Srite 242
INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
Nr, 22
Unter den Porzellanen sind zwölf Teller aus der
Berliner Manufaktur des 18. Jahrhunderts mit lieb
lichen Figuren und ein Altwiener Speiseservice.
Englisches Silber und diverse Nippes vervollstän
digen das Material der Wiener Castiglioni-Auktion,
mit der die Castiglioni-Auktionen wohl abgeschlossen
sein dürften.
Im ganzen hat Castiglioni sechs veranstaltet.
Jluß den Beständen Ulrico JCoepIis.
Am 27. und 28. November bringt Ulrico H o e p 1 i
im Zunfthaus zur Meise in Zürich eine weitere
Serie aus den überaus reichhaltigen Beständen sei
nes Mailänder Antiquariats unter den Hammer.
175 Nummern nur führt der prachtvolle, mit
wissenschaftlicher Gründlichkeit bearbeitete Katalog
an, aber es sind ebenso viele Kostbarkeiten. 73 ganz
seitige Reproduktionen unterstreichen die Bedeutung
des Materials, das eine sehr interessante Auktion
verheißt.
Den Inhalt des Kataloges bilden Autographen,
Handschriften, Inkunabeln und illustrierte Bücher
des 16. bis 18. Jahrhunderts. Unter den A u t o g r a-
p h e n stoßen wir auf Briefe von Alfieri, Eugen
Beauharnais, Carducci, Caterina Sforza, Cavour,
Donizetti, Andrea und Giovanni Doria, Heinrich IV.
von Frankreich, Macchiavell, Napoleon I., Rossini,
Bernardo Tasso, dem Vater Torquato Tassos, Verdi,
Richard Wagner u. a.; die Handschriften ent-
halten wertvolle Stücke aus der Renaissance, so die
Commentarii des Julius Caesar in einem Pergament
manuskript des 15. Jahrhunderts, ein Manuskript
von Ciceros »De Amicitia« und »De Senectute« aus
derselben Zeit, die Epigramme des Martial, des
Psalterium et officium Defunctorum u. v. a.
Die Reihe der Inkunabeln umfaßt nicht
weniger als 69 Nummern (Nr. 52—122). Es sind dar
unter der Traktat über die Gifte von P. Abanus,
Albumasars Schrift »De magnis coniuctionibus«
(Augsburg, Erhard Ratdolt, 1489), die Historia Ro-
mana von Appianus, die Werke von Campanus, die
Storia d'AIessandro Magno von Curtius Rufus, die
Satiren von Juvenal etc. etc. Besonderes Augen
merk verdient die Erstausgabe der Anthologia Grae-
ca Planudea (Firenze, Lorenzo di Francesco de
Alopa II. Agosso 1494), da hier zum ersten Male
griechische Typen zur Verwendung gelangten.
In griechischen Lettern ist auch die Erstausgabe der
neun Komödien von Aristophanes, die im Jahre 1498
bei Aldo Manuzio in Venedig gedruckt wurde.
Von den beiden Ausgaben der Werke des Th.
Barberiis finden wir hier die sehr rare römische von
1481. Eine Inkunabel von größter Seltenheit ist der
Aldus-Druck der Briefe der Caterina da Siena. Sehr
gesucht sind auch die Erstausgaben von Diodorus
Siculus und Tacitus in dem Druck, der 1472 bei
B. Azzoguidi in Bologna erschienen ist. Bemerkens
wert wäre schließlich noch das erste von Aldus mit
einem Datum gedruckte Buch, die Erotemata von
Lascaris Constantinus (8. März 1494).
Von den Werken des 16. Jahrhunderts möchten
wir die bei Giovanni Varassore 1510 gedruckte
»Bible des pauvres Italienne«, von den Werken des
17. Jahrhunderts eine Galilei-Ausgabe in zwei Per-
gamenibänden der Zeit mit dem Wappen der Medici
hervorheben. Von den Werken des 18. Jahrhunderts
nennen wir die Werke des Rabelais in der schönen
Erstausgabe von 1741 mit den Bildern von D. Picart,
die mit Approbation des Königs 1760 in Paris er
schienenen Werke von Racine, die Opere teatrali
von Goldoni (Venezia, dalle Stampe di Antonio Zatta
e figli, 1788—1795) und die englisch-französische
Ausgabe von Miltons »Verlorenem Paradies« von
1792.
Diebstahl der deutschen Verfassungsurkunde von 18%8,
Am 24, Oktober entdeckten, wie uns aus B e r-
1 i n gemeldet wird, Beamte der Reichstagsbibliothek,
daß aus einem eisernen Schrank, der durch ein ein
faches Schloß gesichert war, das wertvollste Stück
der Bibliothek, die V erfassungsurkunde
v o rn 28. März 1848, entwendet worden war. Wann
der Diebstahl ausgeführt worden ist, läßt sich nicht
mehr ermitteln, weil man seit dem November 1929
die Urkunde nicht mehr kontrolliert hatte.
Das Dokument stellt ein Unikum aus der deut- ;
sehen Geschichte dar. Unter dem gedruckten Text {
der 48er Reichsverfassung befinden sich die Origi
nalunterschriften aller Abgeordneten in der Natio
nalversammlung in der Paulskirche. Die Urkunde
ist auf Pergament gedruckt, umfaßt 27 Seiten Text
und 19 Seiten Unterschriften.
Zugleich mit der Verfassungsurkunde sind aus '
dem eisernen Schrank Karikaturen von 1848,
ferner die einzige Reproduktion des wert
vollen Verfassungsdokumentes, ein Exemplar der
Sittengeschichte des Weltkrieges von Magnus
Hirschfe Id und drei Bände »Bilderlexikon der
Erotik«, herausgegeben vom Institut für Sexualfor
schung in Wien, verschwunden.
Der Verdacht der Täterschaft lenkt sich auf
einen bekannten Einbrecher, der nach dem Bekannt
werden des Einbruches in Berlin nicht mehr zu sehen
ist. Es liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß der
Verdächtige mit der gestohlenen Verfassungsurkunde
ins Ausland geflüchtet ist, um sie dort zum Verkauf
anzubieten. Das gestohlene Dokument hat nur Samm
lerwert und wird deshalb schwer zu verkaufen sein.
Ein früherer Fall.
Die Verfassungsurkunde hat übrigens schon ein
mal ein ähnliches Schicksal erlebt. Im Jahre 1852
hatte der ehemalige Schriftführer der Frankfurter
Nationalversammlung Dr. Yucho, der das Archiv
der Paulskirche verwaltete, den Auftrag erhalten,
die Akten der Nationalversammlung und die Ver
fassungsurkunde an den Deutschen Bund auszulie
fern. Yucho war aber diese Uebergabe aus politi
schen Gründen in höchstem Grade unsympathisch.
Er lieferte wohl das Archiv ab, unterschlug aber die
Urkunde, die durch Freunde nach England gebracht
wurde, wo sie lange Zeit bei der deutschen Firma
Sch unk Souchay Co. in Manchester ver
borgen gehalten wurde.
Yucho selbst wurde in einen Prozeß verwickelt,
in dem er beschwören sollte, daß er die Urkunde
keiner dritten Person übergeben habe und daß sie
ihm tatsächlich durch ein von ihm behauptetes, ihm
unbekanntes Ereignis abhanden gekommen sei. Das
Oberste Apellationsgericht der vier freien Sätdte,
zu denen damals Frankfurt am Main noch gehörte,
sprach ihn aber, obwohl er den verlangten Schwur
nicht leistete, frei.