Gegenstand ist aus 
dem Verzeichnis verbannt und nur im Vorwort des 
Buches von Primisser (1819) mit einigen Zeilen bedacht. 
Dieser größte Gegenstand war das Riesenmosaik von 
Giacomo Raffaelli nach Lionardo da Vinci’s Abendmahl 
in Santa Maria delle Grazie. Dieses großflächige Meister 
werk musivischer Kunst war nämlich in der Zeit von 
etwa 1817 bis 1845 auf dem Fußboden des Hauptsaales 
ausgebreitet, dasselbe Mosaik, das frühestens 1845 in 
die Nordwand der Wiener Minoritenkirche eingefügt 
wurde und bis heute zu den „Sehenswürdigkeiten" 
Wiens gehört. (Vergl. „Blätter für Gemäldekunde" Bd. VII, 
Heft 4, die „Beilage" jener Blätter Heft III, S. 112, ferner 
einen Aufsatz von A. Trost im „Altwiener Kalender" 
für 1919 und in neuester Zeit meine Mitteilungen in 
den „Studien und Skizzen zur Gemäldekunde“, Bd. VI., 
2. Lieferung in der Studie „Bemerkenswerte Gemälde 
in den Wiener Kirchen.“) 
Was bei Primisser, später bei Sacken und in den 
Ilg’schen Führern durch die „Ambrasersammlung“ ver 
zeichnet steht, sind die Waffen, Skulpturen, kostbaren 
Geräte und Gefäße (auch der Tafelaufsatz, genannt das 
„Salzfaß“ von Benvenuto Cellini war darunter) die 
Bergkristallgefäße, großen und kleinen Bronzen, Bilder 
handschriften und Kupferstichbände. Nicht zu übersehen 
die lange Reihe der Bildnisse aus der Sammlung des 
Erzherzogs Ferdinand von Tirol. Hervorzuheben sind 
einige ganz besondere Antiken, wie z. B. der Amazonen 
sarkophag, der sog. Hermes von Virunum und endlich 
die Sammlung ägyptischer Kunstwerke. Alle Raume 
waren voll gestopft. Ein Kunstgegenstand störte den 
anderen in seiner Wirkung, da vieles bunt durchein 
andergeschoben war, wenigstens zur Zeit, als ich die 
Ambraser-Sammlung in den 1880 er Jahren genau kennen 
lernte. Die zjum größten Teil gut erhaltenen Prachträume 
kamen,wenig: oder gar nicht zur Geltung, 'Die schon
	        
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