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Internationale Sa mmler-Zeitu n g
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einiger weniger großer Meister handelt, das seltenste
Material am Kupferstichmarkt. Es ist keine Ueber-
treibung zu sagen, daß ein großer Teil der hier ange
botenen Blätter kaum je wieder auf den Markt kom
men wird. Die größten Kostbarkeiten enthält wohl
zweifellos die Abteilung der Inkunabeln des
Holzschnittes, die nicht weniger als 23 inter
essante Einblattdrucke umfaßt und eine
Sammlung von zirka 250 farbigen Clair-
obscur-Schnitten aller Schulen, eine be
sondere Liebhaberei des unseren Lesern wohlbekann
ten Wiener Sammlers Josef Wünsch, der in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das umfangreiche
Material dieses Katalogs zusammengebracht hat. Bei
der Durchsicht des Katalogs staunt man immer wie
der, wie viele bedeutende Schnitte, auch der bekann
ten Meister des 16. und 17. Jahrhunderts, es gibt, die
man seit Jahrzehnten nicht auf dem Kupferstichmarkt
gesehen hat.
Der Katalog mit seinen ausführlichen wissen
schaftlichen Angaben und dem reichen Bildermaterial
wird ein Handbuch des Kunstsammlers bleiben, wie
die Kataloge der Sammlungen Davidsohn oder
Adalbert von Lanna.
Extißris und Geßraucfisgrapfiik.
‘Von tTUfred LKaufmann (‘Wien.)
Beinahe solange wie cs Bücher gibt, gibt es auch
Bücherzeichen, Exlibris. Das Exlibris ist aus dem Be
dürfnis hervorgegangen, den Eigentümer des Buches
zu verzeichnen, ohne das Buch durch eine hand
schriftliche Eintragung zu verunstalten. Ursprünglich
hatte man handgemalte Exlibris, das Wappen des
Eigentümers darstellend, später wurden diese Wap
penbilder gedruckt und um es kunstvoller zu ge
stalten, gestochen oder radiert. Nach einem langen
Verfall erlebte diese schöne Sitte gegen Ende des
19. Jahrhunderts eine Renaissance, als große Künstler,
berühmte Graphiker neben ihren anderen Werken
auch Exlibris schufen. Zu den größten Kostbarkeiten
gehören die Exlibris von MaxKlinger, LudwigThoma,
Welti, dann später Bastanicr, Soder usw. Jede bessere
Bibliothek, von den Klosterbibliotheken angefangen,
bis herab zu den bescheidenen Bibliotheken der
Studenten hatte in jedem Band das Exlibris des
Besitzers. Leider ist in unseren Tagen diese schöne
Sitte nicht mehr so allgemein, als sie um die Jahr
hundertwende war. Es entstehen wohl auch heute
nicht weniger Exlibris, als früher, nur die Besteller
sind weniger zahlreich, dafür sehen wir, daß einzelne
Personen eine große Anzahl Eigenblätter besitzen.
Die Erklärung ist sehr einfach. Es sind Exlibris
sammlungen entstanden, man tauscht sein eigenes
Blatt gegen das Blatt des Anderen. Die Sammler sind
in ständiger Verbindung miteinander und um immer
wieder neues Tauschmaterial zu haben, brauchen die
Sammler immer wieder neue eigene Blätter. So gibt
es heute in Deutschland bereits einige Exlibris
sammler, die über je 200 eigene Platten und noch
mehr verfügen, wobei es selbstredend ist, daß auf die
künstlerische Qualität und Ausstattung des Exlibris
der größte Wert gelegt wird. In der schweren wirt
schaftlichen Not der Künstler ist dies ein Lichtblick,
haben doch unsere Graphiker seit einigen Jahren fast
gar keinen Absatz für ihre freien, nur zur Dekoration
dienenden Werke.
Außer dem Exlibris bürgert sich in letzterer Zeit
auch die Sitte ein, Neujahrskarten, Uebersiedlungs-
anzeigen, Verständigungen von der' Geburt eines
Kindes etc. in künstlerischer Weise, in Form einer
Radierung zu versenden und bildet diese Gelegenheits
graphik neben dem Exlibris einen ebenso beliebten
Sammelgegenstand.
Die Entwicklung des Exlibris ist nicht in allen
Ländern gleich. Während England, Frankreich, Italien
in dieser Beziehung noch sehr weit zurück sind und
die Nordstaaten sowie Holland, wohl eine große An
zahl Exlibrisbesitzer haben, jedoch auf die künst
lerische Ausführung sehr wenig Gewicht legen, (hier
ist meistens noch immer das gedruckte Klischee-
Exlibris verbreitet), stehen in dieser Beziehung
Deutschland, die Schweiz, die Tschechoslowakei,
Belgien auf der höchsten Kulturstufe, in einem ge
wissen Abstand dann Oesterreich und Ungarn.
Vor 19 Jahren hatte Wien eine Exlibris-Aus
stellung, wo die ganze Entwicklung des Exlibris vom
16. Jahrhundert bis zu jenen Tagen der neuen Blüte
überblickt werden konnte. Die Götter dieser Aus
stellung hießen Franz von Bayros, Alois Kolb und
Alfred Coßmann. Während der Epigone der Rokoko
künstler, dessen Blätter die schönste Zierde einer
jeden Sammlung sind, nicht mehr unter den Lebenden
weilt (und bloß gewissenlose Verleger posthume
Bayros-Exlibris fabrizieren, indem sie aus Zeichnun
gen des Künstlers einzelne Partien zu Heliogravüren
verarbeiten lassen,) sind Kolb in Berlin und Coßmann
in Wien noch sehr aktiv und besonders vom Letzteren
erscheinen jährlich die herrlichsten graphischen Blät
ter. Außerdem haben beide als Lehrer viele tüchtige
Graphiker herangebildet.
Aber auch sonst ist eine neue Generation ent
standen. So verblassen allmählich, die von den Samm
lern früher am meisten geschätzten älteren Künstler
Ubbelohde, Soder, Heroux, Wilm, Broel etc. und nur
Bastanier und Willi Geiger stehen noch sehr hoch in
Gunst. Es dominieren heute die Jungen.
Die hervorragendsten unter diesen Jungen sind
die Deutschen: Karl Bloßfeld, ein Kolb-Sclniler, fabel
haft in der Technik, groß im Entwurf; der famose
Aktzeichner M. E. Philipp, dann Karl Ritter, sehr
originell in der Komposition; Walter Helfenbein mit
seinen spanischen Granden, Michael Fingesten, ein
hypermoderner Expressionist, der Kubist Karl Michel,
Hermann Bauer, einer der witzigsten Köpfe, der
Teufel- und Hexenzeichner Fritz Dornbusch, der
Märchenmaler Steinecke, ferner Max Schenke, Walter
Rehn, Gelbke und viele, viele andere.
Von den Wienern müssen wir auch im Exlibris
den Schöpfer der Beethoven und Mahler Zyklen Arthur
Prinzen in die erste Reihe stellen, dessen Blätter stets !
geistreich und originell sind, dann den talentierten
und phantasievollen Ludwig Heßhaimer (der den
Totentanz schuf), ferner den technisch tadellosen
Richard Lux. Hiezu kommen neuestens die Cößmann-
Schüler, Woytv, Wimmer, Ranzoni jun. etc., die wie
ihr Meister, statt der geätzten Radierung, sich dem
gestochenen Blatt zugewendet haben.
In der Schweiz sind als Nachfolger Söders, Con
rad Strasser, Gilsi, Mock, Anner Gehri tätig, während
in Belgien noch Armand Rassenfosse, Louis Titz und
in Spanien Garcia-Falgas und Molas dominieren.