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einen neuen Typus des „Museums der Idee". Am ausgeprägtesten und 
zugleich am wirksamsten aber ließ sich die neue Absicht bei den Sonder- 
ausstellungen verwirklichen, denen es möglich ist, vorzüglichstes 
Kunstgut für kurze Zeit zu vereinen. Die zweite Ausstellung in der 
Minoritenkirche in Stein-Krems, „Die Gotik in Niederösterreich" im 
Jahre 1959 vertrat diese Art, die der Darstellung einer ganzen Epoche 
galt. Obwohl die Kunstwerke dabei die bedeutendste Rolle spielten, 
wurden auch Geschichte, Kultur, Volkskunst und Kunsthandwerk 
einbezogen. Zum Unterschied zu der ganz ähnlichen Veranstaltung 
„Gotik in Tirol", die in den Räumen des Landesmuseums in Innsbruck 
gezeigt wurde, stand der Ausstellung in Krems ein originaler gotischer 
Raum mit Kapitelsaal und Seitenkapellen zur Verfügung. Der große 
Vorteil war die vorzügliche Übereinstimmung von Raum und Aus- 
stellungsgegenstand. Es sei an die Aufstellung des Verduner Altares 
im freskengeschmückten Seitenschifli, an die Glasfenster in der Krypta 
oder an die Apostelstatuen Luchspergers vor den Pfeilern des Mittel- 
schilfes erinnert. Dieses Einfügen brachte ein Unter- und Einordnen 
der Ausstellungsgestaltung mit sich, was selbst im Kapitelsaal, der den 
Großphotos und Rissen der Architektur gewidmet war, erreicht wurde. 
Der Erfolg von 150000 Besuchern war für die weiteren Veranstal- 
tungen richtungsweisend. 
Ein Jahr später gab die 300. Wiederkehr des Geburtstages von Jakob 
Prandtauer einen neuen Anlaß zu einem großen Vorhaben. Die Aufgabe, 
das Werk eines Barockbaumeisters monographisch zu würdigen, war 
wesentlich schwieriger. Zum Unterschied zu der vier Jahre vorher 
gezeigten Fischer-von-Erlach-Ausstellung war es möglich, ein Bauwerk 
des Künstlers als Ausstellungsraum zu gewinnen: Stift Melk. Dies 
setzte von vornherein eine ganz andere Disposition voraus. Das Werk 
des Architekten, das ausstellungstechnisch nur in Rissen, Plänen, 
Fotos und Modellen faßbar war, mußte dem Gesamtkunstwerk ver- 
bunden werden, zugleich aber eine gemäße Einordnung in die Prunk- 
räume des Stiftes erfahren, die der Besucher, ebenso wie die Ausstellung, 
ablaufgemäß in einer gewissen Steigerung erleben sollte. Der Rundgang 
begann bei der Prälatur, die der Persönlichkeit des Bauherrn Berthold 
Dietmayr und der Geschichte des Stiftes gewidmet war. Die folgenden 
Kaiserzimmer waren chronologisch dem Schaffen Prandtauers ge- 
widmet, wobei neben den historisch politischen Voraussetzungen der 
Zeit auch die Plastiker und Maler, die an dem barocken Gesamtkunst- 
werk schufen, zu Wort kamen. Daran schloß sich in der Bibliothek 
eine allgemeine kulturgeschichtliche Ausweitung des Themas. Das 
barocke Buch, die Theatralingenieure als Konzeptorcn und lnszena- 
toren führten über die Musik wieder zur sakralen Kunst, zu dem 
goldfunkelnden kirchlichen Gerät, das auf den Besuch der Stiftskirche, 
in der sich alle Künste zu einer Apotheose vereinen, vorbereitete. 
Weltliches Gegenstück dazu war der (Iartenpavillon mit seinen exo- 
tischen Fresken und dem Freilichtmuseum der Gartenskulpturen, die 
in ihrer Natürlichkeit jede museale Gestaltung vergessen ließen. Man 
mag erkennen i wenn man diese nur kurz angedeutete geistige Anlage 
überblickt w, wie viele Gesichtspunkte einer Berücksichtigung be- 
dürfen. Eigene technische Hilfsmittel - vor allem der Kino- und 
Vortragssaal, Tonbandwiedergaben von barocker Musik, Theater- 
aufführungen, Orgelkonzcrte und Symphonische Darbietungen - 
waren in diesem kunstvollen Rahmen von Melk ein besonderes Er- 
lebnis. Ein bisher in Österreich noch nicht erreichter Besuch von 
382 O00 Menschen in fünf Monaten spiegelt den Erfolg in Zahlen. 
Der Reingewinn konnte zum Teil der Restaurierung und Erhaltung 
historischer Bauwerke, vor allem der Schöpfungen Prandtauers, 
zugewendet werden. 
Nach zweijähriger Pause war im vergangenen Jahr durch die 100. Wie- 
derkehr der Todestage von Friedrich Gauermann und Leopold Kupel- 
wieser der äußere Anlaß für eine Biedermeier-Ausstellung gegeben. 
Ihr standen drei verschiedene Ausstellungsräumlichkeiten zur Ver- 
fügung. Das Geburtshaus Friedrich Gauermanns war den persönlichen 
Dokumenten der Familie Gauermann und den in Miesenbach ent- 
standenen Kunstwerken gewidmet. Die Postlmiihle im Tal zeigte die 
wirtschaftlichen Voraussetzungen dieses Gebietes, zu der Zeit, als 
Jakob Gauermann hier ansässig wurde. Seine Kunst diente als Auftakt 
zum dritten Teil der Ausstellung, die im Servitenkloster auf dem 
Mariahilfberg untergebracht war. Hausgeschichte, österreichische 
Geschichte, Literatur und Theater leiteten die Kunst ein. Durch die 
persönlichen Beziehungen der Künstler war es möglich, der intimen 
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Note des Biedermeier Rechnung zu tragen. Hauptanreiz der Schau 
aber war es, die Werke der Malerei inmitten jener Landschaft zu sehen, 
die ihre Entstehung inspirierte. Vom Erlebnis des Wanderns auf den 
Wegen zu den drei lokalen Ausstellungen ging ein eigener Zauber 
aus, der den Besucher aktiv an der musealen Schaustellung teilhaben 
ließ. Musik- und Theateraufführungen, vor allem die Raimundszenen 
im Gutensteiner Schloßhof, wurden gleichfalls durch die besondere 
Atmosphäre ausgezeichnet. Trotz einer verhältnismäßig ungünstigen 
Verkehrslage konnte auch diese Veranstaltung den Erfolg von 162 OOO 
Besuchern aufweisen. 
Die gegenwärtige Schau „Paul Troger und die österreichische Barock- 
kunst in Stift Altenburg" knüpft geistig und zeitlich an die Prandtauer- 
Ausstellung in Stift Melk an. Sie ist durch die Innsbrucker Ausstellung 
(1962) vorbereitet. Ein Vergleich aber zeigt sehr deutlich, worauf es 
den niederösterreichischen Veranstaltungen ankommt. Sie wollen das 
einzelne Werk in einen größeren geistigen Rahmen hineinstellen. 
Eine Ergänzung der repräsentativen Ölbilder wurde nur da vor- 
genommen, wo eine Vollständigkeit annähernd möglich ist: auf dem 
Gebiet der Zeichnung, der Druckgraphik und bei der Wiedergabe 
der Fresken. Der Zusammenklang von Entwurf, Studie und Aus- 
führung, die Verbindung von Zeichnung, Ölbild und Fresko stellt 
eine künstlerische Einheit her, die ein Museum nicht zu bieten vermag. 
Die Atmosphäre der Marmor- und Gästezimmer verpflichtete zu einem 
weiteren Schritt: zur Einrichtung mit höfischem Mobiliar und zur 
Ausstellung des Kunsthandwerks dieser Zeit, wobei - zum Unter- 
schied von Melk - vornehmlich die weltliche Kunst in den Vorder- 
grund gestellt wurde. Die Plastiker um Jakob Schletterer, die Archi- 
tekten um Josef Munggenast schließen den Kreis. Die Auswahl der 
Gegenstände forderte eine geistige Einordnung in das große Konzept 
des Bauwerkes. Drei Porträts, das Bild des Mäzens Placidus Much, 
das Jugend- und das Altersbild Trogers, geben den Rahmen. Die 
eingerichteten Marmorzimmer und die Kunst Trogers bilden den 
Auftakt, der Besuch der Stiftskirche den ersten großen Höhepunkt. 
Zwischen diesem bedeutenden Sakralbau und der festlichen Bibliothek 
wurde die Dokumentation der Fresken gelegt, um die Ausstellungsidee 
kontinuierlich fortzuführen. Studien, Skizzen, Fotos und Diapositive 
lassen das Entstehen der Werke verfolgen. Eine Ausstellung der 
Zeichnungen ist in der Bibliothek eingerichtet. Die Antithese dieser 
Verherrlichung der Künste, die Krypta mit ihren Totentanz-Dar- 
stellungen, wurde durch Trauergerüste, barocke Tumben und Kreuzi- 
gungsdarstellungen bereichert. Damit sich aber das eigentliche Thema 
der Ausstellung nicht in einer kultur- und kunstgeschichtlichen Aus- 
weitung verliert, wurde der letzte Raum im Rundgang, der Festsaal, 
einem Hauptwerk Trogers, der über 6m hohen „Steinigung des 
hl. Stephanus" mit allen Vorstudien und Vergleichsbeispielen gewidmet. 
Dieser Zusammenfassung ist als Ausklang ein Bericht über das Leben 
und die Mission dieses Benediktinerklosters angegliedert, um sich 
der Würde und Bedeutung des Hauses, das die Ausstellung gastlich 
aufgenommen hatte, bewußt zu werden. 
Ausstellungen in historischen Bauwerken bringen für ein Museum 
manche Einschränkungen, sie bahnen aber Kontakte an, die unserer 
Zeit oft entschwunden sind. Die vielgestaltigen Räumlichkeiten und 
ihre stets andere geistige Disposition fordern ein Einfügen, das nach 
keinem Schema erfolgen kann. Kernpunkt bleibt die wissenschaftliche 
Arbeit, deren Ergebnisse aber dadurch einem weiten Kreise erschlossen 
werden können, wie dies die bisherige gesamte Besucherzahl von über 
1 O00 O00 beweist. Obgleich die Veranstaltungen nur auf einige Monate 
beschränkt sind, haben sie doch einen bleibenden Wert. Er zeigt sich 
in den Erkenntnissen, die der Katalog in Auflagen bis zu 35 O00 Ex- 
emplaren festhält, an den Restaurierungen der Ausstellungsstücke und 
in den bedeutenden Investitionen an Baudenkmalen selbst. Man kann 
aber auch ein weiteres lebendiges Nachwirken in den kommenden 
Jahren feststellen, was sich in kleineren Ausstellungen, Festspielen und 
Theateraufführungen dokumentiert. Ein bedeutendes Kunstwerk in- 
mitten seiner Landschaft wurde so der Vergessenheit entrissen und 
im Bewußtsein der Menschen zu neuem Leben erweckt. 
Am wichtigsten aber ist es vielleicht, daß dieser neue Weg von 
Kunstausstellungen sich nicht allein mit der wissenschaftlichen 
Erkenntnis und dem ästhetischen Erlebnis begnügt, sondern zu 
den wahren Quellen österreichischer Kunst und Kultur führen 
möchte.
	        
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