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INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
Nr. 10
einen kleinen Teil der selbst von Wilhelm von Bode
abgegebenen Kunstwerke aufführt — und ich kann
davon leider den von mir oft verteidigten großen
Gelehrten nicht freisprechen. Die deutschen Kunst
freunde würden bestürzt sein beim Anblick der Liste
der ohne zwingenden Grund im Stillen abgegebenen
Werke des öffentlichen deutschen Kunstbesitzes.
Diese Verluste sind umso schmerzlicher im Hinblick
auf den unter dem Zwange der Not erfolgenden, von
staatlichen Autoritäten allzusehr betreuten Ausver
kauf der Kunstschätze der ehemaligen Fürstenhäuser
und des Privatbesitzes Deutschlands und Oester
reichs, und wirken geradezu grotesk, wenn man sich
vergegenwärtigt, daß der Staat gleichzeitig ein Ge
setz zum Schutz der national wichtigen Kunstwerke
mit Strafbestimmungen und ausführlichen Verzeich
nissen geschaffen und den Kunstbeamtenapparat
erheblich ausgebaut hat. Niemand wird gegen ver
ständige, unter möglichster Kontrolle der Oeffent-
lichkeit durchgeführte Tauschgeschäfte und Abgaben
etwas einzuwenden haben, wie sie mit vorbildlicher
Sorgfalt und Kennerschaft z, B, die russische Kunst
verwaltung zum Zwecke der Abstoßung überflüssi
gen Ballastes durchführt,
Darf ich Sie, sehr verehrter Ministerpräsident,
an den schmerzlichsten Fall in der Reihe unserer
Tauschgeschäfte, an die vor drei Jahren von dem
damaligen Kultusminister genehmigte Abgabe der
beiden Regencezimmer des Kunstgewerbemuseums
erinnern, zugleich eine Mahnung, daß es zur Rück
gängigmachung eines Schrittes dieser Art niemals
zu spät ist, es sei denn, das corpus delicti habe die
Grenzen des Landes schon überschritten. Denn diese
Zimmer waren bereits aus dem Besitze der staat
lichen Museen in den des französischen Kunsthan
dels übergegangen, französische Agenten waren eben
beschäftigt, die Vertäfelungen aus den Wänden zu
lösen, als der Herr Minister auf meine pflichtmäßige
62.000 dfiavk für
Aus Berlin wird uns berichtet:
Die Frühjahrsauktion bei Hollstein & Pup-
p e 1 war reich an Ueberraschungen. Die größte
wohl waren die 62.000 Mark, die für Dürers
Kupferstich »Erasmus von Rotterdam« gezahlt wur
den. Es ist dies der h ö c h s te Preis, der jemals für
ein Blatt von Dürer erzielt wurde. Der bisherige Re
kord waren die 42.000 Mark, die vor einigen Jahren
auf der Versteigerung Hägens in Leipzig für
ein anderes Hauptblatt Dürers »Adam und Eva« er
reicht wurden.
Die Taxe für den »Erasmus« lag bei 15,000 M,
einem Preis, der dem internationalen Marktwert des
Blattes entsprach. Ein amerikanischer Händler,
Kennedy (New York), bot zuerst gegen G i 1 h o -
f e r & Ranschburg (Wien-Luzern) bis zu 20.000
Mark, dann sprang C o 1 n a g h i (London) in die
Bresche und es entwickelte sich ein heißer Kampf
zwischen diesem und S e ß 1 e r (Philadelphia), bei
welchem schließlich Seßler den Sieg davontrug.
In weitem Abstand von diesem Dürerpreis hiel
ten sich die Preise für die anderen Blätter dieses
Meisters: die namhaftesten sind 6400 Mark für den
»Raub der Amymone«, 6000 Mark für den »Christus
am Oelberg« und ebensoviel für eine Eisenradierung.
A.uf die Kupferstiche folgten die Holzschnitte
Dürers, allen voran das »Marienleben«. Die Folge
— 20 Probedrucke, die wahrscheinlich aus Dürers
Besitz stammen — wurde wie der »Erasmus« mit
Veranlassung durch die Vertreter des deutschen
Holzarbeiterverbandes, also durch einfache Arbeiter,
ungeachtet aller von den staatlichen wissenschaft
lichen Autoritäten vorgebrachten Gründe und aller
zu befürchtenden juristischen Bedenken bezüglich
bereits eingegangener bindender Verpflichtungen,
zur Rücknahme der Genehmigung bestimmt wurde,
Die Fachvertreter des preußischen Landtages haben
damit den preußischen Staat vor einem Verlust be
wahrt, der — ebenso wie dies, nur noch im höheren
Maße, im Falle der Abgabe der Nefretete geschehen
wird — in internationalen Kennerkreisen allgemein
Heiterkeit erweckt haben würde.
In Erinnerung an den glücklichen Ausgang die
ser aus formalen Gründen zuerst als hoffnungslos
bezeichneten Rettungsaktion und eingedenk des Um
standes, daß der Volksstaat sich zum Ziel gesetzt
hat, unsere Bildungsinstitute einer höheren Men
schenbildung dienstbar zu machen, glaube ich der
Stimmung der erdrückenden Majorität des kunst
verständigen Publikums Ausdruck zu geben, wenn
ich an Sie, sehr verehrter Herr Ministerpräsident,
den Appell richte, zu verhindern, daß unsere Mu
seen eines ihrer gerade in dieser Hinsicht bedeut
samsten Werke verlieren.
Nicht nur der Dank des Landes wäre Ihnen
sicher, sondern auch die Achtung des Auslandes, be
sonders des ägyptischen Volkes wie namentlich der
angelsächsischen Völker, vor einer Staatsregierung,
die trotz der auf dem Lande lastenden schweren
Zeitverhältnisse ein Herz für die Erhaltung seiner
Kulturschätze sich bewahrt hat und dafür eintritt!
In vorzüglicher Hochachtung
ergebenst
ProL Dr. Hermann Schmitz.
Neubabelsberg, den 5. Mai 1930.
Dürers „Crasmus“.
15.000 Mark ausgeboten, stieg aber rasch auf 130.000
Mark, um welchen Betrag sie C o 1 n a g h i zuge
schlagen wurde. War der Preis auch doppelt so
hoch, wie der des »Erasmus«, so erregte er nicht an
nähernd die gleiche Sensation, da man von vorne-
herein damit gerechnet hatte, daß die Folge, die in
dieser außerordentlichen Qualität wohl noch nie auf
dem Markte war, sehr hoch gehen werde.
Von anderen Holzschnitten Dürers wären noch
hervorzuheben die »Heilige Familie mit den Hasen«,
für die 8000 Mark, und die »Hl. Katharina«, für die
2500 Mark gezahlt wurden.
Von den Blättern anderer Künstler sind zu er
wähnen: Das Bildnis Phauser von Hans Seb. Lau
te ns a c k brachte 1400 M, die Apostel Thomas und
Jakobus von Meckenem 2000 M. Unter den
schönsten Rembrandt - Blättern brachten »Land
schaft mit den drei Hütten« 31.000 M, »Abrahams
Opfer« 2550 M, die »Landschaft mit dem Jäger«
3000 M, die »Landschaft mit dem viereckigen Turm«
9500 M, die »Landschaft mit der Schafherde« 4100
Mark, »Nachdenkender junger Mann« 2400 M. -—
Zasingers »Aristoteles und Phyllis« erzielte
2900 Mark.
Wenige Tage vor der Auktion zogen Hollstein
& Puppel 83 Blätter zurück, da es sich herausge
stellt hatte, daß sie aus dem Diebstahl in der Ma
drider Nationalbibliothek herrühren. Der Einbringer,
ein Berliner Kunsthändler, hatte sie in gutem Glau
ben, daß sie rechtmäßiges Eigentum des Verkäufers