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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 14
turen frißt, das eigentlichste Wesen der Natur er
blickten. Dieser neuen, subjektiv gesehenen, flim
mernden, dahinhuschenden, in hundertfachen Valeurs
verfließenden Natur begann er nun sein Leben zu
weihen. In Pinsel, Wort und Schrift. Damit machte er
Front gegen die „Phantasie“ der Phantastischen. Und
gegen die Gefühlsduselei der Romantiker. „Allein erst
die Auffassung der Natur,“ schreibt er einmal, „macht
den Künstler und die Wiedergabe der künstlerisch
erfaßten Natur den Stil. Nun ist’s allerdings bequemer,
den Stil früheren Epochen zu entnehmen, den Prä-
räffaeliten wie Burne Jones oder den Niederländern
wie Lenbach, als im Schweiße seines Angesichtes in
der Natur. Aber, wie schwer es auch sein mag, die
Natur entschädigt den ihr Nachfolgenden reichlich
durch das Geschenk, das sie allein geben kann, die
Originalität. Und nur, wer mit eigenen Augen die
Natur anschaut, und noch nebenbei die Fähigkeit
besitzt, das originell Geschaute wiederzugeben, ist
Künstler.“ „Der Kampf der aufrichtigen Kunst, die
auf Studium der Natur basiert, gegen den frömmeln
den Mystizismus, die Anlehnung an Grünwald und die
Abneigung gegen Rembrandt besagt eigentlich alles.
Dieser stolze, freieste, größte Maler aller Zeiten muß
den Mystikern ein Dorn im Auge sein, weil er, was
er zu sagen hat, einfach ausdrückt, weil er sein Gefühl
— das Kriterium des wahren Künstlers — mit den
Ausdrucksmitteln seiner Kunst wiedergibt.“
Liebermann ist niemals stehen geblieben. Wie das
fortschreitende Jahrhundert immer mehr die Augen
öffnet, für das Bewegte, Schnellebendige, Schwingende
Dynamische der Zeit und der Dinge, wird er sein
begeistert - nüchterner Verherrlicher. Mit anderen
Worten: von den beharrenden Situationen der Netz
flickerinnen, der Amsterdamer Waisenhausmädchen,
der Bleicherinnen, des Altmännerhauses, der Amster
damer Judengasse, der Zieg'enhüterinnen auf der Düne
und anderer Sujets, die ihm den Ruf eines sozialen
Malers und bei Wilhelm den Zweiten, dem „die janze
Richtung nich paßte“, den Geruch eines Rinnstein
malers eintrugen, in diesen beharrenden Situationen
stürzt er — nein geht er ruhig in die Welt des Sports,
der bewegten Körperlichkeit, wo Dynamik, Rhythmik,
Beleuchtung und Atmosphäre die hart modellierte
Welt „zerlösen“. „Die Knaben am Meer“ entstehen
nun und die „Reiter am Strand“, „Die Polospieler“
und „Die Tennisspieler“. Aber auch in der neuen Lage,
den neuen Leuten gegenüber, bleibt er immer der
selbe. Wie er die „armen Leute“ nicht heroisierte oder
sentimentalisierte, so liegt ihm nun den sportlichen
Nichtstuern der oberen Stände gegenüber jede nobi
litierende Geste fern. Immer bleibt er der kühle, fühl
lose, stille, nüchterne, natürliche Beobachter und
Weltwiedergeber. Augenblicke kommen zuweilen, wo
die Farbe sich vordrängt, wie in der „Papageienallee“
oder in den „Gartenbildern von Wannsee“, aber sie
sind nur vorüberhuschende Unterbrechungen der
SfleRordpreise
Aus London wird uns geschrieben:
C h r i s t i e hatte am 8. Juli seinen Rekord-Tag.
Bei einer Versteigerung, die im ganzen nur drei
Stunden in Anspruch nahm, wurde die bisher
am englischen Kunstmarkt unerreichte Summe von
1 9 2.4 5 1 P f u n d S t e r 1 i n g für 1 3 2 B i 1 d e r
erzielt. Der Hauptanteil hieran gehörte der von
Montreal nach der Themsestadt zur Verstei
gerung gebrachten Sammlung James Ross, die
in weniger als einer Stunde mit ihren 29
grauen Palette .. . nicht anders als einst — unter
Millet’schen Einfluß — einen Augenblick lang — ein
stärkeres seelisches Mitgehen mit den Bauern- und
Arbeitergestalten aufflackerte . . . und wieder ver
schwand. Man hat eben manchesmal Anwandlungen.
Aber man ist Berliner gqpug, um diese Rührselig
keiten, diese romantisch-sozialen Anwandlungen,
rechtzeitig wieder abzustreifen, durch sie nicht den
kühlen Ton der künstlerischen Situation und Kompo
sition verderben zu lassen.
Diese „geniale Nüchternheit“, diese nicht „neue“,
aber ehrliche „Sachlichkeit“ allerersten Ranges mußte
Liebermann natürlich zum Portätmaler kat’exochen
prädestinieren. Der ist er denn auch geworden. Von
seinem „Elternbild“ bis zum Bode, vom Fürsten Lich-
nowsky bis zum Hindenburg liegt eine lange Reihe
von Bildnissen vor. Lauter Dokumente unserer Zeit.
Unbarmherzig, ohne Schmeichelei, ohne Konzession
gemalt. Absolut ehrlich-sachlich. Innerhalb dieser
Ehrlich-Sachlichkeit aber voll Großzügigkeit, Geist-
reichheit, sprühender Charakteristik.
*
Im Namen der Akademie, deren Präsident der
Jude Liebermann nun schon seit vielen Jahren ist, im
Namen der Sezession, deren hochverehrter Führer er
seit langer Zeit ist, hat er vor einigen Tagen der
Jubilantin Käthe K o 11 w i t z gratuliert. Ein Rinn-
stcinkünstler der Rinnsteinkünstlerin. Ein Symptom
unserer geänderten Zeit. Max Liebermann ist eine
Macht in Deutschland geworden. Einer steht einmal
an offizieller und angesehener Stelle, der es wirklich
verdient. Und er wird hoffentlich noch lange da
stehen. Sein Werk wächst noch immer von Jahr zu
Jahr und wenn er 89 wie Michelangelo oder 99 wie
Tizian geworden sein wird, wird er — innerhalb des
ihm nun einmal gesteckten und begrenzten Rahmens
— wieder wo anders stehen. Denn er hat die wach
sende Kraft des Nüchtern-Lebendigen in sich, der in
Berlin arbeitet und die Weite desJuden, der in Europa
lebt. Man hat ihn den „König des deutschen Impres
sionismus“ genannt. Mit Recht. Aber, das hat ihn
nie blind gemacht gegen andere Richtungen, gegen
andere Künstler, die neben ihm gearbeitet haben,
denen er die Bodenringeln gefeuchtet hat. Richtungen
kommen — und Richtungen gehen. Seine aber bleibt
dauernd erhalten, jenseits von Mode und Vorurteil,
wie ein Leuchtturm in der Nacht, der chaotischen
Jugend unserer Tage hingestellt: denn er ist an der
Natur orientiert.
Andere Zeitgenossen haben mit ihm um die
Palme der impressionistischen Führerschaft gerungen.
Corinth, der mit Blut, und Slevogt, der mit leicht
flüssigem Champagner, und Uhde, der mit verdünn
tem Meßwein gemalt hat. Aber Liebermann ist Sieger
geblieben: er hat nur mit Geist und Wahrheit und
Unbestechlichkeit gemalt.
6ei Gfiristie.
Bildern einen Erlös von 1 3 2.1 1 1 Pfund erbrächte.
Den höchsten Preis errang ein Rembrand t, das
Porträt eines Mannes, das unter dem Namen „Admiral
Tromp“ in der Literatur bekannt ist und der von der
Firma Agnew nach einem Anfangsangebot von
10.000 für 31.000 Pfund erstanden wurde. Romneys
Porträt der „Lady Sullivan“ wurde für 17.850 Pfund
von der New-Yorker Firma Kno edler, die gleich
falls Franz Hals’ „Bildnis eines Mannes“ für 5600
Pfund kaufte, erworben. Ein kleines Bild von Tur-