Das türkische Justizwesen.
(Die türkische Justizgesetzgebung im Allgemeinen und in Bez.ttg auf das
Handelsrecht; die Organisation und Procedur der türkischen Handels
gerichte; das türkische Executionsverfahren.)
Von Consul Sax, mit Beiträgen des Legationsrathes Ritter v. Kosjek.
A. Die türkische Justizgesetzgebung im Allgemeinen
und in Bezug auf das Handelsrecht.
Der Koran, das zwölfhundertjährige, heilig gehaltene Universal
Gesetzbuch der Mohamcdaner, bildet noch die Hauptgrundlage
vieler Rechtsverhältnisse, so namentlich in Angelegenheiten des
unbeweglichen Eigenthumes und des Erbrechtes, sowie theil-
weise in der Beweisführung bei Civil- und Criminal-Processen.
Er ist aber seit einer Reihe von Jahren nicht mehr die einzige
Rechtsquelle, welche er nur so lange bleiben konnte, als die
Rechtsverhältnisse nicht weit über jenen Culturzustand hinaus
schritten, welchen er ursprünglich voraussetzte. Der dem Isla
mismus ganz heterogene Geist der europäischen Civilisation hat
die mohamedanischen Culturbegriffe nicht ganz überwunden,
aber er hat sich neben ihnen im türkischen Staate festgesetzt.
So sind auch neben den sogenannten geistlichen Gerichten (Meh-
kemes), wo der Kadi nach dem göttlichen Gesetze des Propheten
Recht spricht, weltliche Gerichte, zunächst Handelsgerichte und
Untersuchungsgerichte u. s. w. entstanden, wo neuere Gesetze
nach europäischem Muster als Richtschnur gelten.
Hier kommt zunächst das Handelsrecht in Betracht. Das
massgebende Gesetz ist der Code de commerce ottoman vom
Jahre 1847. Er ist dem Code Napoleon entlehnt, und zwar
wurden bei seiner Compilation alle auf commerzielle Angelegen-