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INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
Nr. 12
Frau Margarethe Walz, mit ihrem Gatten, dem
pens, Oberbürgermeister von Heidelberg, Dr, Walz,
erschienen, die einige Objekte zum Andenken
kauften.
Auf dem Podium, das sehr geschmackvoll von
roten Vorhängen abgeschlossen war, saßen die Lei
ter der Auktion, S, Glückselig, der Seniorchef
des Wiener Kunstauktionshauses, Dominik Arta-
r i a, der Chef der Kunsthandlung Artaria & Co., und
Dr, Walter Feilchenfeldt, der Mitinhaber des
Hauses Paul Cassirer (Berlin), Das nicht leichte
Amt des Ausbieters war dem pens. Justizsekretär
C i h 1 a r anvertraut.
Mit den herrlichen Bildteppichen und den
Bildwirkereien setzte am 11, Juni die Auktion
ein. Die erste Nummer war ein nordischer Teppich
aus dem 17, Jahrhundert, der den hl. Hubertus dar
stellt. Da man von der in Wien sonst üblichen An
führung der Schätzungspreise Umgang genommen
hatte, war man sehr gespannt, wie der Teppich aus
gerufen werden würde. Wird man das Beispiel Chri-
sties oder anderer großer englischer Kunsthändler
nachahmen, die mit einem ganz geringfügigen Betrag
beginnen, oder wird der Schätzungswert als Aus
rufspreis dienen, das waren die Fragen, die man sich
im stillen stellte. Die Auktionsfirmen haben sich für
den letzteren Vorgang entschieden und so wurde
Nr, 1 mit 1500 S ausgeboten, die rasch auf 3800 S
hinauflizitiert wurden. Und so gings mit jeder wei
teren Nummer, nur daß die Schätzungspreise immer
höher wurden, Ein französischer Wandteppich um
1500, der mit 1500 S ausgerufen wurde, klomm auf
31,000 S hinauf, ein historischer Wandteppich aus
dem 15. Jahrhundert erreichte 19.000 S. Viel bemerkt
wurde, daß der Wiener Sammler Oskar Bondy
fleißig mitbot, ein Schweizer Kissen um 1585 mit
dem Bilde der ungetreuen Königin eroberte er sich
um 7000 S, ebenso eine Schweizer Bildwirkerei des
15. Jahrhunderts »Teufel und Engel um eine Seele
ringend«, die er beharrlich auf 7000 S hinaufsteigerte.
Bei einem Fragment eines Schweizer Wandteppichs
aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts ging er noch
bis 65.000 S mit, dann überließ er Bernheimer
(München) das Feld, dem das prächtige Stück mit
70.000 S zugeschlagen wurde. Bernheimer erwarb
noch den Bildteppich »Cosmas und Damian«, A.argau,
Ende des 15, Jahrhunderts, um 48.000 S, den Bild
teppich mit der Szene aus dem »Busanit«, Elsaß oder
Basel, 15, J., um 54.000 S, den Teil eines Wandtep
pichs »Goldwägerin«, Schweiz, Ende des 15. J., um
24.000 S und endlich einen Nürnberger Bildteppich
aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, den
Tod Marias darstellend, um 170.000 S, Für 120.000 S
kaufte A. S, Drey einen Schweizer Bildteppich aus
der Mitte des 15. Jahrhunderts, »Wilde Leute und
Tiere«, für 200.000 S Madame Constantino
(New York) einen Bildteppich mit Ahasver und
Esther, Brüssel, um 1500
Bewegung ging durch den Saal, als das Haupt
stück der Sammlung, der große Bildteppich
von T o u r n a i, aus der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts, mit der durch ihre Realistik
packenden Gerichtsszene, aufgezogen wurde Der
Teppich war auf 350.000 S geschätzt, wurde aber nur
mit 200.000 S ausgerufen. Einen Moment atemlose
Stille; dann gehts in Sätzen von 50.000 S auf 700.000
Schilling. Wer ist der Ersteher? Ein Flüstern im
Saale, jeder tippt auf einen anderen, bis man endlich
authentisch erfährt, daß Direktor Slomann vom
Kopenhagener Kunstindustriemuseum ihn erstanden
hat. 700.000 S + 20% = 840.000 S, ein schöner
Preis, aber auch ein ganz einzigartiges Stück, das
bald eine Sehenswürdigkeit des dänischen Museums
sein wird.
Sehr groß war das Interesse für die nun folgen
den Samt- und Seidenstoffe des 14. bis
18. Jahrhunderts, wie sie in derartiger Qualität wohl
kaum noch im Handel waren. Kein Wunder, daß
der »Samt- und Seidensammler« Marcell von N e -
m e s hier auf dem Posten war und die besten Stücke
an sich brachte. Unter anderen einen venetiani-
schen Samt, Mitte des 15. Jahrhunderts, für 55.000 S,
einen italienischen Samtbrokat mit Granatapfel
muster, um 1440, für 11.000 S. Mit 65.000 S bezahlte
Loevi (Venedig) eine Kasel aus mehrfarbigem
Samtbrokat, Venedig, Anfang 16. J. Den höchsten
Preis für Samt, 75.000 S, erzielte ebenfalls ein vene-
tianischer Samt, erste Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Schwächer war das Interesse für Stickereien und
Spitzen. Das wertvollste Stück, einen Altarbehang
in Seidenplattstich, Böhmen, zweite Hälfte des
14. Jahrhunderts, bezahlte die Wiener Antiquitäten
händlerin Paula Oberländer mit 70.000 S. Das
Berliner Schloßmuseum erwarb den Behang eines
Betthimmels, Schweiz oder Elsaß um 1470, um
26.000 S, Brummer einen französischen Behang in
bunter Petitpoint-Stickerei aus der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts um 14.000 S,
Sehr hohe Preise brachten die Knüpftep
piche. Das wertvollste Stück, ein Perser Garten
teppich aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts,
wurde von Direktor Dr. Schestag für das Oester-
reichische Museum erworben: der Kaufpreis von
130.000 S'geht auf Rechnung der 5% igen Ausfuhr
abgabe, die von den Eigentümern der Sammlung zu
entrichten ist. Alfred Cassirer erstand für Baron
Thyssen einen Ispahan, um 1600, um 95.000 S und
einen iranischen Knüpfteppich, 17. J., um 26.000 S;
Lieben (Wien) sicherte sich einen Perser aus der
zweiten Hälfte des 17. J, um 38.000 S, Bernheimer
einen Perser aus der ersten Hälfte des 17. J. um
32,000 S und einen chinesischen Knüpfteppich um
6000 S. Von den Zinngeräten des 16. bis 18. J.
erwarb Oskar B o n d y das wertvollste Stück, einen
ostdeutschen Zinnkrug aus dem Ende des 15. Jahr
hunderts um 39.000 S. Schwersenz (Berlin) er
stand im Aufträge eines deutschen Sammlers einen
Breslauer Zinnkrug, um 1500, um 34.000 S, das Ber
liner Schloßmuseum eine Zinnkanne von Annaberg,
16. J., um 10.000 S.
Bei den Goldschmiedearbeiten aus
Kupfer und Bronze waren die Hauptkäufer F i -
scher (Luzern), Drey (München) und Stephan von
A u s p i t z. An der Versteigerung der kirchlichen
Geräte nahmen insbesondere die Franzosen teil,
Sensation erregte es, daß B r i m o (Paris! den Knauf
eines Krummstabes, Bronze, ziseliert und vergoldet,
französisch um 1180, Schule von Verdun, mit 30.000
Schilling bezahlte. Bei den italienischen Mö
beln wieder legten sich die Amerikaner ins Zeug,
die denn auch eine Reihe der prachtvollsten Möbel
eroberten. So gehen ein Florentiner Tisch aus dun
kel gebeiztem Nußholz vom Anfang des 16. Jahrhun
derts und ein anderes weltberühmtes Stück, die
Reisetruhe der Medici, ins Museum nach Philadel
phia. Das erste Stück kostet 48.000 S. das letztere
55.000 S. Brummer erstand neben anderen Möbeln
die geschnitzte, polvchromierte und teilweise ver
goldete fischtruhe (Cassone) der Isotta da Rimini
um 48.000 S und das zweite Hauotstück der Samm
lung. den berühmten Strozzi-Schemel um
140.000, beziehungsweise 168.000 S.
Es war ein Moment höchster Spannung, als der