Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
21. Jahrgang Wien, 15. Mai 1929 Nr. 10
Der Viennensia-Sammler Seorg €ckL
Die Zahl der großen Viennensia-Sammler
schrumpft in bedenklicher Weise zusammen. Mit
Georg Eckl, der am 4, Mai im Alter von 65 Jahren
starb, ist einer der wenigen davongegangen, die wir
noch besitzen. Seine Viennensia-Sammlung reichte
nach dem Zeugnis eines Berufenen* „zwar nicht in
die lichten Höhen eines Haydinger, eines Karajan,
eines Feil, eines Hauslab oder eines Wiesers hinein,
aber gleichsam vom Abendrot dieser untergegange
nen Sonnen schön beglänzt, bildete sie das letzte
Bindeglied zu diesen stolzen Namen hin und fußte in
ihren besten Traditionen, da Eckl seine großen Vor
bilder mitunter an Opfermut oder in der kunstsinni
gen und kennerischen Wahl sogar übertraf und über
dies noch so manche Schätze erwerben konnte, die
seine Vorgänger hüteten.“
Georg Eckl war, wie er oft im Freundeskreise
erzählte, noch nicht zwanzig Jahre alt, als ihn der
Sammelteufel gepackt hatte, der ihn nie mehr los
ließ, Wie andere junge Leute Gast- und Kaffeehäuser,
so besuchte er Antiquariate, Trödler und Auktionen
und reihte allgemach Band an Band, Blatt an Blatt,
bis seine Sammlung kaum in zwei geräumigen Bi
bliothekssälen Platz hatte. Er sammelte alles und
jedes, das sich auf seine Vaterstadt bezog. Zunächst
wie ein richtiger Wiener, der für das Theater etwas
übrig hat, Theatralia, Ausgaben alter Theaterstücke,
Theaterplakate und Theaterzettel, Bilder von Schau
spielern und Sängern etc. Dabei berücksichtigte er
gleicherweise alle Techniken, Lithographie, wie
Kupferstich, Holzschnitt, wie Photographie usw.
Berühmt waren seine Spezialsammlungen, die
sich gut in den Rahmen seiner Viennensia einfügten.
Da war eine Blättersammlung „Wiener Moden und
Typen“, die eine Reihe der auserlesensten Fein-
schmeckereien für Sammler bot. Eine andere Sonder
sammlung zeigte Wiener Fuhrwerke, Darstellungen
von der Bürgermiliz, von den verschiedenen Türken
belagerungen, vom Schützenwesen, von der Univer
sität, von der Wasserversorgung Wiens u. dgl. mehr.
Zu den kuriosesten Dingen gehörte seine Samm
lung von ,,H ofansage n“, die nicht weniger als
269 kaiserliche Kundmachungen aus dem Hofleben,
darunter sämtliche Parten, Todes- und Trauungs
parten, Ball-Ankündigungen des Hofes vom Jahre
1780 an bis in die Regierung des letzten Habsburg-
*) Gustav Gugitz im Vorwort zum ersten Auktions
katalog der Sammlung Eckl.
Lothringers, Karl I. im Jahre 1916 umfaßte. Kaum
weniger kurios war die Spezialsammlung der „U r-
t e 1“, die schriftliche Ausfertigung der Urteile für
die Gäste der Hinrichtungen enthalten. Das erste
dieser „Urtel“ betrifft die Justifizierung eines Rats
herrn der Stadt im 17. Jahrhundert, das letzte eine
Flinrichtung im Jahre 1916.
Sehr interessant war seine Sammlung von
Postbüchel n, die sich über ein ganzes Jahrhun
dert erstreckte und unseres Wissens nirgends mehr
in dieser Volltändigkeit anzutreffen ist.
Große Mappen bargen Tausende von Blättern
mit den ältesten Ansichten von Wiens Straßen,
Plätzen, Häusern, Sehenswürdigkeiten etc. Beson
ders zu erwähnen wären die Kupferstiche aus
Löschenkohls Verlag, von denen einige gerade
zu als Unica anzusprechen waren. In anderen Map
pen stieß man auf Briefe von alten berühmten Wie
nern und Persönlichkeiten, die man dazu zählte, von
Beethoven, Mozart, Strauß Vater und Sohn, Lanner,
Kriehuber, Waldmüller und vielen anderen. Eckl hat
auch Spielkarten aller Zeiten gesammelt und
eine ganz respektable Kollektion zusammengebracht;
von den künstlerischen Gratulations- und Visiten
karten der Biedermeierzeit mochten nicht viele in
seiner Sammlung gefehlt haben.
Seinen größten Stolz bildete aber seine 1848 e r-
Sammlung, die an Vollständigkeit vielleicht nur
noch der des Freiherrn von H e 1 f e r t nachstand,
der die Zeit mitgemacht und sozusagen an Ort und
Stelle sammeln konnte. In dieser 1848er-Sammlung
findet sich schlechtweg alles, was sich auf die denk
würdige Epoche bezieht; Maueranschläge, Flug
blätter, Erlässe, Gelegenheitsgedichte, das erste zen
surierte Gedicht „Die Universität“, von Ludwig
August Frankl, Pamphlete, Karikaturen, Broschü
ren über Zensur, Hausherren, Juden, Liguorianer,
Nationalgarden, Polizei, Prostitution, Radetzky,
Studenten, Theaterskandale etc. Ein Päckchen ent
hält Passierscheine, eine polizeiliche Einrich
tung, unter der unsere Vorfahren sehr gelitten haben,
da sie den freien Verkehr behinderten. Wer nur das
Stadttor überschritt, mußte einen solchen Passier
schein haben. In dieser Abteilung figuriert auch das
erste in Oesterreich ohne Zensur gedruckte
Buch, „Oesterreichs glorreichste Tage, der 13., 14.
und 15, März 1848“ von F. C. Schall, das bei
H a a s im selben Jahre erschien und die erste Schil
derung der Revolution enthält.