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INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
Nr. 5
Impressionismus. Ihre Freude an den Schöpfungen
ihrer Zeitgenossen war eine rein ästhetische und
künstlerische Angelegenheit. Wirtschaftlich galten
die Werke seinerzeit, als sie von der Oeffentlichkeit
abgelehnt wurden, gar nichts. Inzwischen sind sie
materielle Wertobjekte ersten Ranges geworden. Ihre
nachträgliche Werteinsöhätzung seitens des Kunst
marktes ist begründet auf die künstlerische Qualität,
die seinerzeit diese wenigen Sammler erkannt haben.
Umgekehrt wird also eine wirtschaftliche Ueberle-
gung des Sammlers nur dann ihr Ziel erreichen, wenn,
"Die J^igdor
Nach langwierigen, an Zwischenfällen aller Art
reichen Verhandlungen ist es in der Frage der Figdor-
Auktionen zu einer Einigung gekommen, die Wien
eine, und zwar die e r s t e Versteigerung sichert.
Diese Auktion, deren Durchführung den Kunst
auktionshäusern A r t a r i a und Glückselig
übertragen wurde, wird — der Termin ist noch nicht
endgültig fixiert — Ende Mai vor sich gehen und
mehrere Tage in Anslpruch nehmen. Der Katalog,
der den Geheimrat von Falke zum Verfasser hat,
liegt schon lange im Manuskript fertig vor — nun
kann die Drucklegung beginnen. Es ist eine schöne
Pose der Besitzer der Sammlung, als deren Reprä
sentant der Berliner Kunsthändler Gustav N e b e-
h ay erscheint, daß der Katalog der Wiener Auktion
auch in Wien gedruckt werden wird: es soll auch so
mit den weiteren Katälogen gehalten werden, wenn
die Auktionen in Wien stattfinden.
Die erste Auktion wird, wie ein Kommunique
des Rathauses besagt, die T e x t i 1 i e n, darunter die
berühmten gotischen Samte, 35 Gobelins,
orientalische und Polenteppiche, mittelalterliche
Stickereien und Spitzen, dann Möbel,
darunter den weltberühmten Strozzi-Sessel,
die restlichen (?) gotischen und Renaissance
möbel, ferner Zinngeräte und die Gold
schmiedearbeiten umfassen. Auch die ganz
einzigartige Lorcher-Gruppe soll bei dieser
Auktion unter den Hammer kommen.
Der Ort der Abhaltung der Versteigerung steht
noch nicht fest. Man hielt den prunkvollen Redou-
tensaal der Hofburg, der einst die glänzendsten
Feste des Hofes gesehen, für den geeignetsten Rah
men für diese Auktion, allein bei genauer Prüfung
erwies sich der Saal als zu klein. Er faßt kaum 600
Personen und man muß doch bei dieser Versteige
rung auf einen Massenbesuch rechnen. Auch der
Saal des ehemaligen Militärkasinos, der ungefähr den
doppelten Fassungsraum hat, erscheint als viel zu
klein und man hält noch Umschau nach einem weit
geräumigeren. Vielleicht wird die Wahl auf den
großen Saal des Konzerthauses fallen, der 2000 und
mehr Personen faßt.
Nach den Vereinbarungen, die zwischen den
Veranstaltern der Auktion und dem Bundesministe
rium für Finanzen geschlossen wurden, sind die bei
der Versteigerung erstandenen Kunstwerke von der
Ausfuhrabgabe befreit, Statt der Abgabe
für die einzelnen Objekte haben die Veranstalter eine
Pauschalabfertigung zu leisten, deren Höhe zwar
nicht den gesetzlich vorgeschriebenen zehn Pro
zen t gleichkommt, aber sehr bedeutend sein soll.
Ein A.equivalent für den Geldausfall erhält der Bund
in den Zuwendungen aus der Sammlung, die jetzt
noch durch einen Teil der Objekte ver
mehrt werden sollen, die die Gemeinde
sie, unabhängig von allen persönlichen Meinungen
und Liebhabereien in möglichster Objektivität und
Unvoreingenommenheit dem künstlerischen Wert der
Sammelobjekte gerecht wird. Eine konsequente und
sinnvolle Durchführung des 1 art pour „business
braucht also die Kunst durchaus nicht einseitig ver
gewaltigen oder den unbeteiligten Beschauer nicht
a.bschrecken, sondern im Gegenteil kann sie eine
Anregung sein zu einer gründlicheren Auseinander
setzung mit ihrem, künstlerischen Wert,
«Auktionen.
Wien ab gelehnt hat. Infolge der hohen Pau
schalsumme haben die Veranstalter auch von ihrer
ursprünglichen Absicht, das Aufgeld von zwanzig
auf fünfzehn Prozent herabzusetzen, Umgang genom
men: es bleibt also auch bei dieser Auktion bei den
üblichen Prozentsatz von 20 Prozent, den der Er-
steher zu entrichten hat.
Herr Nebehay hat, wie man uns versichert, die
Absicht, noch zwei bis drei weitere Auktionen
aus den außerordentlich reichen Beständen der
Figdor-Sammlung, gesondert nach gewissen Spezial
gebieten, in Wien zu veranstalten: die endgültige
Entscheidung hängt aber von dem Erfolg der ersten
Auktion ab. Entspricht dieser — und es ist daran
wohl kaum zu zweifeln —• den berechtigten Erwar
tungen, dann soll Wien, wie gesagt, noch zwei oder
drei Figdor-Auktionen sehen, die im Herbst und im
Frühjahr 1931 abgehalten Würden. Andernfalls würde
Herr Nebehay Stücke der Sammlung teils freihändig
verkaufen, teils ins Ausland zur Versteigerung brin
gen. Er würde damit nur von einer Konzession Ge
brauch machen, die ihm., wie man jetzt erfährt, schon
das Kabinett Streeruwitz gemacht hat und die übri
gens kürzlich vom Ministerium Schober ratifiziert
wurde.
Von informierter Seite wird uns mitgeteilt, daß
es in den Intentionen der neuen Besitzer der Samm
lung Figdor lag, alle Auktionen in Wien zu veran
stalten: als Beweis dafür wird ins Treffen geführt,
daß gerade zwei W i e n e r .Auktionshäuser auser
sehen wurden, die Auktionen durchzuführen, was
man gewiß unterlassen hätte, wenn man von vorne-
herein Versteigerungen im Auslande ins Auge ge
faßt hätte. Einzig und allein die unverhältnismäßig
hohe, in Wien eingeführte kommunale Abgabe (5 bis
7 Prozent) habe bewirkt, daß man diese Absicht
fallen lassen mußte. Der Wiener Magistrat stand ge
genüber der Forderung auf Nachlaß von 4 bis 5 Pro
zent auf dem Standpunkt, daß es untunlich wäre,
eine so hohe Reduktion der Abgabe zu gewähren,
wenn die Auktionen in Wien stattfinden müßten.
Erst jetzt, als man erfuhr, daß ein derartiger Zwang
für die Besitzer nicht bestehe, zeigte man sich ge
neigt, unter die unterste Grenze der Feilbietungs
abgabe (5 Prozent) zu gehen, allein es war schon zu
spät. Herr Nebehay erklärte, daß bereits seit langer
Zeit - und er mochte sich nach den Abmachungen
mit dein Kabinett Streeruwitz dazu für berechtigt
halten — so unbedingte Bindungen bestehen, gewisse
Teile der Figdor-Sammlung im Ausland zu ver
steigern, daß er eine Aenderung nicht mehr eintre-
ten lassen könne. Diese Bindung bezieht sich, wie
wir schon früher mitzuteilen in der Lage waren, auf
das Berliner Kunstauktionshaus Cassirer-Hel-
b i n g, dem. es auch Vorbehalten ist, die Gemälde
der Sammlung, die infolge einer befremdenden Intern