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Internationale 
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde, 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
17. Jahrgang. Wien, 15. Jänner 1925. Nr. 2. 
STßerese SRrones. 
Erinnerungen eines allen Sammlers. 
ln keiner Großstadt wird der Künstlergilde wohl 
mehr Interesse entgegengebracht, als in Wien. Man be 
wundert nicht nur den Künstler auf den Brettern, den 
Maler *in seinen Werken, nein, Wien liebte es stets, 
seine Lieblinge bis in das intimste Privatleben zu ver 
folgen, persönlichsten Kult zu treiben. Je berühmter oder 
wenigstens je populärer so ein Künstler wurde, um so 
mehr steigerte sich auch der Personenkult, den man mit 
ihm trieb. Daß diese Gepflogenheit in einem katho 
lischen Lande, dem die Reliquienverehrung gewisser- 
massen in Fleisch und Blut übergegangen ist, sich zu 
einem Reliquienkult in weltlichem Sinne ausgestaltete, 
darf, wer die Wiener Psyche kennt, nicht wundernehmen. 
Ich erinnere mich noch lebhaft, wie bei der Nachlaß 
versteigerung der Pepi Gailmeyer um die Mitte der 
Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts heiße Wett 
kämpfe um eine alte Tischdecke und um einen zer 
brochenen Porzellan-Handleuchter entbrannten oder 
etwas später aus dem Nachlasse der Frau Maria Gei- 
stinger für ein Paar alte, gestickte Pantoffel ein Preis 
geboten wurde, für den der teuerste Wiener Hofschuster 
gewiß gerne ein Paar neue Schuhe angefertigt hätte. 
Daß es bei Reliquien einer Fanny Elßler oder des 
Dichterschauspielers Ferdinand Raimund zu noch 
höheren Preissteigerungen kam, ist klar. 
Ein Liebling des Wiener Publikums in der „guten“ 
vormärzlichen Zeit war unstreitig Fräulein Therese 
Krön es, deren frühes Ende und deren sensationelle 
Liebschaft mit dem Raubmörder „Grafen“ Severin von 
Jaroszynski nicht wenig zu dem starken Interesse 
beitrug, das man ihr in gutem wie in bösem Sinne 
schon zu Lebzeiten entgegenbrachte. Sie war, mit Karl 
Glossy zu sprechen, das Weibchen, das die Kunst- 
und Sittengeschichte Wiens, die Skandalchronik und die 
Theaterchronik mit ihrer wienerischen Anmut erfüllte, 
das im Ueberfluß lebte und als es starb, 228 Gulden 
bar, fünf Bracelettes von Bronze und einen Kamm mit 
drei falschen Steinen hinterließ. Daß "sie auch Dichterin 
war und mit zwei Geisterkomödien an die Oeffentlich- 
keit trat, hat erst die neuere Heima: orschung festgestellt. 
Wir versetzen uns gerade heute in den trüben 
Tagen der Nachkriegszeit mit Vorliebe in das' vormärz 
liche Wien, in die Phäakenstadt, in das Dorado der 
Behaglichkeit und der harmlosen Lebensgenüsse. Alte 
Erinnerungen werden wieder aufgetischt, alles Vergan 
gene erscheint in verklärtem Lichte. Die trüben poli 
tischen Verhältnisse, welche im Vormärz über Wien 
lasteten, ‘ der Polizeidruck, der allenthalben herrschte 
und jede freie Regung des Geistes unmöglich machte, 
drängte die Wiener damals noch mehr wie jetzt zum 
Theater. Das Publikum hatte sehr feine Ohren bekom 
men, ein Witzwort Raimunds oder Nestroys, welches 
nur durch die Mimik oder eine Geste die Spitze bekam, 
wurde sofort verstanden und mit stürmischem Jubel 
aufgenommen. 
ln der großen Theatergemeinde Wiens gab es 
manchen Liebling, der der Mehrheit des Volkes mehr 
galt, als etwa die Leuchten der Wissenschaft oder die 
Führer auf politischen Bahnen. Ein Liebling des vor 
märzlichen Wien war, wie schon erwähnt, Therese 
Krones; ihr Gedächtnis ist bis zur Stunde noch in der 
ehemaligen Kaiserstadt nicht erloschen. Der Name 
Therese Krones bedeutet heute noch ein künstlerisches 
Programm, sowie der des Dichters Ferdinand Raimund, 
mit dem sie zusammenwirkte und dessen dichterische 
Gestalten sie verkörpern half, ln Fräulein Krones sahen 
wir ein gutes Stück „Alt-Wien“. Die damaligen fröh 
lichen Zeiten, der sorgenlose „Volkswahn“ sind ohne 
sie gar nicht zu denken. Wie die süßen Walzermelodien 
von Strauß und Lanner das musikalische Wien illu 
strieren, Castelli, J. N. Vogel, M. G. Saphir und Bäuerle 
den literarischen Einschlag gaben, so war die Krones 
der Typus der Volksmuse. Sie war vielleicht keine be 
deutende Schauspielerin, aber eine ganz eigenartige 
Persönlichkeit, deren Zauber sich nicht leicht jemand 
entziehen konnte. 
In seiner „Didaskalia“ schreibt Saphir über die 
Krones: „Die Krones glänzt nicht, sie strahlt nicht, sie 
schimmert nicht; sie stach in die Augen, sie stach in 
die Ohren, sie stach in die Sinne, sie war eine eigene 
Erscheinung, die leider — Dank sei Gott — keine 
Nachfolgerin hatte und hat. Fräulein Krones leistet vor 
treffliches als Fräulein Krones, nie als Rolle. Ich selbst 
habe sie oft und bitter getadelt, oft und süß gelobt. 
Habe auch wohl — es sind über 30 Jahre her — von 
Kunstleistungen, diesem allzunötigen Kleingeld der 
Kritik, gesprochen, aber nie ist sie mir als eine Kunst 
begabung, als eine Künstlerinnatur erschienen; jeder 
geläuterte Strahl künstlerischer Innigkeit oder Geistig 
keit war ihr fremd. Sie spielte nicht, sie läßt sich spielen,
	        
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