Internationale
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
17. Jahrgang. Wien, 1. Oktober 1925. Nr. 18.
Eine SPerfmuffer-Sarrimfung.
Von Professor Dr. Robert Schmidt (Frankfurt a. M.)
Die Zeit der großen, alle Gebiete des Kunstge
werbes umfassenden Sammlungen scheint vorbei zu
sein, der Sammlertypus der Spitzer und Lanna gehört
fast ganz der Vergangenheit an. Der neue Typus, der
im letzten Vierteljahrhundert zur Herrschaft gekommen
ist, ist der des Spezialsammlers, der unter Verzicht auf
das Vielerlei sein Interesse nur auf einige wenige, oder
gar nur auf ein einziges Sondergebiet konzentriert. Er
hat dabei, wenn er Blick und Begabung besitzt,
den Vorteil, dieses sein Spezialgebiet bis ins Kleinste
kennen lernen zu können, es zu beherrschen und
systematisch auszubauen. Wo Tauben sind, da fliegen
Tauben zu.
Herr Edgar Bolz, der bekannte ehemalige Schau
spieler und Spielleiter, der von seiner langjährigen
Tätigkeit am Schauspielhaus zu Frankfurt allen kunst
liebenden Frankfurtern noch in lebhafter Erinnerung
ist, hat neben diesem künstlerischen Hauptberuf das
Sammeln aller der Kunstgegenstände sich zur Lebens
arbeit erkoren, die entweder ganz aus dem schimmern
den Material des Perlmutter bestehen, oder in
irgend einer Weise mit ihrn Zusammenhängen. Er emp
fand den Reiz des Materials mit seiner weichen, zart
lüstrierenden Oberfläche, er erkannte die delikaten
Wirkungen, die es in Verbindung mit anderem Material,
in den verschiedensten Montierungsmöglichkeiten aus
zuüben imstande ist. Und er beschränkte sich dabei
nicht auf eine besondere Zeit, sondern wendete gleich
liebevolles Interesse den Erzeugnissen fast eines halben
Jahrtausends zu, von der Spätgotik an bis zum Ende
des verflossenen Säkulums.
So iät hier eine Sammlung von größter Viel
seitigkeit in den selbstgezogenen Schranken stofflicher
Gebundenheit entstanden, die wohl nicht ihres gleichen
haben dürfte. Gewiß, für den oberflächlichen Betrachter
leidet sie vielleicht an einer gewissen Eintönigkeit, wie
alle derartigen Spezialsammlungen; aber sobald man
sich hinein versenkt, wird man staunend gewahr, in
welche Mannigfaltigkeit — technisch und künstlerisch—
durch die geschickte Hand des Schnitzers, Graveurs
und Intarsiators dies eine Material hineingezwungen
ist, welch köstliche Wirkungen aus ihm herausgezaubert
worden sind. Nicht umsonst war das Perlmutter eines
der Lieblingsmateriale des auf delikate Oberflächen
wirkung so überaus fein reagierenden 18. Jahrhunderts.
Die Arbeiten aus dieser Periode virtuosester Kunst
fertigkeit und sichersten Geschmacks überwiegen daher
auch mit Recht in der Sammlung Edgar Bolz.
Es ist unmöglich, aus der großen Menge der ver-
zeichneten Arbeiten alle besonders interessanten Kunst
werke hier aufzuzählen; es sei gestattet, einige Gruppen
und Einzelstücke herauszugreifen, die künstlerisch und
kulturell besonders wertvoll zu sein scheinen. Zeitlich
stehen da am Anfang die reizvollen kleinen Reliefs,
deren stets religiöse Szenen darauf schließen lassen, daß
sie für kirchliche Gebrauchsgegenstände, für Hostien
kapseln u. a. bestimmt waren. Die wissenschaftliche
Klassifizierung dieser sicher vielfach von frühen Kupfer
stichen beeinflußten Kleinkunstwerke ist noch nicht vor
genommen worden. Die Niederlande hatten an ihnen
starken Anteil, ebenso wie dort auch in der Barockzeit
größte Vorliebe herrschte für die Verwendung der
ganzen Perlmuttermuschel als Trinkgefäß, dem sog.
Nautilus, mit seiner oft reichen Durchbruchsarbeit, seinen
Reliefschnitzereien und Gravierungen. Der bekannteste
und geschickteste Meister dieser Trinkmuscheln,
B e 11 e k i n, ist dabei zwar nicht vertreten, dagegen
lernen wir seine hervorragende Kunstfertigkeit in einer
bezeichneten Ovalplatte und in zwei sicher auch von
seiner Hand herrührenden Arbeiten kennen. Das Zeit
alter des Barock liebte in besonderem Maße die Zu
sammenstellung verschiedenartiger und verschieden
farbiger Materialien. Das beweisen u. a. zwei Kästen,
die farbig getönte Perlmutterintarsien in Holz aufweisen,
sogen. „Büchsenspannerarbeiten“, ebenso aber auch
ein kräftig wirkendes Bildrelief mit seinen aus Perl
mutter, Elfenbein und farbigen Steinen gebildeten Ein
zelheiten auf blauem Grund. Besonders gern hat man
im 17. und 18. Jahrhundert Portraitrnedaillons aus Perl
mutter geschnitten. Der vorzügliche Profilkopf des
Kaisers Matthias wird in dekorativer Pracht durch die
auf Schildpatt aufgelegten und von schöngetriebenen,
silbervergoldeten Rahmen umschlossenen Portraits über
troffen, die August III. von Sachsen und seine Ge
mahlin Maria Josepha darstellen, ausgezeichnete Werke
des bisher unbekannten Perlmutter-Schnitzers Grae-
f e n s t e i n in Gotha Wie dann die R^gence-Zeit aus
der Verbindung von Schildpatt, Perlmutter, Gold und
zierlichstem Goldpique ganz entzückende Wirkungen
herauszuholen wußte, das zeigt ein Schälchen, besonders
aber eine große Schale und die beiden Leuchter, die
zum Besten gehören, was in diesem von künstlerischen