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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
25. Jahrgang Wien, 15. Jänner 1933 Nr. 2
Die ersten Sammler.
Die Frage, wer wohl zuerst auf den Gedanken
kam, Kunstgegenstände zu sammeln, wer sozusagen
das Sammeln »erfunden« hat, mag wohl schon man
chen Sammler beschäftigt haben. Die Antwort gibt
nun ein Kunstgelehrter von Ruf, Lothar B r i e g e r,
in seinem neuesten, eben bei G. Grote in Berlin
erschienenen Werke »Die großen Kunst
sammler«, das sich auch als der erste glückliche
Versuch darstellt, in biographischen Skizzen von
hervorragenden Sammlern Bilder gewisser Epochen
des Sammeltums zu geben. Keine Geschichte des
Sammelwesens noch, aber eine gediegene Vorarbeit
zu einer solchen, für die vielleicht keiner berufener
wäre, als der Verfasser des Buches.
Lothar Brieger zerstört gleich im ersten Kapitel
seines Buches,, das „Für Verres“ überschrieben ist,
die noch heute verbreitete Ansicht, daß die alten
Griechen ein kunstsammelndes Volk waren. Den
Anfängen wirklichen Kunstsammelns, schreibt Brie
ger, begegnen wir erst im Hellenismus, also in
einer Zeit niedergehender eigener künstlerischer
Kraft, der das Sammeln großer Vorbilder zum Be
dürfnis und zur Notwendigkeit wurde. Als mit
Alexander das Griechenvolk in die Welt hinein
griff und sich internationalisierte, begann die per
sönliche Freude am Kunstwerk, wuchs die Schät
zung des Künstlers. Pergamon und seine Könige
stehen am Eingänge des Kunstsammelns. »Die bei
den A 11 a 1 o s und der zweite Eumenes sind die
ersten Kunstsammler im Sinne einer moder
nen Auffassung. Sie haben die Leidenschaft des
persönlichen Besitzes und sie schätzen gegenüber der
produktiven Schwäche ihrer eigenen Zeit richtig die
natürliche Stärke vergangener Epochen. Sie sam
meln alte Bilder und alte Plastik, alle erreichbaren
Reste der verschütteten griechischen Kunst, sie grün
den Sammlungen und Bibliotheken, ja hier taucht
zuerst der Gedanke auf, diejenigen Meisterwerke,
die man nicht besitzen kann, wenigstens in Abgüssen
und Kopien um sich zu haben.«
Den Griechen stellt Brieger die Römer gegen
über. „Zur Zeit des Kaiserreiches ist jeder vor
nehme Römer pflichtgemäß ein Kunstsammler und
damit ist die Erbschaft der antiken Kunst für die
Zukunft gerettet. Rom hat die ersten Kunst
auktionen, von denen wir in der Geschichte
hören und sie wurden überall öffentlich angekündigt.
Es war üblich (mit welchem, Neidgefübl werden es
unsere Auktionshäuser lesen), die gekaufte Ware
sofort bar zu bezahlen, und eine Vorbesichtigung
gab den Käufern, wie wir es aus Cicero wissen,
Gelegenheit, ihre Wahl zu treffen. Der öffentliche
Auktionator pflegte ein angesehener und ver
mögender Mann zu sein. Machte doch, wie
S u e t o n erzählt, eines Tages, in Geldnot, der
Kaiser C a 1 i g u 1 a selbst den Auktionator,
indem er die minderwertigen Stücke seiner Samm
lung öffentlich versteigerte und Hofleute, wie
reiche Römer zwang, sie zu sehr guten Preisen
zu erwerben. Bei dieser Gelegenheit schlief
ein an Kunstdingen wenig interessierter reicher
Römer einfach ein. Caligula machte den Ausrufer
darauf aufmerksam, daß der Schläfer bei den ver
schiedenen Bietungen immer mit dem Kopfe wackel
te und als der Unglückliche erwachte, hatte er zu
seinem Entsetzen für anderthalb Millionen Kunst
werke gekauft. Das wirkt wie ein vollkommen mo
derner Zug. Aber außer den Auktionen gab es im
kaiserlichen Rom bereits ein ganzes Kunsthändler
viertel, wie in den modernen Weltstädten, u. zw,
unweit der Villa Publica. Hier waren die Auslagen
mit Bildern, Plastik und Kunstgewerbe jeder Art
überfüllt., hier gab es auch schon richtige Spezial
geschäfte, die sich auf ein einzelnes Gebiet konzen
trierten. Daneben lagen dann die Werkstätten der
einheimischen Kunsthandwerker, in denen sicher
nicht nur eigene Arbeit geleistet, sondern auch
restauriert wurde.«
Als den ersten römischen Kunsthändler großen
Stils bezeichnet Brieger Sulla, der in seiner Samm
lung jenen Herkules des Lysippos besaß, der einmal
Alexander dem Großen gehört hatte. Einen kleinen
goldenen Apollo, aus Delphi geraubt, liebte er be
sonders, trug ihn immer mit sich herum und pflegte
ihn im Kriege vor entscheidenden Ereignissen mit
Inbrunst zu küssen. Rings um Sulla bildete sich ein
Schwarm von Kunstsammlern, die zugleich Kunst
räuber waren. Seine Offiziere Verres und M u -
rena scheuten kein Vergehen, wenn es einem
Kunstwerke galt, Sein Schwiegersohn und Erbe,
Scaurus, übertraf alle seine Zeitgenossen an
Kunstleidenschaft. Als er einmal ein Theater er
richtete, das nur einen Monat stand, konnte er es
mit 3000 Statuen schmücken, die sämtlich aus seinem
Privatbesitz stammten. Er besaß alle Bilder, die
Pausias für seine Heimat Sicyon gemalt hatte.
Scaurus gründete das erste Kabinett mit geschnit-