Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
21. Jahrgang Wien, 1. Oktober 1929 Nr. 19
Der Nachlass Cntil Weinbergers,
Sine Sensationsauktion in Wien.
Noch vor der Versteigerung der Sammlungen
Albert Figdors, deren Termin übrigens noch nicht
feststeht, wird Wien seine Sensation haben: Die
Auktion Emil W einberge r, die C, J. W a w r a
gemeinsam mit dem Kunstauktionshaus Glück
selig und dem Kunsthändler Richard L e i t n e r
vom 22. bis 24. Oktober im Festsaale des Schwar
zenberg - Kasinos, I., Schwarzenbergplatz Nr. 1,
durchführt.
Emil Weinberger, einer der Chefs des Bank
hauses Lieben & Co, in Wien, ist etwa vor einem
Menschenalter in den Kreis der Wiener Sammler
getreten; bis in die letzten Wochen seines Lebens
— er starb als Achtzigjähriger am 18. Februar die
ses Jahres — war er mit unermüdlichen Eifer um
den Ausbau seiner Sammlung bemüht. Was der
Wiener Kunstmarkt in dieser Zeit zu bieten ver
mochte, war ihm umso leichter zugänglich, als ihn
durch Jahrzehnte die engste Freundschaft mit Dr,
Albert Figdor verband, dem er im täglichen Um
gang manches Geheimnis äbzulauschen wußte; und
mehr als ein Stück ist, wie dem Katalog zu entneh
men ist, aus der Sammlung des Freundes durch
Tausch in die seine gelangt. Auch auf ausgedehnten
Reisen in Deutschland, England, Frankreich und
Italien war er auf die Erweiterung seiner Sammlung
bedacht und hat — namentlich in Paris und Florenz
— gerade die kostbarsten Stücke erworben. Wer
diese Sammlung in ihrer gewählten Aufstellung, von
dem kundigen Besitzer geführt, kennen lernen durfte,
wird den Eindruck des organischen Zusammenhanges,
der für den einheitlichen und gestaltenden Ge
schmack des Besitzers zeugte, nicht aus dem Ge
dächtnis verlieren.
Die künstlerische Einstellung Emil Weinbergers
war aber nicht etwa allein Ausdruck seiner Persön
lichkeit, sondern wurzelte in seiner Umwelt. Durch
das Wirken begabter Kunstfreunde, wie Eugen Miller
von Aichholz, Hans Graf Wilczek und Dr. Albert
Figdor, war eben in Wien ein Stück spätromanti
scher Tradition länger als anderwärts lebendig und
die Verbindung des Kunstsammelns sowohl mit der
allgemeinen Anteilnahme an Fragen der Kulturge
schichte, wie mit dem Streben verknüpft geblieben,
neben dem einzelnen Meisterwerk der hohen Kunst
auch die besten Leistungen des Zeitstils im Kunst
gewerbe zu erfassen und durch eine vornehme
Wohnkultur bildhaft zu machen.
So wenig wie für die anderen Sammler seiner
Generation war für Emil Weinberger jemals der Ge
sichtspunkt der kunstgeschichtlichen Bedeutung
oder gar der Rat eines „Experten" maßgebend. Daß
aber viele Werke seiner Sammlung in der kunst
geschichtlichen Literatur einen festen Platz ein
nehmen, spricht dafür, daß Emil Weinberger dem
eigenen Urteil ruhig vertrauen durfte.
Der Katalog, eine drucktechnische Leistung
ersten Ranges, der alle Objekte in vorzüglichen Re
produktionen wiedergibt, gliedert das reiche Ma
terial in elf Abteilungen, Steinzeug, Hafnerkeramik,
Majolika und Glas haben den Vorrang, Ein flüchtiger
Blick schon zeigt uns, daß da das Beste vom Besten
vereint ist, Objekte, die ehedem die Sammlungen
von Kennern wie W a 1 c h e r von M o 11 h e i n
(Wien), Har ding (London), Mo linier (Paris),
Pringsheim und andere geschmückt haben.
Bei einer Eckkachel aus der Zeit um 1510 ver
merkt der Katalog: „Die wenigen bisher bekannten
Stücke sind fast alle in der Sammlung Bondy.“ Bei
einem Groteskenteller mit dem Wappen der Augs
burger Patrizierfamilien Weisen und Ihenisch (Ur-
bino, 16, Jahrhundert) ist Dr. Albert Figdor als Vor
besitzer genannt, bei anderen Objekten, wie einer
großen Majolikavase aus Ascieno, wird darauf hin
gewiesen, daß ein gleiches Stück sich in der Samm
lung Figdor befindet.
Unsere Abbildungen zeigen zwei große Majo
likateller. Fig. 1 einen Bildteller aus Toskana vor
1500, auf dem zwischen zwei Bäumen ein galop
pierender Feldherr oder Herzog mit Szepter, im
unteren Teil des Bildfeldes vor einem netzartigen
Grund ein Windhund einen Hasen jagend zu sehen
ist. Am Rand je zwei Schuppen- und Rankenfelder
zwischen Radialstreifen mit Blattmotiv, Malerei in
Blau, Gelb, Goldbraun und Grün auf weißem Grund,
Unterseite goldbraun glasiert,
Fig, 2 ist ein Majolikateller mit Gold- und
Kupferlüster, Gubbio um 1530. Im Mittelfeld der ge
fesselte Amor mit verbundenen Augen; am Rand
feld auf blauem Grund ausgesparte Palmetten und
Voluten. Cremefarbene rötliche Glasur, tiefes Ko
baltblau, Goldlüster und Kupferlüster. Rückseite:
Cremefarbene Glasur mit lüstrierten Spiralen,