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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 16
in der Moderne fast so weit gegangen ist, daß uns
das Buchzeichen beim Aufschlagen des Werkes zur
inneren Sammlung und Andacht stimmt, macht auch
den Ausspruch des Barons Jehan begreiflich: „Un livre
sans ex libris est un corps sans äme, un noble sans
parchemins, un imtneuble sans titre de propri£te, une
boutique sans enseigne."
Von ausübenden Künstlerinnen, die Exlibris ent
warfen, muß man in erster Linie Käthe Olshaufen-
Schönberger nennen, dann Mathilde Ade, die
bekannte Künstlerin der Meggendorfer Blätter, deren
poesievolle Exlibris uns oft an Märchenträume der
Jugend erinnern. Eine ganz entzückende Radierung
von Käthe Olshaufen-Schönberger ist das Buchzeichen
für den Impressionisten Vincent van Gogh. Auch
Marthe Hof rieht er in Wien, Emmy Löwen
stamm und Alice Wanke lassen erkennen, was
Frauen auf diesem Gebiete leisten. Und Luise Hahn-
Frankel zeigt sich in ihren Exlibris ebenso ehrlich,
mit einfachen Mitteln, Höchstes erstrebend und erreichend,
wie als Malerin.
Begünstigt durch das höhere Interesse, das die
Graphik überhaupt in den letzten Dezennien gewonnen,
hat das Exlibris einen Siegeszug angetreten, der ihm
ungeahnte Perspektiven eröffnet.
Gßarfes Sedefmeyer f.
Hochbetagt ist jetzt in Paris, wo er seit mehr
als einem halben Jahrhundert lebte, der bekannte Kunst
händler Charles Sedelmeyer gestorben.
Ein Seif made man im besten Sinne des Wortes!
Aus sehr ärmlichen Verhältnissen — er begann als
Lehrling im Geschäft des Wiener Bilderhändlers Georg
Placht — hat sich Sedelmeyer durch Begabung und
Energie zu einer der prominentesten Persönlichkeiten
im internationalen Kunsthandel emporgearbeitet. Sein
Urteil in Bilderfragen galt als unumstößlich. Wohl
pflegte er hervorragende Kunstgelehrte, namentlich
Bode, als Experten heranzuziehen, aber dies geschah
nicht, um deren Urteil kennen zu lernen, als vielmehr
sich das seine bestätigen zu lassen.
Glücklich, wie als Entdecker wertvoller alter Bilder,
war er auch beim Aufspüren von Talenten. Oester
reicher von Geburt, brachte er insbesondere den in
Paris lebenden österreichischen Malern das größte Inter
esse entgegen; er trug viel dazu bei, daß die Werke
von Jettei, Ribarcz, von Thoren und C h a r 1 e-
mont in der französischen Kapitale rasch zur wohl-
veidienten Anerkennung gelangten. Jettei malte mehr
als ein Jahrzehnt ausschließlich für Sedelmeyer. Für
August von Pettenkofen ließ er in seinem pracht
vollen Palais in der Rue de Larochefoucauld ein eigenes
Atelier errichten und dieser große Meister wohnte Jahre
lang im Hause Sedelmeyers, wo er eine Anzahl seiner
berühmten Gemälde schuf. Wir erinnern nur an den
„Verwundetentransport“, der im vorigen Jahre unter
ungeheurer Spannung bei C. J. Wawra in Wien zur
Versteigerung kam.
Besonders innig war Sedelmeyers Verhältnis zu
M u n k a c s y. Die herrlichsten Werke dieses Künstlers
sind auf Anregung Sedelmeyers entstanden. Sedelmeyer
erwarb alles, was Munkacsy malte und schließlich kam
ein zehnjähriger Vertrag zwischen ihnen zustande, der
Munkacsy verpflichtete, alle seine Bilder für Sedelmeyer
zu malen. Zu den Werken, die in dieser Periode aus
der Werkstatt Munkacsys hervorgiengen, gehörte der
„Christus vor Pilatus“ und „Die Kreuzigung“, die sich
heute im Besitze des Sammlers John Wannaker in
Philadelphia befinden. Die Freundschaft Sedelmeyers
für Munkacsy übertrug sich später auch auf dessen
Schwiegersohn Vaclav von Brozik, dem er jede mög
liche Förderung angedeihen ließ.
Sedelmeyer war auch Verleger sehr wertvoller
Kupferstiche. Von den beiden Christusbildern Mun
kacsys ließ er zwei große Radierungen ausführen, die
eine von W a 11 n e r, die andere von K o 1 p p i n g.
Auch ließ er andere Radierungen nach alten Meistern,
wie solche von Rembrandt, Frans Hals, van Dyck,
Botticelli und anderen ausführen. Auf der Weltaus
stellung in Paris im Jahre 1900 erhielt Sedelmeyer
hiefür die große goldene Medaille.
Ein großzügiges Unternehmen Sedelmeyers war die
Publikation des Rembrandtwerkes B o d e s, das in acht
voluminösen Bänden das Oeuvre des Meisters umfaßt.
Da die Herstellungskosten sehr hohe waren — über
500.000 Mark pro Exemplar — konnte Bode in Deutsch
land keinen Verleger dafür finden. Als Sedelmeyer
davon hörte, übernahm er mit Freuden die Herausgabe
des monumentalen Werkes, das mit seinem Namen
dauernd verbunden bleibt.
Wie alle großen Kunsthändler, war Charles Sedel
meyer auch selbst ein passionierter Sammler. Im Laufe
der Jahre schuf er sich denn auch eine Galerie, die
zu den bedeutendsten Privatsammlungen Frankreichs
zählt, ln seiner Galerie sollen sich herrliche Rembrandts,
und Munkacsys befinden, darunter zwei Repliken der
Christusbilder Munkacsys in halber Größe.
‘Verkauf der fKunstsammfangen Gasfigfionis.
Vor Monaten schon waren in Wien Gerüchte ver
breitet, daß die berühmten Kunstsammlungen Kamillo
Castiglionis ins Ausland verkauft werden. Nun
erhalten diese Gerüchte ihre Bestätigung, ja Eingeweihte
wollen wissen, daß die herrlichen Bronzen, die Ca-
stiglioni in der Inflationszeit erwarb, bereits zu Geld
gemacht sind. Der größere Rest der Sammlungen soll
im Herbst bei Fred Müller & Co. in Amsterdam
unter den Hammer kommen.
Die Sammlungen Castiglionis zerfallen in drei Teile:
in eine Gemäldesammlung, eine Sammlung von Bronzen
und Skulpturen und in eine Möbelsammlung. Die Ge
mälde- und Skulpturen werden versteigert, die Möbel
bleiben einstweilen noch im Palais Castiglioni.
Zu den Kunstwerken, die zum Verkauf gestellt
werden sollen, gehören der große C o r r e g i o, ein
Selbstporträt von Rembrandt, der berühmte F r o-
ment, von welchem Künstler bekanntlich nur noch
ein einziges Bildnis in Florenz existiert, einige große
Donatellos, die Van Dyks, die R i c c i o s, G i -
a m b o I i n a s usw.
Im Besitze des Herrn Castiglioni und demnach in
Wien sollen die fünf T i e p o 1 o s verbleiben, die bereits
seit vierzig Jahren in Wien sind und zu den größten