Nr. 16
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 131
(Die Fresken in Waidhofen an der Thaya.)
Aus W a i d h o f e n an der Thaya wird uns geschrieben: Die
Bloßlegung alter Wandgemälde an den ältesten Häusern der
Stadt schreitet rüstig fort. Die künstlerische Wiederherstel
lung erfolgt durch das Denkmalamt, und zwar durch den be
währten Restaurator, akademischen Maler Josef Böhm. Im
Vorjahre wurde ein sehr gutes, stark beschädigtes Sgrafitto
(auf braunem Grunde) an einem Bürgershause auf dem Stadt
platz freigelegt. Es entstammt der Frührenaissance (Anfang
des 16. Jahrhunderts). Bei der gegenwärtig durchgeführten
Adaptierung des von der Stadtgemeinde erworbenen Hauses
Niedertal Nr. 1, das bestimmt ist, die Sammlungen des städti
schen Museums aufzunehmen, stieß man an der Hauptfront
auf eine barocke Freskomalerei, unter anderem zwei schwe
bende Engel in roter Farbe, die einen Baldachin tragen, der
die Nische über dem Haupteingang überdacht. Die älteste
Schicht des Bewurfes trägt eine schwarze Zeichnung in Sgra-
fittonachtiildung. Besonders bemerkenswert sind an der Ost
seite des Gebäudes außer der Jahreszahl 1577 zwei figürliche
Darstellungen: ln dem einen Feld ein Ritter zu Pferd, der von
einen riesigen ungewappneten, barfüßigen Mann mit einem
kurzen Schwert angegriffen wird, in dem anderen das Profil
eines Frauenkopfes (Bürgersfrau mit Haube). Die städtischen
Zeugen der Vergangenheit Waidhofens: Zunftladen und -Sie
gel, alte Schußscheiben des Bürgerkorps, vollständig einge
richtete alte Bürgerstuben, eine Waffen- und eine Münzen
sammlung, Brettel- und Goldhauben, verschiedene volkskund
liche Gegenstände sowie eine Kollektion römischer Altertümer,
die ein Sohn der Stadt, Ingenieur Karl Hamernik, aus
Aegypten mitgebracht und dem Museum zum Geschenk ge
macht hat.
(Albert Houtin f.) Am 30. Juli ist in Paris der frü
here katholische Priester Albert Ho u t i n, Verwalter der Bib
liothek des Musee Pedagogique, gestorben. Er hat sich
namentlich durch seine vorzüglich informierten kirchen- und
religionsgeschichtlichcn Arbeiten bekannt gemacht. Besondere
Beachtung fanden seine Schriften zur Geschichte des Moder
nismus sowie seine Biographie von Pere Hyacinthe L o y s o n,
dessen langjähriger Freund er war. Von dokumentarischem
Werte für die Bewegung innerhalb der katholischen Kirche
seiner Zeit ist seine kürzlich erschienene Autobiographie. We
gen seiner freikritischen Gesinnung hat ihm die Kirche das
Recht verweigert, die Messe zu lesen. Dem Beispiel von
Pere Hyacinthe folgend hat er mit aller Energie für die Ver
einigung der Religionen gewirkt.
(Eine Schenkung.) Auf der Besitzung C h a a I i s
bei Ermenonville ist dieser Tage das Grabmal der Malerin und
Kunstsammlerin Nelly Andre, der Tochter des bekannten
Geschichtsschreibers des Porzellans und der Keramik, Albert
Jaquemart, eingeweiht worden. Das Institut de France
hat sich im Extrazug zu der Feier begeben, bei der der Prä
sident der Academie des Sciences morales et politiques, R. G.
Lovy, die Weiherede hielt. Das Institut hat zu dieser Ehrung
alle Ursache, denn die Verstorbene hat es zum Erben ihrer
gesamten Güter und Sammlungen eingesetzt. Es ist so Eigen
tümer des Gebietes von Chaalis mit der Abtei, einer Kapelle,
Parks usw. und des Palais auf dem Boulevard Haußmann ge
worden, das hervorragende Denkmäler der italienischen Re
naissance, Gemälde von Rcmbrandt, van Dyck und viele an
dere Kunstschätze in sich schließt. Zur Erhaltung und Erwei
terung der so geschaffenen beiden Museen sind testamen
tarisch je fünf Millionen Franken bestimmt worden.
(Der Maler Diogene Maillar d) ist, wie aus
B e a u v a i s gemeldet wird, im Alter von fast 86 Jahren ge
storben. Maillard erhielt 1864 den Großen Preis von Rom,
wurde dann Zeichenlehrer der Gobelinmanufaktur und spä
ter deren künstlerischer Leiter. Er hat u. a. Dekorationen
der Augustinerkirche in Paris sowie ein Deckengemälde im
Schlosse von Chantilly ausgeführt und war als Porträtmaler
bekannt.
(Mit Röntgenstrahlen gegen die Bilder
fälscher.) Alan Borroughs vom Foggmuseum der
Havard-Universität wird eine Reise nach Europa antreten; er
wird insbesondere Paris und Berlin besuchen, um im Louvre
und in den Berliner Museen Röntgenaufnahmen zu machen,
durch die die Maltechnik der alten Meister bloßgelegt wird.
Auf diese Weise soll es möglich gemacht, werden, die auf dem
amerikanischen Kunstmarkt auftretenden Fälschungen festzu
stellen.
MUSEEN.
(Kaiser-Friedrich-Museum in B e r 1 i n.) Ein
wertvolles Gemälde des Venezianers G. W. Piazzetta ist
soeben der Gemäldegalerie des Kaiser-Friedrich-Museums von
der Galerie van Diemen in Berlin zum Geschenk gemacht
worden. Piazzettas Bild stellt die hl. Magdalena dar.
(Ein Smetana-Museu m.) ln Prag wur-de ein Ko
mitee zur Errichtung eines Museums gegründet, das Manus
kripte, Bilder, Instrumente, Partituren enthalten soll, die in
Zusammenhang mit dem Komponisten Smetana stehen. Die
Stadt Prag und die tschechische Regierung haben dem Komi
tee große Mittel für das Museum in Aussicht gestellt.
(Vom Uhrenmuseum in Wie n.) Dem städtischen
Uhrenmuseum in Wien sind wieder mehrere Spenden übermit
telt worden, die einen sehr erfreulichen Zuwachs bedeuten.
So hat Herr Oskar Janousek eine reichgeschnitzte
Kuckucksuhr gespendet, Frau ida Engel schenkte ein mit
viel Kunst verfertigtes hölzernes Pendelwerk. Die Gemeinde
Unter-Olberndorf spendete die ungefähr 200 Jahre
alte Turmuhr. Schließlich spendeten Dr. Karl Ruh mann
ein wertvolles Buch, der Uhrmacher Josef Urban in Wels
eine eiserne Stundenschlaguhr und eine Ottensheimer Uhr,
Obermagistratsrat Dr. D e 1 a n n o y zwei Uhren und ein Buch
und der Uhrmacher Rondewald in Türnitz zwei sehr sel
tene Spindelwerke.
(Das Prado-Museum in Madrid) ist durch ein
Vermächtnis des Grafen de Niebia um vier wertvolle Ge
mälde bereichert worden, und zwar um zwei weibliche und ein
männliches Porträt von Goya und ein Porträt Thomas
Howards, Grafen von Arundel, von van Dyck, dessen
Autorschaft allerdings nicht ganz zweifellos ist.
VOM KUNSTMARKT.
(Das KunSt-Auktion s-Haus J a c. Hecht in
Berlin- Charlottenburg) hält am 14. September seine
E r ö f f n u n g s - A.u k t i o n in seinen neuen, eigens zu die
sem Zwecke umgebauten Räumlichkeiten Kant-Straße 162,
Ecke Joachimsthalerstraße (frühere „Rakete“) ab, die sich
auf einem künstlerisch und qualitativ gehobenen Niveau halten
wird. Das Hauptinteresse der Kunstliebhaber und Sammler
dürfte sich besonders auf die wertvolle Sammlung mittel
alterlicher Holzplastiken (aus der Berliner Samm
lung M.) meist deutscher und französischer Provenienz kon-
zertrieren, da sie sehr gute Stücke in alter Fassung enthält.
Durch erlesene Kult- und andere Kirchen kunst
gegenstände (Reliquare, Tabernakel, Elfenbein-Kruzifixe,
Got. Monstranz und Ziborium, Renaissance-Plaketten usw.)
wird diese Sammlung noch bedeutend ergänzt und erweitert.
Sehr beachtenswert sind auch die zum Ausgebot gelangenden
Gemälde alter Meister, die aus verschiedenem Privatbesitz
stammen und vor allem holländische Maler des ausgehenden
XVI. und XVII. Jahrhunderts umfassen, u.a. Werke von: Ant.
Palamedes, Brackenburg, Jac. Toorenvliet, Pieter Bout, Jan
van Stoock, A. van Croos, Jan Victors, Gillis vati Coninxloo,
Denis van Asloot, Jos. Boremans d. J., Jan Frans Soolmaker,
Willem de Heusch, Bernaert Fabritius, Phil. Wouvermann, Jan
van Hemessen, Hendrik M, Sorgh, David Vinck-Boens, Jac,
van Gracsbecke, J. van Ostade, Dirk van Deelen, A. Rostraten,
Nicolas Maß, Jan van Kessel, Gasper Verbruggen. Außerdem
enthält die Auktion XXVI in reicher Auswahl antikes Mo
biliar in allen Stilarten von der tektonischen schlicht ge
haltenen gotischen Truhe und dem Stollenschrank über die
wuchtigen Barockschränke bis zur überreichen Louis-XVI-
Kommode und den zierlichen Rokoko-Salon-Garnituren, an die
sich eine ausgewählte Kollektion von flämischen und
französischen Tapisserien und Gobelins des
XVII. und XVIII. Jahrhunderts sowie einige Aubussons und
eine Serie schöner Perser-Teppiche angiiedert. Neben
einer kleinen Sammlung von alten Musikinstrumenten
u'rid Waffen verdienen auch die Kleinkunst - und
kunstgewerblichen Gegenstände 'besondere Er
wähnung, speziell eine Sammlung früher ostasiatischer
Keramiken: chinesische Tonfiguren (Grabbeigaben) aus
der Tang-Zeit (618—950) und chinesische Porzellane aus der
Kien-Lung-Zeit; ferner Porzellane des XVIII. Jahrhun
derts aus verschiedenen deutschen Manufakturen, Fayen
cen, S t e i n z eug und Zinnkrüge.
(Dresdener A u k t i o n.) Der Termin für die nächste
Dresdner Kunst- und Antiquitäten-Versteigerung ist auf den
1. und 2. November festgelegt und findet, wie bisher im
Logenhaus-Saal, Ostra Allee 15, statt. Die Leitung hat gleich
falls, wie bisher, Kunsthandlung Emil Richter, Dresden-A.,
Pragerstraße 13.
(E n g 1 i s ch e Auktionsrekorde.) Kurz vor Saison
schluß wurden in den Londoner Auktionsräumen zwei höchst
sensationelle Versteigerungsrekorde aufgestellt. Bei S o t h e-
b y s erzielte am 26. Juli ein untadeliges Exemplar der Erst
ausgabe von Bunyans „Pilgrims Progreß“ 6800 Lstr. Das
Werk war im Februar 1678 erschienen und erwies sich als
so populär, daß noch im Erscheinungsjahr eine zweite und im
Jahr darauf eine dritte Auflage nötig wurde. Exemplare der
Erstausgabe sind sehr selten. Es scheint, daß die meisten
schon im 17. Jahrhundert unter den Händen der ergriffenen