Seite 96
INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
Nr. 9
Chronik.
BIBLIOPHILIE.
(Schumann-Fund in Wien.) Der Wiener Musikhistoriker
Karl Geiringer hat im Archiv der Gesellschaft der Musik
freunde. ein unbekanntes Werk Robert 'Schumanns au'f-
gefunden. Es sind acht Polonaisen für Klavier zu vier Händen,
im Jahre 1828 komponiert; sie tragen eine in französischer
Sprache abgefaßte Widmung an die drei Brüder des Kompo
nisten. In den echt Schumannischen Ueberschriften der Trios
(Schmerz, Schöne Heimat, Friede, Der Liebenswürdige, Die
Phantasie, Serenade) hört man schon den großen Klavierdichter
reden. Gar manche melodische Wendung wurde später in die
,,’Paipillons" aufgenommen. Das interessante Manuskript ge
langte seinerzeit aus dem Besitze von Schumanns Tochter
Marie in das Archiv der Gesellschaft der Wiener Musik
freunde.
BILDER.
(Eine großartige Porträtsammlung,) Eine Gabe, um die es
Italien beneiden mag, hat das Britische Museum in
London in der Brocklebank-Sammlung erhalten.
Es handelt eich um die Photographien von 8000 Porträts von
historischen Mitgliedern der großen italienischen Familien, wie
Medici, Sforza, Este, Gonzaga, die eine in Florenz lebende
englische Dame in jahrzehntelanger Sammeltätigkeit zusammen
getragen hat.
(Deutsche Kunsterwerbung für Cambridge.) Da® Fogg-
Museum in Cambridge [U. S. A.) hat ein Werk des deut
schen Malers Johann Liss gen. Pan erworben. Der Künstler,
der nach 1590 zu Oldenburg in Holstein geboren wurde, ge
hörte zu den größten Hoffnungen der deutschen Barockkunst,
aber er ist schon 1629 in Venedig gestorben. Zu den Arbeiten
seiner letzten Zeit gehörte die Cambridger Neuerwerbung, das
Bild der Vision des hl. Hieronymus. Die eigenartige Farbwahl
und die kühne Lichtbehandlung sind kennzeichnend für die
Art des Johann Liss.
VERSCHIEDENES
(Mussolini erbt eine Kunstsammlung.) Die seit langem in
Rom ansässig gewesene und jetzt in der Schweiz verstorbene
Amerikanerin Mrs. Wurts hat Mussolini zum Erben ihrer
Kunstsammlung eingesetzt. Die .Sammlung, deren Wert sehr
hoch veranschlagt wird, enthält namentlich kostbare Teppiche
und Stickereien. Das Vermächtnis umfaßt auch die Summe von
50.000 Dollars, die der Unterbringung der .Sammlung dienen
sollen.
(Baron Franz Nopsca.) In Wien hat der bekannte Pa-
läontolog Baron Franz Nopsca seinen Sekretär im Schlafe
erschossen und dann sich selbst entleibt. Nopsca Unterließ
neben einer stattlichen wissenschaftlichen Bibliothek eine
ungemein reichhaltige Sammlung von Denkwürdigkeiten von
seinen weitausgedehnten Reisen.
(Ein Epilog zum Verkauf der Figdor-Sammlung in Wien.)
Ein seit drei Jahren anhängiger Ehrenbeleidigungsprozeß,
der im Zusammenhang mit dem seinerzeit in der Oeffentlich-
keit viel erörterten Verkauf der Kunstsammlung Dr. Figdor
stand, ist nun durch einen Urteilsspruch beendet worden. Der
Wiener Kunsthändler Renee D o r n h e 1 m hatte sich durch
zwei Jahre bemüht, die auf mehrere Millionen Schilling ge
schätzte Sammlung Figdor für ein italienisches Syndikat zu
erwerben, wobei der Rittmeister Leo Salvotti eine Haupt
rolle als Vermittler spielen sollte. Als die Sammlung aber an
einen deutschen .Finanzkonzern, der durch den Berliner Kunst
händler Gustav Nebehay repräsentiert wurde, verkauft
wurde, erstattete Dornhelm gegen Salvotti bei der Polizei-
direktion in Wien eine Anzeige, in welcher er gegen Salvotti
eine Reihe ehrenrühriger Beschuldigungen erhob. So behaup
tete er, daß Salvotti ihn auf betrügerische Weise um seine
Provision, die mehrere hunderttausend Schilling hätte betragen
sollen, gebracht habe. Salvotti strengte darauf gegen Dornhelm
eine Ehrenbeleidigungsklage an, durch dessen Anzeige er sich
in seiner Ehre und in seiner Existenz schwer geschädigt fühlte.
In der ersten Verhandlung über diese Klage, die vor drei
Jahren stattfand, hatte Dornhelm zugegeben, die inkriminierte
Anzeige erstattet zu haben und hatte sich zum Beweis des
guten Glaubens angeboten. Er stellte unter Beweis, daß Sal
votti nach Mitteilung dritter Personen an dem Verkauf der
Figdor-Sammlung beteiligt war, daß dieser Verkauf für eine
ausländische italienische Gruppe erfolgt sei, mit der er schon
vorher durch Salvotti wegen des Ankaufes der Sammlung in
Verbindung war. Die Durchführung des Beweisverfahrens zog
sich, da sehr viele ausländische Zeugen zur Einvernahme be
antragt waren, da ferner Dornhelm in der letzten Zeit fast
immer im Auslande war, sehr in die Länge. In der nun statt
gefundenen Schlußverhandlung wurden als Zeugen der Rechts
anwalt Dr. Adolf Adler, der die Familie Figdor vertreten
hatte, und der frühere Rechtsfreund Dornheims als Zeugen
vernommen. Der Angeklagte seihst, der trotz ausgewiesener
Zustellung der Vorladung nicht erschienen war und auch keinen
Vertreter entsendet hatte, wurde wegen Ehrenbeleidigung zu
einer Geldstrafe von 300 Schilling, eventuell zu fünf
Tagen Arrest mit der Begründung verurteilt, daß auch der Be
weis des guten Glaubens vollständig mißlungen sei.
AUSSTELLUNGEN.
Bertiil. K üp f e r s t i c h k a h i n e 11. Schabkunstblätter
des 17, und 18, J., Moderne Graphik,
— Staatliche Kunstbihliothek. Zeitgenössi
sche ukrainische Kunst.
— Galerie G u r 1 i 11, Laucebruni, R. Meier, H. T, Rich
ter, E. Spiro.
— Secession. Kollektiv-Ausstellungen.
Dresden. Sächsischer Kunstverein. Paul Baum,
H. Unger, Böckstiegel, G. Neugebauer, E. Scharowsky, H.
Mayrhof er-Passau.
Karlsruhe. Badische Kunsthalle. Emil Nolde.
— Galerie Moos. Ludwig Dill, Th. Poeckt.
München, Staat 1. Graphische Sam mlringen,
Das Bildnis in der Graphik (16. bis 18. J.); Neuerwerbungen.
Paris. Bibliotheque Nationale. Rablais.
Wien. Neue Galerie. Aquarelle v. Fritz Jerusalem.
AUKTIONEN.
5. Mai. Wien. Durch Albert Kende. Künstlerische
Wohnungseinrichtung des Dr. Josef Kranz, Wien, IX.,
Liechtensteinstraße 53.
5. und 6. Mai. Wien, Dorotheum (Bücherabteilung).
Austriaca, Viennensia, alte Bücher, Inkunabeln.
6. Mai. Wien. Durch Dorotheum im Auktionssaal
III., Lothringerstraße 14. Nachlaß C. J, W a w r a. Alte und
moderne Meister, Graphik. Bücher, Arbeiten in Marmor, Metall,
Bronze, Holzskulpturen und Porzellan, Mobiliar, Teppiche.
9. Mai. London. Sotheby & Co. Sammlung Chester
B e a 11 y. Handschriften.
17. bis 19. Mai. Luzern. Galerie Fischer. Sammlung
Baron Kleist. Möbel, Gemälde.
22. und 23. Mai. Leipzig, C. G. B o e r n e r. Alte Kupfer
stiche aus der Sammlung des Lord Northwick (t 1859),,
Northwick-Park, aus der Sammlung König Friedrich
August II. von Sachsen (f 1854) und anderem Besitz.
23. Mai. Leipzig. C. G. Boerner und Gutekunst &
Klipstein (Bern). Daumier-Sammlung des Herrn Carl O.
Schniewind (New York).
23. hisi 25. Mai. Wien. Glückselig. Mobiliar, Ge
mälde, Kunstgewerbe,
24. Mai, Leipzig. C. G. Boerner. Handbibliothek der
Firma A r t a r i a & Co. (Wien).
26. Mai, Zürich, Durch Ulrico H o e p 1 i (Mailand). Gra
phik, Bücher.
26. Mai. Frankfurt a, M, Joseph B a e r & Co. Bibliothek
Chevalier Constantin Le P a i g e (Lüttich), Inkunabeln, illustr.
Bücher, franz. Literatur u. a.
26. und 27. Mai. Berlin. Hollstein & Puppe 1.
Kupferstiche.
BRIEFKASTEN.
L. M. Senden Sie uns ein Photo des Bildes.
Auktion. Diese Auktionen brechen förmlich aus. Wenige
Tage vor der Auktion weiß -die Auktionsfirma noch nicht, was
.sie versteigern wird. Erhalten wir den Katalog, so i-st es zur
Publizierung meist zu spät. Das Ergebnis dieser Auktionen
entspricht denn auch der Art dieser Vorbereitung. Daß sich
die Einbringer der Objekte gegen diese überhastete Methode
nicht wehren, ist uns unverständlich, denn sie haben ja den
Schaden davon.