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Seite 140 
Internationale Sammler-Zeitung 
Nr. 18 
Gourmets stark begehrten Genre hergestellt worden ist. 
— Je mehr wir uns der zweiten Hälfte des 18. Jahr 
hunderts nähern, um so mehr steigt die Vorliebe für 
Pe lmutter in allen Gestalten, um so reichhaltiger aber 
wird auch der Inhalt unserer Sammlung. Jene galante 
Zeit, die wie keine andere dem Kult des schönen Ge 
schlechts sich widmete, hatte einen erstaunlichen Be 
darf an kleinen, ziervollen, liebenswürdigen Dingen, die 
für die Hand oder das Arbeitstischchen, den „Bonheur 
du jour“, oder den Schreibtisch der Dame bestimmt 
waren. Die Dosen, die schmalen Etuis, die zierlichen 
Bestecke; die Petschafte, Schreibtäfelchen, Federmesser, 
Briefschatullen und Schreibzeuge; die Necessaires, die 
verschiedenen Nähutensilien und Toilettengegenstände 
— alles was von einer Dame des 18. Jahrhunderts un 
zertrennlich war, ist hier in reichster Fülle vor uns 
ausgebreitet. Unter den mehr als 100 Dosen sind köst 
liche Werke, die feinste Perlmutterschnitzerei mit edelster 
Juwelierarbeit verbunden zeigen. Aber auch die Zeit 
des späten Klassizismus und der Empire hat dem Perl 
muttermaterial die gleiche Vorliebe entgegengebracht 
wie die vorhergehenden Generationen. Die kompletten 
Näh- und Toilettenkästen, von denen eine ganze Reihe 
in der Sammlung vorhanden sind, werden immer be 
liebter; die „Suvenirs" in allen» nur möglichen Formen, 
die Nadelbehälter, die Notizbücher, die Lorgnons und 
Perspektives, die Schreibtischgarnituren, Lichtschirme, 
Räucherbehälter und Vasen aus Perlmutter und Bronze 
oder Perlmutter und Glas mehren sich. Besonders 
großen Anteil scheint jetzt Wien an diesen Dingen 
genommen zu haben, und auch ein großer Prozentsatz 
der biedermeierlichen Produktion scheint in Wien ent 
standen zu sein. So ist es kein Wunder, daß auch heute 
gerade das in der Geschmackskultur an der Spitze 
stehende Wien zuerst den Sinn für die liebenswürdig 
sinnige Grazie dieser Biedermeier-Erzeugnisse wieder 
entdeckt hat und die Zierlichkeiten dieser Epoche, die 
Carnets de bal, die Bouquethalter, die Jetons und andere 
im Dienste des harmlosen und des gefährlichen Jeu 
stehenden Dinge zu sammeln beginnt. Hier Einzelheiten 
herauszuheben erübrigt sich; ein kultivierter Geschmack 
wird das Wertvolle unschwer zu finden wissen. 
ln Frankfurt, wo der Grundstein zu dieser einzig 
artigen Sammlung gelegt wurde, wo sie zum großen 
Teil zusammengebracht worden ist, wird sie nun wieder 
in alle Winde zerstreut werden.*) Hoffen wir, daß ein 
gut Teil des Besten in den Vitrinen der vielen Frank 
furter Sammler wieder zur Ruhe kommt. 
Zum Schluß sei noch auf die überaus reizvollen 
Barockskulpturen und die sehr schönen Möbel beson 
ders aufmerksam gemacht. 
*) Die Versteigerung findet am 20. und 21. Oktober bei 
Hugo II e 1 b i n g statt. 
^Amerikanische Eindrücke. 
“Von S/iugust Soßannes Scßefte, SfCunsIßändfer (‘OÜien). 
Wer als Geschäftsmann, welcher Branche immer, 
mit europäischen Begriffen ausgestattet, die infolge der 
immer drückender werdenden Geldknappheit nicht die 
zuversichtlichsten sind, Amerika betritt und die ersten 
Eindrücke des New-Yorker Geschäftslebens empfängt, 
des gewaltigsten Betriebes, der bei jedem Schritt und 
Blick dem Fremden bestürmt, wird in den ersten Tagen 
sich des Gedankens nicht erwehren können, sämtliche 
Hoffnungen aufzugeben und, um eine Enttäuschung 
reicher, mit dem nächsten Dampfer wieder nach Europa 
zurückzukehren. 
Auch ich vermied in den ersten Wochen jede 
ausgesprochen geschäftliche Annäherung, malte mir 
einen geschäftlichen Besuch mit allen Hindernissen aus, 
die der Europäer, als mit solchen Besuchen verbunden, 
kolportiert, träumte von stundenlangem Warten in dem 
Vorzimmer eines Geschäfisgewaltigen und begnügte 
mich damit, alle Kunstschätze, welche ich in der Hoffnung 
auf einen Dollarregen nach New-York mitgebracht hatte, 
allabendlich in meinem Hotelzimmer zu betrachten und 
mit einem Seufzer wieder in das verborgene Eckchen 
hinter meinem Waschtisch verschwinden zu lassen. 
Eines Tages aber wurde es anders. Einer der 
größten Kunsthändler New-Yorks, bei dessen Firma ich 
meine Karte abgegeben hatte, ohne zu warten, ob mich 
derselbe empfangen würde oder nicht, ließ durch den 
Hotel-Boy anfragen, ob ich zu sprechen wäre. Mit einem 
Rucke kam es in mich wie ein neuer Hoffnungsschimmer. 
Sollte etwa gar . . .? Herr Morrison ließ sich 
melden. Ein jovialer Herr, mit dem Hut am KopFe, den 
er auch bis zum Fortgehen nicht abnahm, begrüßte 
mich freundlich und verlangte meinen Rembrandt 
zu sehen. Ich war mehr als bestürzt über diese Frage, 
da ich einen solchen gar nicht mitgebracht hatte. 
Daraufhin wies er mir die Nummer der „New-Yorker 
Times“ vor, ,in der es schwarz auf weiß stand, daß 
der berühmte Kunsthändler aus Wien, Herr Schelle, 
dnen der schönsten Rembrandt mitgebracht habe, 
der . . . usw. Ich war aber schnell gefaßt und bedauerte 
nur, daß das Bild bereits seit einer Woche verkauft sei, 
doch hätte ich noch einige andere Kunstgegenstände 
mitgebracht, die ich jedoch nur zu meiner persönlichen 
Erbauung stets mit mir führte, und die daher unver 
käuflich seien. In nicht ganz einer Viertelstunde waren 
wir handelseins und ich hatte mich mit Rücksicht auf 
das verlockende Gegenanbot meines Besuchers auch 
zu dem harten Entschlüsse durchgerungen, mich von 
meinen Lieblingsobjekten dennoch zu trennen. 
Der Amerikaner — soweit ich ihn in New-York, 
Washington, Philadelphia, Boston, d. h. im Osten kennen 
lernte — ist ein liebenswürdiger, zielbewußter, ener 
gischer Geschäftsmann, mit dem man unschwer einig 
wird, wenn man es versteht, die Vorzüge eines Ab 
schlusses für ihn in klarer Weise darzulegen und wenn 
man namentlich nicht durch europäische Ideen feenhafter 
Summen behindert, ans Werk geht. Wenn man ge 
schäftlich irgendwo vorsprechen will, wird man zwar 
von der Sekretärin immer mit den Worten begrüßt: 
„Ich glaube der Herr Chef ist gerade sehr beschäftigt", 
trotzdem aber kommt sie kurz darauf aus dem Chef 
zimmer wieder und bittet einzutreten. Wenn man die 
Sprache des Landes beherrscht, ist der angebotene Will 
komm-Gruß ein guter Schluck haybowle und eine Riesen 
zigarre, und damit kann die geschäftliche Konversation be 
ginnen. Ich habe meine ganzen Geschäftsabschlüsse 
wohl dem zu verdanken, daß ich mir die amerikanische 
Art der Konversation in einigen Wochen zu eigen 
machte und auch immer in Stanniol gewickelte Havanna- 
Zigarren und eine Feldflasche mit gutem, alten Wiskey 
bei mir führte und kann nur jedem, der etwa auch sein 
Glück überm Wasser zu suchen gedenkt, raten, sich 
mit diesen Zaubermitteln zu versehen, vor denen sich 
die Türen der Chefzimmer öffnen, vor denen der stets 
abwehrende Sekretär weich wird und durch die sich 
die sonst unnahbare und gestrenge Miene des Police- 
man in einen schmachtenden Liebesblick verwandelt.
	        
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