MAK
Nr. 20 
Internationale Sammler-Zeitung 
Seite 155 
( Die tJTledaiffen- und ZJJTünzensammt’ung ‘Uogef. 
Von Georg Hab ich, München. 
Mit der Medaillen* und Münzsammlung des 1917 
verstorbenen Großindustriellen Herrn Geheimrat Vogel 
in Chemnitz kommt die bedeutendste Privatsammlung 
Deutschlands, ja vielleicht Europas zur Auflösung* Man 
wird diese Tatsache aufs Tiefste beklagen, aber ein 
schmerzliches Symptom der wirtschaftlichen Lage unseres 
Volkes verstehen müssen. Angesichts der hier ausge 
breiteten künstlerischen und wirtschaftlichen Werte wird 
man ermessen können, welche Ueberwindung es den 
kunstsinnigen Erben und jetzigen Besitzern der Samm 
lung gekostet haben mag, sich von einem solchen Be 
sitze zu trennen. 
Die Sammlung ist durchaus ein Werk des Ver 
storbenen, wie er auch seine ganze wirtschaftliche Po 
sition sich ganz aus eigener Kraft geschaffen hat. Die 
Anfänge der Sammlung, ursprünglich bescheiden und 
eng begrenzt, reichen noch zurück in bessere Zeiten 
des deutschen Sammelwesens. Bereits als sechsjähriger 
Knabe hat Vogel Münzen gesammelt, angeregt durch 
einen Bediensteten der benachbarten Knabenschule, 
dessen kleine Münzensammlung er später von der Witwe 
erstand. In den sechziger Jahren hat dann der junge 
Kaufmann noch in seiner Ausbildungszeit mit den Er 
sparnissen, die ihm damals möglich waren, Münzen, 
vorwiegend Taler, gekauft. Es scheint, als ob die Samm 
lung Posdrn-Klett in Leipzig (die heutige Uni 
versitätssammlung) dem angehenden Sammler vorbild 
lich gewesen sei. Später, als er in das väterliche Ge 
schäft eintrat, legte er seine ersten Erübrigungen in 
Münzen an. Schon auf der Auktion Schultheß—Rech- 
bejg trat der damals 27jährige als Käufer auf; ganze 
Partien des berühmten Talerkabinetts gingen in seinen 
Besitz über. Erstaunlich ist, wie er auch in der Folge, 
als ihn große industrielle Unternehmungen voll in An 
spruch nahmen, die Zeit fand, sich seiner Sammlung zu 
widmen. In seinen geschäftlichen Betrieben überall die 
leitende Persönlichkeit, mit Aemtern und Ehrenämtern 
überhäuft, hat er doch seine sammlerische Tätigkeit 
nicht einen Augenblick unterbrochen. Nach einem über 
reichen Tagewerk war für Vogel die Beschäftigung mit 
seiner Sammlung, die Ordnung, Beschreibung und Kom 
mentierung seiner Medaillen und Münzen fast die aus 
schließliche, abendliche Erholung bis in die letzte Zeit 
seines Lebens hinein. Die numismatische Literatur ver 
folgte er mit Eifer. Auf Reisen begleiteten ihn Zeit 
schriften und Kataloge. So traf man ihn im Hotel beim 
Frühstück, statt dem Morgenblatt die Frankfurter Münz 
zeitung in Händen, oder in der Pause einer Sitzung, 
da alles zum Büffet drängte, in einem stillen Winkel 
im neuesten Auktionskatalog blätternd. Rasch von Ent 
schluß und selbständig im Urteil, wie als Geschäfts 
mann, war er auch als Sammler. Ein durch Uebung 
geschürfter Blick ließ ihn selten fehl greifen, wenn er 
auch, wie jeder von uns, Lehrgeld hat zahlen müssen. 
Von Hause aus bedächtig, vorsichtig und wählerisch, 
war ihm doch kein Preis zu hoch, wenn es sich um 
wirklich bedeutende Stücke handelte. Als Konkurrent 
war er zu fürchten. Mancherlei Gutes hat Vogel gele- 
legentlich auf Auslandsreisen erworben. Besonders 
rühmte er Skandinavien als terra virgo. Die Sammlung 
des Barons Schärenstedt in Stockholm wurde en 
bloc erstanden. Aber die Haupterwerbungen stammen 
doch aus dem deutschen, insbesondere Frankfurter 
Münzhandel und von den großen Auktionen der letzten 
*) Die Auktion findet am 4. November bei Leo Ham 
burger in Frankfurt a. M. statt. 
60 Jahre: Meyer (Gedanensis), Engelhard (Dresden), 
Felix (Leipzig), Spitzer (Paris), Reimmann (Hannover), 
Gnecchi (Mailand), Pogge (Greifswald), Saurma, Trau, 
Belli (Frankfurt a. M.), Wilmersdorffer (München), ist 
keine spurlos an Vogel vorübergegangen. Von Wilmers 
dorffer hatte Vogel schon vor der Auktion eine größere 
Abteilung unmittelbar erworben. Besonders hervorragend 
beteiligt war er jedoch an den drei großen deutschen 
Versteigerungen Erbstein, Löbbecke und Lanna. 
Aus der Sammlung Lanna vor allem stammen die 
Meisterwerke der italienischen Medaillenkunst jn seinem 
Besitz, die Arbeiten eines Antonio Pisano, Matteo de 
Pasti, Sperandio, Marescotti und Niccolo Fiorentino. Hier 
erwarb Vogel auch einzelne Hauptstücke der deutschen 
Großmeister der Medaille, Hagenauer und Weiditz. 
Eine Reihe schöner Italiener der späteren Zeit kaufte 
Vogel auf der Auktion Löbbecke; besonders lebhaft aber 
griff er zu, als die neben der seinen größte sächsische 
Sammlung, nämlich die Erbstein’sche, zum Verkauf ge 
langte. Außer zahlreichen sächsischen Geprägen, Schau 
münzen und Münzen erwarb er hier die Serie der 
Wolff’schen Steinmodelle, die, vorzüglich erhalten, viel 
leicht gerade wegen dieses Vorzuges seinerzeit als Fäl 
schungen verdächtigt wurden, völlig zu Unrecht. 
Den ganzen Umfang der Sammlung zu umschreiben 
ist in diesem Rahmen unmöglich. Andeutungen müssen 
genügen. Handelt es sich doch um eine Universal 
sammlung im weitesten Sinne. Vom Mittelalter bis zur 
Neuzeit sind alle Epochen vertreten und selbst die 
Antike hat Vogel zeitweise interessiert. Auf der Auktion 
Ponton d’Amecourt in Paris 1887 ging eine Reihe 
schöner Aurei in sein Eigentum über. Geographisch 
umfaßt die Sammlung Inland und Ausland. In seiner 
späteren Zeit waren es hauptsächlich die Seltenheiten 
ersten Ranges, die Vogel mit echter Sammlerleidenschaft 
und mit Aufwendung bedeutender Mittel seiner Samm 
lung einverleibte. 
Von der großen italienischen Medaillenkunst des 
Quattrocento enthält die Sammlung hervorragende Pro 
ben und auch daä Cinquecento ist in einigen Haupt 
werken, wie Lenoe Leoni, Prezzo usw. mit vortrefflichen 
Exemplaren vertreten. Ueber die Entwicklung der deut 
schen Medaillistik im 16. und 17. Jahrhundert bis zum 
30jährigen Krieg gibt Vogel einen guten Ueberblick. 
Kaum einer der führenden Meister ist unvertreten. 
Neben den schon genannten Augsburgern Weidlitz und 
Hagenauer glänzt besonders die Gruppe der Nürn 
berger Medaillen aus den Jahren 1525—1540, die jetzt 
unter dem Namen des Matthes G e b e 1 zusammengefaßt 
wird, dann die heute mit mehr Recht als früher dem 
großen Peter F 1 ö t n e r zugeschriebenen Stücke wie 
Karl V. und Ferdinand 1., ferner der glänzende Meister 
des Kardinals Albrecht, der feine Joachim Descher, 
Lorenz Rosenbaum, Jakob Binck, Konrad Osterer usw., 
nicht zu vergessen auch die späteren, Drentwett, Pfründt, 
die beiden Abbondio, zu denen sich der jetzt mit Namen 
zu nennende Monogrammist R. R.; Raphael Rang- 
h i e r i gesellt. Vortrefflich repräsentieren sich natürlich 
auch die beiden sächsischen Hauptmeister Reinhardt 
und Wolff. Daß auch die moderne Medaillenkunst in 
Vogel einen tatkräftigen Förderer besaß, mag hier er 
wähnt werden, weil nicht allgemein bekannt ist, daß 
die meisterhafte Medaille zur Einweihung des Kaiser 
Wilhelm-Denkmales in Chemnitz von Hermann Hahn 
und das von K1 i n g e r geschaffene große Schaustück 
zum 50jährigen Jubiläum des deutschen Handelstages 
von ihm in Auftrag gegeben sind. Die Kriegsmedaillen
	        
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