MAK
Nr. 10 
INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG 
Seite 113 
Auflösung der Bibliothek Srisebach 
Die stille Hoffnung daß die Bibliothek Eduard 
Grisebach auch diesmal, wie schon einmal vor 
einem Vierteljahrhundert, vor dem traurigen Schick 
sal der Auflösung bewahrt werden wird, hat sich 
leider nicht erfüllt: es fand sich niemand, der die ein 
zigartige Büchersammlung in Bausch und Bogen er 
werben wollte oder, was in den heutigen Zeitläuften 
erklärlicher ist, erwerben konnte. Und so erfolgte 
denn an dem festgesetzten Termin (29. und 30. April 
und 1. Mai) bei Martin Breslauer in Berlin 
die Versteigerung, die unter großer Beteiligung von 
Bücherliebhabern und Händlern aus Deutschland, 
Oesterreich und der Schweiz einen großartigen Ver 
lauf nahm. Die Preise überschritten in den meisten 
Fällen beträchtlich die Taxen, was aber angesichts 
der seltenen und vorzüglich erhaltenen Ausgaben 
nicht wundernahm. 
In der Goethe- Serie brachten die Epigramme 
(Venedig 1790, gedruckt bei Johann Unger), die in 
36 Abzügen hergestellt wurden, von denen sich im 
ganzen drei erhalten haben sollen, 1600 Mark, der 
erste Druck der ersten Ausgabe von »Die Leiden 
des jungen Werther« mit dem Druckfehlerverzeich 
nis (Leipzig, in der Weygandschen Buchhandlung 
1774) 475 Mark (Taxe 350), das vollständige Exem 
plar des Werkes »Zur Naturwissenschaft überhaupt, 
besonders zur Morphologie« (Stuttgart und Tübingen 
in der Cottaschen Buchhandlung 1824) mit einer 
handschriftlichen Widmung Goethes an den Geh. 
Oberregierungsrat Schultz auf der Titelseite 1100 M 
(Taxe 700 M). 
Heiß umstritten waren die ersten Ausgaben von 
Grimmelshausen, dem im Jahre 1676 zu Ren- 
chen verstorbenen »ersten deutschen Romanschrift 
steller großen Stiles«. So wurde für seinen 1669 bei 
Johann Fillion gedruckten »Simplicissimus« in 
einem ungewöhnlich schönen Exemplar der hohe 
Preis von 2250 M (Taxe 750) gezahlt, während ein 
ähnliches Exemplar vor einigen Jahren in der Ver 
steigerung Mannheimer nur etwas über 1200 M 
brachte. Für die erste Ausgabe des sechsten Bu 
ches des »Simplicissimus«, das 1669 kurz nach der 
Veröffentlichung des Hauptwerkes selbständig er 
schien, gab man 820 M (Schätzung 400 M), für den 
»neu eingerichteten, vielverbesserten Simplicissi 
mus«, gedruckt bei Johann Fillion, 1100 M (Taxe 
650 M), für den »aus dem Grab der Vergessenheit 
wieder erstandenen Simplicissimus« (1694 bis 1713) 
920 M (Taxe 650 M). 
Das von uns in der Nummer vom 15. April be 
schriebene Erstlingswerk Gerhart Hauptmanns 
»Das bunte Buch«, sowie dessen Korrekturabzüge 
mit den eigenhändigen Bemerkungen des Dichters 
sind nicht versteigert worden. Dagegen brachten die 
aus Schopenhauers Bibliothek stammenden 
Werke großenteils sehr namhafte Preise. Das Kant 
buch von D, Zenisch mit dem Exlibris und hand 
schriftlichen Glossen des Philosophen wurde von 
500 auf 1300 Mark gesteigert; denselben Preis er 
zielte auch die »Exposition du Systeme du monde« 
von Laplace, mit Strichen und zahlreichen ausführ-' 
liehen Anmerkungen Schopenhauers. (Taxe 1200 M.) 
Für das Hauptstück des Grisebach’schen Besitzes 
aus der Schopenhauer - Bibliothek, P o u i 11 e t s 
Werk »Elements de physique experimentale et de 
meteorologie« (Paris 1847) zahlte man 2700 Mark. 
Von Schopenhauers Schriften selbst brachte die 
erste Ausgabe der Abhandlung »Ueber das Sehn und 
die Farben« (Leipzig, Hartknop, 1816) 76 M, die 
erste Ausgabe der ersten Schrift Schopenhauers 
»Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zurei 
chenden Grunde« 155 M. Diese Ausgabe, in 500 
Exemplaren gedruckt, wurde größtenteils Maku 
latur. Schopenhauer erhielt, wie G w i n n e r uns 
erzählt, nicht einmal das Geld dafür, 'weil der 
ganze Rest der Auflage zur Konkursmasse der Ru- 
dolstädter Commissions - Buchhandlung gezogen 
wurde. 
Ueber Einzelheiten der Versteigerung wird noch 
zu sprechen sein. 
Authentisch falsch! 
Aus Paris wird uns gemeldet: 
Sammlern, Kunsthändlern und den unfehlbaren 
Museumsdirektoren ist der Schreck in die Glieder 
gefahren, seitdem es bekannt geworden ist, daß seit 
Jahren Bilder der französischen impressionistischen 
und neoimpressionistischen Schule, insbesondere 
aber Millet, Monet, Corot, Cezanne, Sisley gefälscht 
und zu hohen Preisen verkauft wurden, 
Als Urheber der Bilderfälschungen ist ein Mann 
namens Millet eruiert worden, der sich als Enkel 
des berühmten Malers gleichen Namens entpuppte: 
sein Werkzeug war der Kunsthändler C a z e a u. 
Wie die Kompagnie zustande kam, hat Millet mit 
staunenswerter Offenheit erzählt. Eines Tages ging 
Millet in der Rue Bonaparte spazieren, als ihm in 
der Auslage eines kleinen Ladens ein Bildchen auf 
fiel. Er trat in den Laden und erkundigte sich nach 
dem Maler. ,Das ist ein Millet“, sagte der Händler, ,So, 
das interessiert mich, ich bin nämlich ein Enkel 
Millets.« Das nun interessierte Herrn Cazeau und 
er lud den Besucher sofort ein, in das Hinterzimmer 
zu kommen. Hier entwickelte sich nun eine lange 
Konversation, deren Ergebnis eine Abmachung zwi 
schen Millet und Cazeau war. Cazeau würde Bilder 
aus der Zeit der Impressionisten zusammenkaufen 
und übermalen, Millet hätte die Signatur seines 
Großvaters darauf zu setzen. Der Enkel verstärkte 
noch den Anschein der Echtheit dadurch, daß er 
Briefe anfertigte, in denen angeblich sein berühm 
ter Großvater erwähnt, dieses oder jenes Bild ge 
malt zu haben. Auch für einen »Experten« war ge 
sorgt, der in zweifelhaften Fällen angerufen wurde. 
Es war das ein Spanier namens Perez, der in 
Höfen Gitarre spielte und sang und den Cazeau ka 
valiermäßig ausgestattet hatte, um ihm das Air eines 
vornehmen Mannes zu geben. Perez verstand wohl 
von Bildern nichts, aber er trat mit einer Sicherheit 
auf, die imponierte und kein Bedenken in die Rich 
tigkeit seiner Gutachten aufkommen ließ. 
Die G. m. b. H. funktionierte ausgezeichnet. In 
nerhalb zweier Jahre wurden in und außerhalb Paris 
falsche Millets um eine Million Francs placiert. Die 
meisten gingen über den Kanal, nach London. Auf 
die Dauer konnte man aber nicht Millets erzeugen 
und so wurden Dutzende von Corots, Sisleys, Cezan- 
nes angefertigt und an den Mann gebracht. Unter 
den Opfern befand sich auch der Direktor des 
Millet-Museums von Barbizon, Mr. Douin, der 
nicht wenig darauf stolz war, einen »Mann am 
Pflug« von Millet um den lächerlichen Preis von
	        
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