MAK
Seite 122 
Internationale Sammler-Zeitung 
Nr. 14 
turen frißt, das eigentlichste Wesen der Natur er 
blickten. Dieser neuen, subjektiv gesehenen, flim 
mernden, dahinhuschenden, in hundertfachen Valeurs 
verfließenden Natur begann er nun sein Leben zu 
weihen. In Pinsel, Wort und Schrift. Damit machte er 
Front gegen die „Phantasie“ der Phantastischen. Und 
gegen die Gefühlsduselei der Romantiker. „Allein erst 
die Auffassung der Natur,“ schreibt er einmal, „macht 
den Künstler und die Wiedergabe der künstlerisch 
erfaßten Natur den Stil. Nun ist’s allerdings bequemer, 
den Stil früheren Epochen zu entnehmen, den Prä- 
räffaeliten wie Burne Jones oder den Niederländern 
wie Lenbach, als im Schweiße seines Angesichtes in 
der Natur. Aber, wie schwer es auch sein mag, die 
Natur entschädigt den ihr Nachfolgenden reichlich 
durch das Geschenk, das sie allein geben kann, die 
Originalität. Und nur, wer mit eigenen Augen die 
Natur anschaut, und noch nebenbei die Fähigkeit 
besitzt, das originell Geschaute wiederzugeben, ist 
Künstler.“ „Der Kampf der aufrichtigen Kunst, die 
auf Studium der Natur basiert, gegen den frömmeln 
den Mystizismus, die Anlehnung an Grünwald und die 
Abneigung gegen Rembrandt besagt eigentlich alles. 
Dieser stolze, freieste, größte Maler aller Zeiten muß 
den Mystikern ein Dorn im Auge sein, weil er, was 
er zu sagen hat, einfach ausdrückt, weil er sein Gefühl 
— das Kriterium des wahren Künstlers — mit den 
Ausdrucksmitteln seiner Kunst wiedergibt.“ 
Liebermann ist niemals stehen geblieben. Wie das 
fortschreitende Jahrhundert immer mehr die Augen 
öffnet, für das Bewegte, Schnellebendige, Schwingende 
Dynamische der Zeit und der Dinge, wird er sein 
begeistert - nüchterner Verherrlicher. Mit anderen 
Worten: von den beharrenden Situationen der Netz 
flickerinnen, der Amsterdamer Waisenhausmädchen, 
der Bleicherinnen, des Altmännerhauses, der Amster 
damer Judengasse, der Zieg'enhüterinnen auf der Düne 
und anderer Sujets, die ihm den Ruf eines sozialen 
Malers und bei Wilhelm den Zweiten, dem „die janze 
Richtung nich paßte“, den Geruch eines Rinnstein 
malers eintrugen, in diesen beharrenden Situationen 
stürzt er — nein geht er ruhig in die Welt des Sports, 
der bewegten Körperlichkeit, wo Dynamik, Rhythmik, 
Beleuchtung und Atmosphäre die hart modellierte 
Welt „zerlösen“. „Die Knaben am Meer“ entstehen 
nun und die „Reiter am Strand“, „Die Polospieler“ 
und „Die Tennisspieler“. Aber auch in der neuen Lage, 
den neuen Leuten gegenüber, bleibt er immer der 
selbe. Wie er die „armen Leute“ nicht heroisierte oder 
sentimentalisierte, so liegt ihm nun den sportlichen 
Nichtstuern der oberen Stände gegenüber jede nobi 
litierende Geste fern. Immer bleibt er der kühle, fühl 
lose, stille, nüchterne, natürliche Beobachter und 
Weltwiedergeber. Augenblicke kommen zuweilen, wo 
die Farbe sich vordrängt, wie in der „Papageienallee“ 
oder in den „Gartenbildern von Wannsee“, aber sie 
sind nur vorüberhuschende Unterbrechungen der 
SfleRordpreise 
Aus London wird uns geschrieben: 
C h r i s t i e hatte am 8. Juli seinen Rekord-Tag. 
Bei einer Versteigerung, die im ganzen nur drei 
Stunden in Anspruch nahm, wurde die bisher 
am englischen Kunstmarkt unerreichte Summe von 
1 9 2.4 5 1 P f u n d S t e r 1 i n g für 1 3 2 B i 1 d e r 
erzielt. Der Hauptanteil hieran gehörte der von 
Montreal nach der Themsestadt zur Verstei 
gerung gebrachten Sammlung James Ross, die 
in weniger als einer Stunde mit ihren 29 
grauen Palette .. . nicht anders als einst — unter 
Millet’schen Einfluß — einen Augenblick lang — ein 
stärkeres seelisches Mitgehen mit den Bauern- und 
Arbeitergestalten aufflackerte . . . und wieder ver 
schwand. Man hat eben manchesmal Anwandlungen. 
Aber man ist Berliner gqpug, um diese Rührselig 
keiten, diese romantisch-sozialen Anwandlungen, 
rechtzeitig wieder abzustreifen, durch sie nicht den 
kühlen Ton der künstlerischen Situation und Kompo 
sition verderben zu lassen. 
Diese „geniale Nüchternheit“, diese nicht „neue“, 
aber ehrliche „Sachlichkeit“ allerersten Ranges mußte 
Liebermann natürlich zum Portätmaler kat’exochen 
prädestinieren. Der ist er denn auch geworden. Von 
seinem „Elternbild“ bis zum Bode, vom Fürsten Lich- 
nowsky bis zum Hindenburg liegt eine lange Reihe 
von Bildnissen vor. Lauter Dokumente unserer Zeit. 
Unbarmherzig, ohne Schmeichelei, ohne Konzession 
gemalt. Absolut ehrlich-sachlich. Innerhalb dieser 
Ehrlich-Sachlichkeit aber voll Großzügigkeit, Geist- 
reichheit, sprühender Charakteristik. 
* 
Im Namen der Akademie, deren Präsident der 
Jude Liebermann nun schon seit vielen Jahren ist, im 
Namen der Sezession, deren hochverehrter Führer er 
seit langer Zeit ist, hat er vor einigen Tagen der 
Jubilantin Käthe K o 11 w i t z gratuliert. Ein Rinn- 
stcinkünstler der Rinnsteinkünstlerin. Ein Symptom 
unserer geänderten Zeit. Max Liebermann ist eine 
Macht in Deutschland geworden. Einer steht einmal 
an offizieller und angesehener Stelle, der es wirklich 
verdient. Und er wird hoffentlich noch lange da 
stehen. Sein Werk wächst noch immer von Jahr zu 
Jahr und wenn er 89 wie Michelangelo oder 99 wie 
Tizian geworden sein wird, wird er — innerhalb des 
ihm nun einmal gesteckten und begrenzten Rahmens 
— wieder wo anders stehen. Denn er hat die wach 
sende Kraft des Nüchtern-Lebendigen in sich, der in 
Berlin arbeitet und die Weite desJuden, der in Europa 
lebt. Man hat ihn den „König des deutschen Impres 
sionismus“ genannt. Mit Recht. Aber, das hat ihn 
nie blind gemacht gegen andere Richtungen, gegen 
andere Künstler, die neben ihm gearbeitet haben, 
denen er die Bodenringeln gefeuchtet hat. Richtungen 
kommen — und Richtungen gehen. Seine aber bleibt 
dauernd erhalten, jenseits von Mode und Vorurteil, 
wie ein Leuchtturm in der Nacht, der chaotischen 
Jugend unserer Tage hingestellt: denn er ist an der 
Natur orientiert. 
Andere Zeitgenossen haben mit ihm um die 
Palme der impressionistischen Führerschaft gerungen. 
Corinth, der mit Blut, und Slevogt, der mit leicht 
flüssigem Champagner, und Uhde, der mit verdünn 
tem Meßwein gemalt hat. Aber Liebermann ist Sieger 
geblieben: er hat nur mit Geist und Wahrheit und 
Unbestechlichkeit gemalt. 
6ei Gfiristie. 
Bildern einen Erlös von 1 3 2.1 1 1 Pfund erbrächte. 
Den höchsten Preis errang ein Rembrand t, das 
Porträt eines Mannes, das unter dem Namen „Admiral 
Tromp“ in der Literatur bekannt ist und der von der 
Firma Agnew nach einem Anfangsangebot von 
10.000 für 31.000 Pfund erstanden wurde. Romneys 
Porträt der „Lady Sullivan“ wurde für 17.850 Pfund 
von der New-Yorker Firma Kno edler, die gleich 
falls Franz Hals’ „Bildnis eines Mannes“ für 5600 
Pfund kaufte, erworben. Ein kleines Bild von Tur-
	        
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