Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
23. Jahrgang Wien, 1. Juli 1931 Nr. 13
Die erste &femes~Jluktion in JYiünchen.
Aus München wird uns geschrieben;
Man kann wohl, ohne Widerspruch zu befürch
ten, sagen, daß die Augen der kunstinteressierten
Welt in den Tagen vom 16. bis 19, Juni auf München
gerichtet waren, wo drei internationale Kunsthäuser,
wie Mensing & Sohn (Amsterdam!, Paul Gas
si r e r (Berlin) und Hugo H e 1 b i n g (München), den
ersten Teil der Sammlung Marczell von N e m e s
versteigerten. München selbst war in diesen; Tagen
von prominenten Museumsleuten, von Sammlern und
Kunsthändlern überflutet: nicht nur, daß so ziemlich
alle europäischen Staaten ihre Vertreter entsandt
hatten, auch von jenseits des großen Wassers waren
Interessenten gekommen. Um nur die wichtigsten
zu nennen, es waren Repräsentanten der großen Mu
seen von Cleveland, Cansas City, Boston und New-
York da. Wenn trotz dieser Massenteilnahme der
materielle Erfolg hinter den berechtigten Erwartun
gen blieb — man hatte mit einem Erlös von 5 bis 6
Millionen gerechnet, erzielte aber 3,065.000, bezie
hungsweise mit dem fünfprozentigen Aufschlag Mark
3,524,750 — so lag dies lediglich in der Wirtschafts
krise, die just vor der Auktion noch mancherlei Ver
schärfung erfahren hatte. Es bedeutet aber unbe
schadet dessen einen Erfolg, daß bei dieser Wirt
schaftslage über 3 Millionen Mark für Kunstobjekte
ausgegeben wurden.
Den Löwenanteil haben die Gemälde des 14. bis
18, Jahrhunderts, die an 1% Millionen. Mark abwar
fen. Von den Bildern der italienischen Schulen, mit
denen die Versteigerung einsetzte, errang B e 11 i n i s
„Bildnis des Dogen Loredano mit den vier Nobili“
mit 280.000 Mark den höchsten Preis; Meines hatte
das Bild bei der Auktion Spiridon im Jahre 1929 für
300.000 Mark erstanden. Bellini zunächst rangierte
Fra Angelico, dessen „Anbetung der hl. drei
Könige“ 100.000 Mark erzielte. Es schlossen sich
dann an die Madonna von Filippo Lippi mit 98,000
und das Bildnis des Federigo Gonzaga von Tizian
mit 91.000 Mark. Die beiden andern Bilder Tizians
fanden über 56.000 und 90.000 Mark hinaus keinen
Liebhaber, dagegen wurden die Apotheose des
Aeneas von Gian Battista Tiepolo mit 57,000
(Dr. Meller, München) und das Bildnis eines ältern
Mannes von Tintoretto mit 32,000 Mark zuge-
schla.gen. Weiters brachte das Bankettbild von
Guar di 32,000, der Christus, einen Besessenen
heilend, von Gian Domenico Tiepolo 19.500, die
Verkündigung des Agnolo Gaddi 6000, die Madon
na mit vier Heiligen von Nardio di C i o n e 8000 (A.
S, D r e y, München), die Engel und Heiligen des
Giovanni d e 1 iB i o n di o 6900 und die Madonna
zwischen Heiligen des Zanobi di Macc h i a v e 11 i
9500 Mark (Ä. S. Drey). Das einzige Bild der spani
schen Malerschule, das wundervolle Engelskonzert
von Greco, wurde bei 275,000 Mark der Pinako
thek in Athen zugeschlagen. Von den holländischen
Gemälden brachten: ein Stilleben von Pieter
C 1 a es z 3600, eine Landschaft von Jan van Gay
en 6900 und die Lustige Gesellschaft von Dirk
Hals 7000 Mark. Das Bildnis eines Gelehrten von
Frans Hals kam auf 86,000 Mark.
Rembrandts Gemälde „Fabius Maximus“
wurde bis 335.000 Mark gesteigert: da es aber nicht
das Limit erreichte, wurde es zurückgekauft. Dias-
selbe Schicksal hatte auch des Meisters Bildnis
„Saskia als Göttin Athene“, auf das bis zu 80.000
Mark geboten wurde. Die kleine Madonna von Joos
van Clöve stieg von 4000 auf 22.000 Mark, um
welchen Betrag sie Dr, Hirsch (Genf) erhielt. Die
Beweinung von Jan Provost wurde von 12.000
auf 27,500 Mark hinaüflizitiert, Bei den altdeutschen
Gemälden erreichte der schöne Cranach bloß
13.000 und der AJbrecht Dürer zugeschriebene
Männerkopf, vielleicht weil ein Ausfuhrverbot für
ihn besteht, nur 23.000 Mark, Große Beachtung fan
den die französischen Gemälde und Zeichnungen des
19. Jahrhunderts: eine Felsenlandschaft von Cour
bet wurde bei 8000 und eine kleine Flußlandschaft
von Pissaro bei 10.000 Mark zugeschlagen. Far
bige Zeichnungen von Degas brachten 2500 bis
3800 Mark, während die beiden Rötelzeichnungen
des Hans von Marees nur 700 und 950 Mark er
gaben.
Am zweiten Tage flaute das Interesse merklich
ab. Die berühmte T extilsammlung brachte im
ganzen 690.665 Mark. Es fehlte eben ein Nemes, der
auf das Geld nicht sah, wenn es sich um die Erwer
bung eines seltenen Stückes handelte, Immerhin
waren auch an diesem Tage recht namhafte Preise
zu verzeichnen. So wurde ein venezianischer Samt
stoff aus der Mitte des 15. Jahrhunderts von Löwy
(Venedig), einer Spezialfirma für italienische Samte
und Brokate, um 23.000 Mark ersteigert. Eine vene
zianische Kasel aus der Sammlung Figdor (Wien)
ging für 29,000 Mark in die Schweiz. Zwei italieni
sche Samtbrokate aus dem 15, Jahrhundert erstand
für 11,200 und 11.000 Mark das Cansas-Museum in
Amerika. Ein italienischer Chormantel brachte 10.800
Mark, Zwei zusammengehörige Dalmatiker, itali-