Internationale
^ammter-gci'funf!
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
24. Jahrgang Wien, 15. Juli 1932 Nr. 14/15
*Aus drei berühmten Bibliotheken.
Aus Luzern wird uns geschrieben:
Seit langem gab es kein Ereignis auf dem Bü
chermarkt, das in dem Maße interessiert hätte, wie
die von Gilhofer & Ranschburg am 14. und
15. Juni veranstaltete Bibliothek,sversteigerung,
kamen doch Bestände aus drei berühmten Büche
reien unter den Hammer, Bestände aus den Biblio
theken der russischen Zaren aus Zarskoje
Selo, des Herzogs Albrecht von Sachsen-
T e s c h e n und des Dr, Albert F i g d o r in Wien.
An der Versteigerung nahmen Bibliophile aus
Deutschland, England, Frankreich und der Schweiz
den größten Anteil. Unter den Manuscripten
brachte das mit einer prachtvollen Miniature ge
schmückte Werk von Christine de P i s a n, »Le
Livre des trois vertus ä l'enseignement des Dames«
(Kat. Nr. 4) 1500 Frcs, von den Einzelminiaturen
eine bolognesische Arbeit vom Ende des 13, Jahr
hunderts, darstellend Christus als Weltrichter
(Nr, 30) 1450 Frcs. Die »Architecture franqaise«
von I. F. B 1 o n d e 1, das klassische Werk der fran
zösischen Literatur des 18. Jahrhunderts, mit 500
Kupferstichen (Fig. 41), wurde um den Preis von
1300 Frcs nach Frankreich verkauft. Das schöne
Buch von BoucherFils, das auf 390 Kupferstich
tafeln die französische Inneneinrichtung des 18. Jahr
hunderts vorführt (Fig. 43), wurde für 1800 Frcs von
einem Luzerner Kunsthändler erstanden. Das Haupt
stück der Architektur-Abteilung, das unter Nr. 47
verzeichnete Werk »L'Architecture franqaise« von
Jean M a r i e 11 e, das auf 365 Tafeln die Architek
turen und Dekorationen aus der Zeit Ludwig XIV.
und Ludwig XV. reproduziert, ging um 3100 Frcs an
die Firma Flammarion nach Paris,
In der Abteilung Geographie erzielte die
berühmte Weltkarte des Mercator aus dem Jahre
1569, eines der vier bekannten Exemplare dieses
Werkes, dessen Entdeckung seinerzeit ungeheures
Aufsehen erregte (Nr. 70), 6300 Frcs, Ersteher war
ein Holländer. Die mit Feder und in Farben gezeich
nete Weltkarte des Albertin de Virga aus dem
Jahre 1415 (Nr. 56) brachte 4200 Frcs.
In der Abteilung »A 11 e Medizin« erzielte
die seltene erste Gesamtausgabe von G a 1 e n u s
Werken (Nr. 157) 590 Frcs, das Herbarium vivum,
Bregenz 1562 (Nr. 165) 500 Frcs und Ja c quin s
„Selectarum stirpiüm Americanarum historia“
(Nr. 168), eines der seltensten Werke über amerika
nische Botanik, von dem nach Sir Joseph Banks
nur zwölf Exemplare existieren, 2000 Frcs, Die
Originalausgabe von S e b a s »Locupletissimi rerum
naturalium thesauri« (Nr. 181) fand um 520 Frcs
einen Abnehmer,
Große Anziehungskraft übten die Inkuna
beln aus. Augustinus »De civitate dei«, eines
der schönsten Bücher der ersten Presse Venedigs
(Nr. 193), wurde mit 1650 Frcs bezahlt; die elfte
Deutsche Bibel, Augsburg, Johann Schönsper-
ger, 1487 (Kat. Nr. 196), erreichte 1500 Frcs, die
Erstausgabe von Gellius »Noctes Atticae«, Ro-
mae, Cour. Sweynheim und Arn. Pannhartz, 1469«
(Nr, 204) 3100 Frcs und Nr, 209, »Missala Secundum
Ritum Dominorum ultramontarum«, Veronae (Mau-
fer), 1480, das älteste ungarische Meßbuch und eines
der seltensten Missalia überhaupt, 5000 Frcs. Die
»Editio Princeps der Historiae Naturalis« von P 1 i -
nius dem Aelteren, Venetiis, Joh. de Spira,
1469, eine der seltensten Klassikerausgaben des
15. Jahrhunderts, die nachweislich nur in 100 Exem
plaren gedruckt wurde (Kat. 213), wurde auf 8500
Frcs gesteigert. Dagegen fand Thomas A q u i n o s
»Summa, Secunda Secundae«, Mainz, Peter Schöffer,
1467, die auf 30,000 Frcs geschätzt war, kein An
gebot. Von den Inkunabeln seien schließlich noch
die Opera des Priscianus, Venedig 1470 (Nr. 214)
erwähnt, die mit 1400 Frcs losgeschlagen wurden.
Von den Drucken des 16. und 17. Jahr
hunderts, die hierauf folgten, hat das Missale
Lingonense, Paris, Jean Petit, 1517 (Nr. 228), um
5000 Frcs den Besitzer gewechselt. Die unbekannte
Ausgabe von Guevaras »Libro aureo de Marco
Aurelio emperador«, Valencia, Juan de Molina, 1528
(Nr, 238), fand einen Liebhaber, der dafür 860 Frcs
erlegte. Die Preise für die französische Literatur des
16, bis 18. Jahrhunderts bewegten sich zwischen
20 und 480 Frcs; beachtenswerte Beträge erzielten
Nr. 302 Jean M a r o t s de Caen sur les deux heu-
reux voyages 700 Frcs, Nr. 303 Marots, „L'Ado-
lescence clementine . . . 2400 Frcs und Nr. 331 Ron
sard, Les quatres premiers livrcs, 1600 Frcs.
Von den illustrierten Büchern des
18. Jahrhunderts hat das Louis XVI. gewid
mete »Cabinet du Roy« (Nr. 345) 6700 Frcs, die
komplette Folge der Werke des Piranesi in 32