Internationale
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
19. Jahrgang. Wien, 1. April 1927. Nr. 7.
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Der hundertste Todestag Beethovens hat der
Stadt Wien willkommene Gelegenheit geboten, eine
Beethoven- Ausstellung zu veranstalten. In
verblüffender Fülle sind im Rathause aus den städti
schen Sammlungen und aus Sammlerbesitz Gegen
stände, Dokumente und Bilder zusammengetragen
worden, die mit dem Tonheros in mittel- oder un
mittelbarem Zusammenhänge stehen. Durchschreitet
man die Räume, so erhält man nicht nur einen Ueber-
blick über das Lebenswerk Beethovens, sondern wird
auch in die Welt eingeführt, aus der sein Schaffen
zu verstehen ist.
Im ersten Raum ist das Stadtbild der Beet
hoven-Zeit festgehalten, dann sieht man die zahllosen
Wohnhäuser, die der unstete Mann im Laufe der Jahre
bewohnt hatte, sowie andere Gebäude, die der Meister
gerne besuchte. Auch die Personen, die mit diesen
Stätten in Verbindung stehen, werden uns vorgeführt.
Ein zweiter Raum ist der zeitgenössischen Lite
ratur und Kunst gewidmet. Hier fesseln besonders
Beethovens Briefe an Goethe, dann das reiche
Material, das die innige Verbindung Beethovens mit
Grillparzer veranschaulicht. Konversationshefte
des tauben Beethoven, die Gespräche mit Grillparzer
enthalten, Notizen über seine Kompositionspläne der
„schönen Melusine“ sind die interessantesten Doku
mente dieser Abteilung. Auch die dramatischen Werke
Raimunds, die zu Lebzeiten Beethovens geschaffen
wurden, sind hier angereiht. In mehreren Schaukasten
sind Zeitungen und Zeitschriften, die zur damaligen
Zeit erschienen sind und Kritiken über Beethoven ent
halten. Hier ist besonders ein Bericht über die Erst
aufführung des „F i d e 1 i o“ erheiternd, in der der
Rezensent meint: „Die Musik hat einige hübsche
Stellen, aber sie ist sehr weit davon ent
fernt, ein vollkommenes, ja auch nur
ein gelungenes Werk zu sein.“
Das dritte Zimmer ist sozusagen das Allerheiligste
der Ausstellung. Hier empfängt man ein lebendiges
Bild von Beethovens Leben und Schaffen.
An zahlreiche Dokumente aus der Bonner Zeit, unter
denen sich auch die Handschrift eines Klavierquartet
tes aus dem Jahre 1785 befindet, reihen sich Ma
nuskripte von Arbeiten aus Beethovens Wiener Lehr
jahren. Interessant ist Beethovens Uebertragung einer
Fuge von Bach für Streichquartett. Beethovens Haus-
r a t, sein Schreibtisch, seine Geige, ein Violoncell
gewähren die weihevolle Empfindung der beinahe
körperhaften Nähe des Meisters. In zehn Schaukasten
gegliedert, gruppiert sich das Schaffen Beethovens,
nach den verschiedenen Kompositionsgattungen ge
ordnet. Zahlreiche Liederhandschriften und die Skiz
zen zu den letzten Streichquartetten, die O r i g i n a 1
h a n d s c h r i f t der Partitur der Neunten Sym-
p hon i e, des Violinkonzertes, der Frühlingssonate
bieten sich dem ehrfurchtsvollen Blick dar. Ein Schau
kasten ist den Beziehungen Beethovens zu seinem
Neffen gewidmet.
Beethovens K r a n k h e i t und Tod werden in
einer eigenen Gruppe behandelt. Erschütternd wirken
das letzte Testament und die letzten Schriftzüge. —
Diplome und Medaillen, die der Tondichter erhielt,
gibt es in Hülle und Fülle. Von größtem Werte ist
auch die nach der Zeit geordnete Reihe aller erhal
tenen Beethove n-B i 1 d n i s s e. Viele Schaukasten
sind mit Beethovens Werken angefüllt.
Einen weiten Raum nimmt die Musik u m
Beet li o v e n ein, wobei nicht nur die vielen un
bekannten Zeitgenossen, sondern auch Mozart,
H a y d n und Schubert ausführlich berücksichtigt
sind. Das Musikleben und Verlagsleben der Epoche
wird durch Briefe Beethovens belegt, die Instrumenta
lsten, die in Beethovens Kunst eine Rolle spielten,
vertreten. Den B ü h n enwe r k e n Beethovens gilt
die letzte große Abteilung.
Mit einer IJebersicht über die bildende Kunst der
Beethoven-Zeit schließt die Ausstellung, die der Sorg
falt des Leiters der Sammlungen, Reuth.er, das
schönste Zeugnis ausstellt. Den musikalischen Teil des
Katalogs, ein stattlicher Band, hat Dr. Alfred O r e 1
mit großer historischer Akkuratesse und viel Liebe
verfaßt. Dieser Forscher baute auch einige Räume
systematisch auf, während die anderen durch Dr.
W a g n e r und Dr. Biberhofer eingerichtet
wurden.
Die Beethoven-Ausstellung wird jedem Besucher
zweifellos eine ganz ungewöhnliche Fülle von An
regung und Belehrung vermitteln.