Nr. 2
INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
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dem Szepter urteilverkündend aus. Die Zuschauer um ihn aiber
verhalten sich recht unbeteiligt. Nur ein Schreiber sieht be-
dienklich-überrascht auf. Die Söhne knien. Der eine hat das
Gesicht eines Bauernjungen und sieht, das Todesurteil entge-
genmehmend, mehr dumm-überrascht als entsetzt oder gefaßt
aus; der andere bittet mit vorgestreckten Händen abwehren-d
um Gnade. Während Rembranidt Einzelheiten wie den schon
mit anderen monarchistischen Verschwörern bevölkerten
Richtpfahl im Anschluß an Livdus wdedergilbt, ist er dem Histo
riker doch nicht in der Wahl des furchtbaren Momentes ge
folgt, den die Buchillustratoren hier gewählt hatten; die Voll
streckung des Urteils. Mit 20 Jahren steht er hier noch ganz
im Bann seines Lehrers Lastmann, so daß man meint, es müsse
ein genaues Vorbild dieses Künstlers für Rembrandt.s Bild ge
dient haben. Doch hat sich ein solches Vorbild offenbar nicht
erhalten.
(Frans Hals' „Mann mit dem Handschuh" gefunden.) In
Lille hat man eine bedeutsame Kunstentdeckung gemacht.
Auf dem Speicher der Familie Des ca mp fand man ein Ge
mälde, das sich bald als ein Werk des Frans Hals heraus
stellte. Es ist das Porträt eines Mannes mit dem Handschuh,
das immer schon in der Kunstgeschichte bekannt, seit etwa
einem Jahrhundert aber verschollen war. Länger als zwei
Menschenalter befindet sich das Bild im Besitz der genannten
Liller Familie, die ihm nie großen Wert beigemessen hatte.
(„Der rasende Amor" von Caravaggio.) Das Berliner Mu
seum besitzt von Caravaggio, dem großen Begründer des
Realismus in Italien, ein altberühmtes Bild, Amor als Sieger,
Dazu hat sich jetzt in der Sammlung C u t o in Palermo ein
bisher unbekanntes Gegenstück gefunden, das Filippo Meli
jetzt in der „Zeitschrift für bildende Kunst“ veröffentlicht. Es
zeigt Amor in Raserei. Der siegreiche Amor des Berliner Mu
seums stellt den Knaben auf dem Höhepunkt seines Glückes
dar; er hat seine Krait in den Kämpfen der Liehe erprobt und
schwingt den Bogen, Der rasende Amor der Sammlung Cu-to
aber zeigt schon im Körperbau die ersten Akzente einer von
Leidenschaft überströmenden Menschlichkeit. Der Knabe, dessen
Akt übrigens einmal aus moralischen Skrupeln einen Messer
stich an eine Stelle erhielt, die ein Erbe der Familie Cuto
nicht anständig genug hielt, ist in seinem seelischen Gleich
gewicht gestört, in den Augen flackert unheimlicher Wahn
sinn, er rüstet sich zu neuem Kampf, Fügt man dazu den
schlafenden Amor im Palazzo Pitti, so ergibt sich ein drei-
aktiges Drama des Liebesgottes.
(Drei Selbstporträts von van Gogh.) Aus dem Haag
wird uns berichtet: Der Gemälderestaurator Tr aas vom
Museum Mesdag im Haag hat bei der Reinigung einer Anzahl
von Studien Vincent van Goghs, und zwar einer Skizze der
Kartoffelesserin, einer Vogelnesterstudie und eines Stillebens,
nach Entfernung der Kartons, auf denen van Gogh die Skizzen
befestigt hatte, auf der Rückseite der Leinwand sämtlicher
drei Studien Selbstporträts van Goghs wieder aufge-
funden, die aus der späten Pariser Zeit stammen. Die Echt
heit der Porträts steht über jedem Zweifel,
(Der „Totentanz“ Holbeins.) Von einem Engländer wurde
der Stadt Feldkirch für einen spanischen Spätdruck des
„Totentanz“ von Holbein, der einem Band aus der
Bücherei des Hieronymus Münzer beigebimden ist, 1100
Pfund Sterling und zwei Bücher von Münzer angeboten. Die
Stadtverwaltung beschloß mit Mehrheit, den „Totentanz“ ohne
das beigebundene Buch zu verkaufen.
(Die große Matisse-Ausstellung in Berlin.) Man schreibt
uns aus Berlin; Die große Matisse-Ausstellung der Galerien
Thannhauser ist dank der persönlichen Unterstützung des
Künstlers und bedeutender Sammlungen des In- und Auslandes
nunmehr zusammengestellt und wird Mitte Februar eröffnet
werden. Sie umfaßt etwa 80 Oelgemälde des Meisters sowie
eine große Anzahl Zeichnungen, Bronzen und seiner graphi
schen Werke. Die Schöpfungen entstammen den verschieden
sten Schaffensperioden Matisses.
HANDSCHRIFTEN.
Die Handschriften des Prager Nationalmuseums.) Das
literarische Archiv des Prager Nationalmuseums ist in seiner
Handschriftensammlung auf 1 Million Stück angewachsen. In
der Hauptsache enthält es Schriftstücke tschechischer Politiker
und Künstler und die Dokumentensammlung aus der Ge
schichte des tschechischen Nationalstaates. Die Sammlung ist
aber für Deutschland sehr interessant, da zahlreiche Briefe
Humboldts und unveröffentlichte Gelegenheitsgedichte
Goethes darin enthalten sind. Weiterhin enthält die Samm
lung eine umfangreiche Korrespondenz Goethes mit dem Grafen
Stern b erg.
(Historische Schriftstücke in Leningrad gefunden.) Wie
aus Moskau amtlich gemeldet wird, wurden in Lenin
grad in .einem ehemaligen kaiserlichen Schloß wichtige histo
rische Schriftstücke aufgefunden, darunter das Tageibuch
Kaiser Nikolaus- I. sowie Briefe der letzten russischen
Zarin und Wil-hel ms II. Die Schriftstücke werden in
allernächster Zeit vom russischen Staatsverlag veröffentlicht
werden.
NUMISMATIK.
(Hofrat Dr. Franz Thalmayr f.) Aus Linz wird uns ge
schrieben: Mit Hofrat Dr. Franz T h a 1 m a y r, der am 4. Jän
ner verschied, ist ein hervorragender Fachmann auf dem Ge
biete der Numismatik dahingegangien, Er wirkte durch viele
Jahre als Münzreferent am Landesmuseum und verfaßte eine
Reihe wertvoller numismatischer Schriften.
PHILATELIE.
(Neuheiten.) Fürstentum Liechtenstein. 10 R. oliv,
Kimderbildnis des neuen Fürsten Franz I., 20 R. karmin,
neues Bild -des Fürsten, 30 R. blau, Bild der Fürstin Elsa, 70 R.
-braun, Doppelbildnis -des Fürsten und Fürstin, Die erste Auf
lage war in einigen Tagen vollständig vergriffen, eine neue
Auflage wird vorbereitet, — Italien. Erinnerungsmarken an
die Hochzeit des Kronprinzen Umberto,
In Polen steht die Ausgabe einer 75 Groszv-Marke mit
-dem Porträt des Königs Johann S obieski bevor. —
Schweden bereitet eine neue 85 Oere-Marke im Muster
„Krone und Posthorn“ vor. Die Stadt des Vatikans wird
in Bälde 16 Werte von Paketpostmarken ausgeben,
und zwar zu 5, 10, 20, 25, 30, 50, 60 Centesimi und 1, 1.50, 2,
3, 4, 10, 12, 15 und 20 Lire.
(Horthy-Briefmarken in Ungarn.) Aus Budapest wird
uns gemeldet: Anläßlich des lOiährigen Reichsverweserjnbi-
läums Horthys wird die Postdirektion im März Horthy-
Briefmarken aus-geben, die bis Ende d. J, gültig bleiben.
(Die Jubiläumsmarken von Island.) In diesem Jahr be
geht das Parlament in Island -die Feier seines 1000jährigen
Bestandes. Es ist dies das älteste Parlament der Welt, das im
Jahre 930 von eingewanderten germanischen Kolonisten in
Thingvellir, in -der Nähe der jetzigen Hauptstadt Reykjavik,
gegründet wurde. Aus diesem Anlaß gibt Island eine Jubi
läumsbriefmarkenserie von 16 Werten heraus, -die einen gro
ßen Erfolg österreichischer Kunst bedeuten, da sie vom Wiener
Graphiker Ludwig Heßhaimer stammen. Besonders glück
lich ist die ornamentale Lösung der Ju-biläumsbriefmarken.
Die Zierelemente und -die Schrift tragen nordischen Charakter,
geben den Marken ihren eigenen Stil und passen sich in sehr
originaler Weise dem Begriffe „Island“ an, Die jetzigen Frei
marken wurden für die Kurszeit (1. Jänner bis 15. Februar)
außer Kurs gesetzt.
VERSCHIEDENES.
(Auszeichnung.) Dem in Wien und Paris etablierten
Kunsthändler Hugo Engel hat die französische Regierung
unter gleichzeitiger Ernennung zum Experten für Ge
mälde das Offizierszeic-hen -der Palme d‘A ca-
-dern-ie verliehen. Herr Engel ist der erste österreichisch?
Kunsthändler, dem eine derartige Auszeichnung zuteil wird.
(Leopold Schafranek.) In Wien ist am 6. Jänner der
Chef der bekannten Antiquitätenfirma L. Schafranek, Herr
Leopold Schafranek, im 80. Lebensjahr gestorben. Der
Verblichene gehörte einer alten, angesehenen Wiener Anti
quitätenhändlerfamilie an, schon sein Vater betrieb in der Woll-
zeile ein Antiquitätengesohäft, Er selbst hoffte in seinem ein
zigen Sohn Max einen Nachfolger zu haben: Das Schicksal
wollte es aber anders. Max, der jahrelang seinem Vater im
Geschäfte zur Seite stand und sich auch durch Veranstaltung
von Auktionen bemerkbar machte, wurde in der Blüte seiner
Jahre durch -den Tod gefällt. Leopold Schafranek war, wie
viele seiner Berufsgenossen, auch ein eifriger Sammler; seine
Neigung gehörte -den Früherzeugnissen -der alten Wiener Por
zellanmanufaktur. In einer Zeit, wo man den Fabrikaten „vor
der Marke“ noch wenig Beachtung schenkte, legte er Stück
um Stück, das ihm in -die Hände kam, in seine Separatvitrine
und brachte so eine Sammlung zusammen, -die sich sehen lassen
konnte. Erst im vorigen Jahre entschloß er sich, sich von
ihr zu trennen; er verkaufte sie -um einen sehr bedeutenden
Betrag — man nannte 60.000 Schilling — an den Bankier
Tihilemann in Hamburg. Schafranek war Ehrenmitglied
der Vereinigung -der Antiquitäten- und Kunsthändler Wiens,