Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
22. Jahrgang Wien, 15. Oktober 1930 Nr. 20
Die zweite &igdor~Jluktion.
Die zweite, unter Leitung der Herren Geheim
rat Hugo H e 1 b i n g (München), Paul C a s s i r e r
(Berlin), Artaria&Co. und Glückselig G. m.
b, H, (Wien) in Berlin abgehaltene Figdor-
Auktion, über deren Beginn wir schon in der
vorigen Nummer berichten konnten, wurde am 30.
September beendet.
Der zweite Tag der Versteigerung blieb hinter
den Erwartungen zurück und beeinflußte so das Ge
samtergebnis, das immerhin den imposanten Betrag
von 3% Millionen Mark erreichte. Die un
günstige wirtschaftliche Lage, verstärkt durch einen
kurz vorher eingetretenen Kurssturz an der Berliner
Börse wirkte sich aber nicht allein darin aus, daß,
von nicht sehr zahlreichen Ausnahmen abgesehen
(von Bildern: Bosch* verlorener Sohn, das Madonnen
bild von Giovanni di Paolo und der hl. Augustus
desselben Meisters, von Skulpturen und Plastiken:
der R i c c i o, die zwei knienden Engel des Ver-
r o c h i o, der weißglasierte Spiegelrahmen des
Lucca della R o b b i a, die Jesuswiege, von Bronze
geräten das deutsche Aquamanile um 1400, Simson
mit dem Löwen darstellend), keine Rekordpreise ge
zahlt wurden, sondern daß auch ein beträchtlicher
Prozentsatz der Objekte zurückging.
Es befinden sich darunter Werke von hoher
Qualität, wie die vier Porträts von Bartolomäus
Bruyn dem Aelteren, die zwei Tiroler Flügelbilder
um 1450, das Stukkorelief von Desiderio da Settig-
nano — in den Tagesblättern war es irrtümlich
als verkauft angegeben — die Marienskulptur von
Benedetto da Majano, eine Rochus-Statue aus der
Pacher-Schule, ein Nürnberger Kästchen um 1600
und andere. Man konnte es den vielen anwesenden
deutschen Museumsvertretern förmlich von den Ge
sichtern ablesen, wie gerne sie das eine oder andere
Objekt ihren Instituten gesichert hätten, aber die
ihren Museen zur Verfügung stehenden Dotationen
reichten für diesen Zweck nicht aus und so mußten
sie, gewiß sehr schweren Herzens, Zurückhaltung
üben.
Als Käufer der großen Objekte traten vorzugs
weise Holland, Frankreich und Amerika auf: Goud-
stikker (Amsterdam), Stern (Paris), Brum
mer (New York) figurieren auf der unten folgen
den Liste wiederholt als Ersteher. Ungarn, das in
Wien erfolgreich in die Auktion eingriff, machte sich
in Berlin wenig bemerkbar, ebenso Italien, das
übrigens schwach vertreten war. Dagegen hat
Oesterreich, beziehungsweise Wien auch hier ge
zeigt, daß es ein sehr wichtiger Faktor auf dem
Kunstmarkt ist. Man kann, ohne Widerspruch zu
befürchten, sagen, daß Wien an der erzielten
Summe von 3% Millionen Mark mit gut zwei Drittel
partizipiert. Den Löwenanteil hat der bekannte
Sammler Oskar B o n d y, der neben vielen kleineren
Objekten, die aber ins Geld gingen, die Brabanter
„Jesuswiege“ mit den Reliefs der Anbetung dei
Könige um 49.000 Mark und die schöne, aus Buchs
holz geschnitzte Laute aus dem 14. Jahrhundert um
43.000 Mark sich sicherte. Bondy, der der Auktion
beiwohnte, bot selbst nicht mit, sondern ließ für sich
seinen Wiener Vertrauensmann, Herrn E. Bene
dikt und den Berliner Kunsthändler H i n r i c Il
sen steigern, so daß bei vielen von ihm erstandenen
Objekten diese Herren als Käufer aufscheinen.
Außer Herrn Bondy kaufte von Wienern noch Herr
v. Auspitz (direkt und indirekt durch den Kunst
händler Leitner) viel, unter anderem die kunst
volle Tiroler Reliquiarbüste. Erfreulich war, daß
Hofrat Dr. Glück für das Kunsthistorische Museum
in Wien drei wertvolle Bilder und für den (aus den
Mitteln der Ausfuhrtaxen und der Bundesabgaben
der ersten Auktion) gebildeten Figdor-F onds
dieses Museums zwei schöne Holzfiguren eines
Brixener Meisters vom Ende des 15. Jahrhunderts
relativ billig erwerben konnte. So kommen wenig
stens auf diesem Wege einige interessante Objekte
aus der Sammlung ins Kunsthistorische Museum,
das nach dem ursprünglichen Willen des Dr. Albert
F i g d o r der Erbe seines ganzen Kunstbesitzes
werden sollte.
Nachstehend lassen wir die erzielten Preise (in
Mark) folgen, zu denen noch der Zuschlag von
15 Prozent hinzuzurechnen ist:
Gemälde.
1 Griechisch-Byzantinisch, Triptychon 4.200
2 Florenz, um 1200, Maria mit dem Kind (Käufer:
F i s c h e r - Luzern) 21.000
3 Venedig, um 1400, Michael 1,300
4 Jacobello del Fiore, Maria mit Kind (Leitner, Wien) 5.500
5 Florenz, um 1420, Desco (Bottenwieser) 10.500
6—1 Florenz, um 1450, Zwei Legendenszenen (Goud-
stikker, Amsterdam) 4.100
8 Florenz, um 1450, Legende (Goudstikker) .... 6.500
9 Giovanni di Paolo, Maria mit Kind (Agnew) . . 135,000
10 Derselbe, Augustin (Fleischmann) 100.000
11 Verona, um 1460, Atalante (Weisner) 5.200
12 Florenz, um 1470, Legende (Knoedler) ,}’o00
13 Italienisch, um 1470, Votivtafel (Boehler) 1.000
14 Siena, um 1480, Biccherna-Tafel 8.500
15 Siena von 1488, Biccherna-Tafel (A, S. Drey) . . 13.000
16 Francesco Fiorentino, Madonna (Weisner) .... 10^000