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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 17
einer der typischen Bildhauer Ornamentiker, die die
primäre Anlage immer wieder zum figürlichen und
dekorativen Motiv drängt. Er ist in seiner Frühzeit
einer der geistreichsten Ornamentiker des Rokoko
überhaupt, später wird auch er zahm und ruhig. In
seiner Frühzeit hat er nur unter den Süddeutschen
äquivalente Kräfte, kaum unter den Franzosen. Die
französische Schulung hat er nie verleugnet, aber die
geistige Provenienz ist da Nebensache, wo ursprüng
liche Anlage, ungemeine Phantasie und unerhörtes
Feingefühl den übernommenen Formen neues Leben
verleihen, daß sie wie nie Gesehenes neu und selb
ständig wirken. Auf dem Gebiete ornamentaler Er
findung gibt es nichts Geistreicheres und Kapri
ziöseres als Nahls Skizzen zu den Wänden des Bronze
saales im Potsdamer Stadtschloß. Sie sind wie Im
provisationen eines ostasiatischen Künstlers über das
Thema: Girlanden, Muschel, Reiher.
Wenn auch Nahl bald von Berlin weggezogen ist,
seine Ideen haben weitergelebt. Seine Erfindungen
sind von seinen Mitarbeitern, den Bildschnitzern
H oppenhaupt und dem Stecher M e i 1 weiter
entwickelt und schließlich vergröbert worden. Der
ältere Johann Michael Hoppcnhaupt ist in Merseburg
1709 geboren und dort gestorben. Er hat im Berliner
Schloß mitgearbeitet, wo er nach Nahls Entwürfen
1745 das Schreibzimmer, in Sanssouci, wo er das
Konzertzimmer 1755 ausgeführt hat. Wahrscheinlich
von seiner Hand ist das Konfidenz-Tafelzimmer im
Potsdamer Stadtschloß. 1746 hat er für verschiedene
Räume des Schlosses Zerbst die Täfelungen geliefert.
Sein jüngerer Bruder Johann Christian, der in Berlin
nach 1778 gestorben ist, hat eine fruchtbare Tätigkeit
entfaltet. Im Schloß Sanssouci (Schlafzimmer 1746 und
Blumenkammer oder Voltairezimmer 1752/53, Kleine
Galerie), im Charlottenburger Schloß, im Potsdamer
Stadtschloß (Schreibkabinett des Königs 1746/47), im
Neuen Palais in Potsdam, wo er als leitender Deko
rateur tätig war und bei einigen Räumen auf radierte
Entwürfe seines Bruders zurückgriff. Diese Entwürfe
sind 1751 —1755 von J. W. Meil radiert worden. Sie
geben in ihrem Reichtum an Motiven uns wenigstens
einen Fingerzeig über die künstlerische Provenienz
des Stiles.
Nachklänge älterer Vorlagen von Cuvilli6s sind
mit Anregungen, die von Nahl ausgingen, in einer
persönlichen, freien, phantasievollen Formensprache
verschmolzen.
Verkauf von Serard’s „fJireuzigung“.
Ein altniederländisches Meisterwerk aus dem
Stift St. Florian in Oberösterreich ist, wie wir
hören, in der jüngsten Zeit in den Besitz der Berliner
Kunsthandlung von Paul C a s s i r e r übergegangen.
Es handelt sich um die bedeutende Darstellung
einer „Kreuzigung“, die von Max J. Friedländer
als ein Frühwerk des Gerard David bestimmt wurde.
Das Gemälde, das in der Komposition auf Van
Eyck zurückgeht, stand unter den Schätzen des
oberösterreichischen Stiftes, das durch den Zyklus
seiner Altdorfer Bilder berühmt ist, (— sind die noch
dort? Frage der Redaktion), an erster Stelle. Die
Erwerbung des kostbaren primitiven Bildnisses war
außerordentlich schwierig. Nicht daß das Bundes
denkmalamt in Wien irgendwelche Einwendungen
gegen die Ausfuhr erhob — das ließe, wie wir schon
einmal erwähnt haben, den Stephansdom ausführen,
wenn nur die 10-prozentige Taxe erlegt wird, — die
Schwierigkeiten kamen von der Kurie in Rom, die
lange nicht die Zustimmung zum Verkauf erteilen
wollte. Schließlich gelang es aber Cassirer doch,
diesen Widerstand zu besiegen.
Die in Rede stehende „Kreuzigung“ war, wie sich
unsere Wiener Leser erinnern werden, als Leihgabe
in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums
aufgestellt. Man dachte angeblich sogar an den An
kauf, es fehlten aber dem Museum die hiezu nötigen
Mittel.
Sfleisterwerke engfisefier 37la(erei.
Die Ausstellung der „Meisterwerke englischer
Malerei aus drei Jahrhunderten“ die jetzt in der
Wiener Sezession zu sehen ist, ist wohl eine der
repräsentativsten nationalen Ausstellungen Englands.
Durch die Auswahl einzelner Werke der höchsten
Vollendung, durch die Gegenüberstellung der ver
schiedenen Epochen wurde ein vollständiges Bild der
englischen Malerei gegeben.
Die individuelle Unabhängigkeit und die Mannig
faltigkeit der Technik sind vielleicht die wesentlich
sten Züge der britischen Malerei. Flämische und hol
ländische Einflüsse sind bei den früheren Porträtisten
zu beobachten, venetianische und französische bei
Reynolds und seinen Zeitgenossen, während bei den
modernen der Einfluß aller Epochen und Bewegungen
zu verfolgen ist. Wenn einige der hervorstechendsten
Kunstbewegungen des Kontinentes in England spurlos
vorübergegangen zu sein scheinen, so hat dies seine
Ursache darin, daß die Neigung auf mittelalterliche
Formeln zu reagieren stärker ist. Denn das Land, das
eine reiche Kunst des Mittelalters hinter sich hat, ist
ganz besonders von seiner alten großen Kunst be
herrscht. Die frühe Hinwendung zum frischen und
luftigen Aquarell zeigt sich besonders bei Wilson und
Gainsborough. Die bahnbrechenden Werke Flaxmans
und Will. Blakes symbolisieren den Uebergang ins
Mystische.
Unter den zahlreichen Werken der Ausstellung
■ragt das Bild Cathe Catheinres Counteß of Notting
ham von Gheeraerts the Younger hervor. Ein Damen
bildnis William Hogarths, der Fluß Dee von
Richard Wilson, zwei prächtige Porträts Magaret
Fischers und das eines Geistlichen von Thomas
Gainsborough zählen zu den kostbarsten
Stücken der Ausstellung. Unvergleichlich sind auch
eine Cupido und Psyche sowie das Bild Henry Rum-
bolds von Reynolds. Dabiel Gardner mit seinen
meisterlichen Gruppenbildern ist durch die Familie
Watson Taylor und die Familie Eroll vertreten. Eine
große Zahl wunderbarer Mädchenköpfe, unter denen
besonders George R o n n ey und John Hoppner
hervorstechen, wie auch Bildnisse von Henry Ras
born und Thomas L a w rence vervollständigen
ihre Epochen. Große Meisterwerke von John Con
stable, Dante R o s s e 11 i finden sich neben ganz
ausgezeichneten zahlreichen Bildern jüngeren Datums.