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Internationale 
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Norbert Ehrlich 
21. Jahrgang Wien, 1. Jänner 1929 Nr. 1 
Sic JCunst, Cxlibris zu sammeln. 
Von Professor Dr. 
Als in den Siebzigerjahren das Interesse für die 
alte deutsche Kunst erwachte, lebte auch die Freude 
am schönen alten Buche und an allem, was damit 
zusammenhing, wieder auf. Die gräßlichen und form 
losen Industriedrucke, die Drahtheftungen, die ge 
schmacklosen Einbände wurden abgelehnt, man be 
gann für die Typen, für die Satzanordnung, für die 
Bindung der einzelnen Bogen, kurz für alles, was 
einst den Ruf des schönen Buches ausmachte, Augen 
zu haben. So entstand um die Achtzigerjahre neuer 
dings das einwandfreie, schöne Buch und wurde reif 
für die Buchillustration der großen Buchkünstler der 
Neunzigerjahre, an deren Spitze Max K 1 i n g e r zu 
nennen ist. Nun gab es auch bald wieder Bücher 
sammler, die Bibliophilengesellschaften gründeten, 
und die Geschichte des Buches, des Buchdruckes, 
des Bucheinbandes und der Buchkleinkunst fand ein 
reiches Feld der Betätigung. 
Da war es selbstverständlich, daß man seine 
neuen, kunstvollen Druckwerke, wie die alten Samm 
ler, nicht verlieren und womöglich noch mit einer 
eigenen persönlichen Note versehen wollte. Aber 
noch mehr, man wollte auch seine Büchersammlung 
wie die der alten Bücherliebhaber ausstatten und es 
lebte das alte vergessene Exlibris wieder auf. Da 
stand man freilich vor einer durch die Zeit beding 
ten künstlerischen Schwierigkeit. Die alten Exlibris 
sind fast durchwegs Wappenexlibris und die neuen 
Büchersammler aus wohlhabenden Bürgerkreisen 
führten keine Wappen mehr. Immerhin half man sich 
in den Jahren von etwa 1875 bis 1895, indem die 
Exlibriszeichner ihre noch ziemlich seltenen Auf 
träge heraldisch zu lösen versuchten. Den völligen 
Umschwung, d ,h. den Uebergang zum freien, von 
aller Tradition losgelösten, künstlerischen Exlibris 
vollzog wohl der Münchner Zeichner Joseph S a 11- 
1 e r, 1895, mit seiner Sammlung »Deutsche Klein 
kunst in 42 (teilweise fingierten) Bücherzeichen«. 
Immer noch auf dem Heraldischen aufbauend, das 
16. Jahrhundert zum Muster nehmend, versucht 
Sattler durch die Anwendung primitiver Berufssym 
bole das Exlibris mit dem Berufe seines Besitzers 
oder dessen Namen in Verbindung zu bringen. Damit 
waren die Fesseln gelockert, der Künstler konnte 
seine Gebrauchsgraphik frei schaffen. Es ist nicht 
uninteressant, daß diese Umwälzung ungefähr mit 
der Zeit des ersten künstlerischen Buchschmuckes 
M ax Klingers zusammenfällt, der gleichfalls nicht 
Johann Pilz (Wien). 
bloße Illustration, sondern künstlerische Deutung der 
Dichtung sein will. 
Nun entstehen Exlibris ohne Zahl und man geht 
kaum fehl, wenn man bloß die Exlibrisradierungen 
bis zur Gegenwart im Rahmen des deutschen Sprach 
gebietes mit etwa 100.000 beziffert. 
Natürlich tauchen auch bald Exlibrissammler auf 
und es werden Exlibrisgesellschaften gegründet, von 
denen der Deutsche Verein für Exlibriskunst und 
Gebrauchsgraphik zu Berlin der bedeutendste ist 
und die Oesterreichische Exlibrisgesellschaft in Wien 
1., Drahtgasse 3, eben das 25. Jahr ihres Bestehens 
gefeiert und durch ihr »Oesterreichisches Jahrbuch 
für Exlibris und Gebrauchsgraphik« auch öffentlich 
bekundet hat. 
Diese Sammler und Sammlergesellschaften sind 
sicher an dem Entstehen von mehr als der Hälfte 
der modernen Exlibris schuld, aber auch daran, daß 
nunmehr viele Exlibris, ganz frei von ihrer Bestim 
mung, den Besitzer eines Buches anzuzeigen, ge 
schaffen werden. Man tauscht und will tauschen und 
denkt nicht daran, eine kostbare Radierung, die man 
sich von einem namhaften Künstler anfertigen ließ, 
in ein Dutzendbuch zu kleben. Man verwendet das 
Exlibris höchstens für seine kostbarsten Werke und 
— zum Tauschen, denn man bekommt seinerseits 
such nur teure und wertvolle Radierungen, wenn 
man solche selbst in Tausch zu geben hat. 
Dies ist gewiß schon eine Unsitte und sie hat 
das Exlibris seiner natürlichen Bestimmung als Ge 
brauchsgraphik entfremdet. Aber es läßt sich nicht 
leugnen, daß es dadurch als Freigraphik zur Schöp 
fung zahlloser graphischer Kleinkunstwerke Anre 
gung bot. 
Freilich ist damit das Sammelgebiet des Exlibris 
fast unübersehbar geworden und da vernünftiges 
Sammeln immer spezialisieren heißt, so ist eine Er 
wägung, welche Exlibris man zu sammeln beabsich 
tigt, mindestens für den Anfänger äußerst ratsam. 
Am einfachsten, aber kostspieligsten ist es, 
wirkliche alte Exlibris zu sammeln. Freilich ist eine 
solche Sammlung auch am wertvollsten. .Alte Ex 
libris sind oft seltener als das Buch, in dem sie ge 
funden werden, sind der Schatz des Antiquars und 
der Bibliotheken. Kaum einem Besitzer wird es ein 
fallen, das kostbare Exlibris eines Vorgängers der 
Sammelfreude eines Dritten zu opfern und es aus 
seinem Buche entfernen zu lassen. Bei der Entfer-
	        
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